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Fußball-Kolumne

DFB-Chef Neuendorf in Katar: Warum sich der Verband nicht kritisch zur WM äußert

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DFB-Präsident Bernd Neuendorf reist am Montag erneut nach Katar – nur Symbolpolitik? (Archivbild)Bild: www.imago-images.de / imago images
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Kritik an DFB und seiner Haltung zur WM: "Reise von Präsident Neuendorf nach Katar ergibt keinen Sinn"

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
31.10.2022, 07:3728.01.2023, 09:25
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Am Montag, dem 31. Oktober reist DFB-Präsident Bernd Neuendorf gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu einem weiteren Besuch in das Emirat Katar. Die Reisegruppe hat sich vorgenommen, mit den Machthabern und Fußballfunktionären über Menschenrechte sprechen zu wollen. Gleichzeitig wollen sie sich ein Bild über die Lage vor Ort machen.

Der Zweck der Reise reiht sich also schnörkellos in den Politiker-Sprech der vergangenen Monate und Jahre ein: Wir sind kritisch, wollen aber auf keinen Fall etwas tun, was der Strahlkraft dieses umstrittenen Turniers den Rückenwind nehmen könnte.

Die Reise erfüllt noch zwei andere Funktionen: Einerseits drücken die Teilnehmer nochmals ihre kritische Grundhaltung gegenüber dem Ausrichter, der Fifa und dem ersten Weihnachtsturnier der WM-Geschichte aus. Gleichzeitig zeigen sie der DFB-Basis und den kritischen Fans in Deutschland, dass sie sich auch für grundlegende Themen engagieren. Deshalb ist dieser Flug nach Doha bereits jetzt ein Erfolg für die Pressearbeit des Deutschen Fußballbundes.

"Der DFB wird die WM weder boykottieren noch wird er die Gewinne den Hinterbliebenen der verstorbenen Bauarbeiter überweisen."

Es ist ganz egal, ob am Ende dabei etwas herauskommt oder nicht. Denn eines steht bereits heute felsenfest: Der DFB wird die WM weder boykottieren noch wird er die Gewinne, die der Verband auch mit diesem Turnier einheimst, an die Hinterbliebenen der verstorbenen Bauarbeiter überweisen.

Stattdessen wird man fordern, dass die Fifa den von internationalen Gewerkschaften seit vielen Jahren eingeforderten Entschädigungsfonds für die Wanderarbeiter mit ihrem Geld ausstattet. Schließlich ist ja genug davon da. In verschiedenen Schätzungen wird gemutmaßt, dass die FIFA mehr als 6 Milliarden Euro mit diesem Turnier verdient.

Kolumnist Harald Lange
Kolumnist Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft.Bild: uni würzburg / uni würzburg
über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 53-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Dem DFB fehlen Druckmittel, um wirklich etwas zu verändern

Dem DFB-Boss fehlt ein Druckmittel, weshalb er sich auch diesmal auf seiner Reise nur informieren und an keiner Stelle etwas fordern oder gar verhandeln kann. Diese Zahnlosigkeit des Präsidenten des größten Sportverbandes der Welt ist bedauerlich.

Die WM beginnt in drei Wochen, alle für das Turnier qualifizierten Mannschaften haben unmissverständlich mitgeteilt, dass ein Boykott keinesfalls infrage kommt. Alle werden sich an die Regeln halten, die die Fifa und der umstrittene WM-Gastgeber festgelegt haben. Deshalb ergeben Reisen wie diese aus meiner Sicht keinen Sinn.

Es sei denn, Bernd Neuendorf würde sich an den Präsidenten des australischen Fußballverbandes dranhängen und zumindest in Aussicht stellen, dass auch das DFB-Team bereit wäre, in den kommenden Wochen ähnlich klar Position zu beziehen, wie die Nationalspieler Australiens.

Bislang hat mit der Mannschaft aus Australien lediglich eine einzige der teilnehmenden Nationen klare Kante gezeigt und in dieser Woche eine fundamentale Kritik an dem Turnier veröffentlicht. In der Stellungnahme verurteilen die Socceroos die Menschenrechtsverletzungen in Katar. Konkret heißt es, dass die Ausbeutung von Wanderarbeitern während des Stadionbaus nicht ignoriert werden kann. Des Weiteren fordern die Australier das Gastgeberland dazu auf, die gleichgeschlechtliche Ehe zu legalisieren.

"Kein einziges Großereignis wie die WM hat zur Verbesserung der Lebensbedingungen und der Menschenrechtslage in den Gastgeberländern beigetragen."

Das Statement der Australier ist druckfrisch und die Gelegenheit wäre gut. Wir dürfen allerdings davon ausgehen, dass an uns nach Abschluss dieser neuerlichen Reisemission erneut die altbekannten Argumentationsfiguren aufgetischt werden: "Es gab in der Gesetzgebung in Katar einige Verbesserungen und der eingeleitete Reformprozess würde durch das Turnier angeschoben und fortgesetzt." So ähnlich argumentieren ja auch die Bosse von Bayern München im Zusammenhang mit dem umstrittenen Sponsoring durch Qatar Airways.

Ich empfinde das als naiv. Zumal wir alle wissen, dass in den letzten Jahrzehnten kein einziges sportliches Großereignis wie die Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaften auch nur ansatzweise zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen und der Menschenrechtslage in den Gastgeberländern beigetragen hätte.

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