Das EM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland in Frankfurt am Main führte Emre Can zu den Wurzeln seiner Fußballkarriere zurück. Can, in der Mainmetropole geboren und aufgewachsen, lief beim überzeugenden 6:1-Sieg gegen die Nordiren erstmals seit seiner Roten Karte in Estland als Innenverteidiger der Nationalelf auf – und überzeugte. Da der eigentlich im Mittelfeld beheimatete Profi bei Juventus Turin aktuell keine wichtige Rolle spielt, sollten sich die Topklubs der Bundesliga um ihn bemühen.
Einem Bericht der italienischen Sportzeitung "Corriere dello Sport" zufolge haben Borussia Dortmund und der FC Bayern bereits Interesse an "Mr. Versatile". So nannte man ihn während seiner Zeit beim FC Liverpool: "Mr. Vielseitig" kann alles spielen außer Torwart und Stürmer. Für beide Vereine wäre er eine große Bereicherung.
Gegen Nordirland merkte man Emre Can zwar an, dass Innenverteidiger nicht seine 1a-Position ist. Aber er steigerte sich im Laufe des Spiels, trug den Ball oft nach vorne, trieb das Spiel aus der Tiefe an. Can strahlte er viel Ruhe aus und brachte die in der Nationalef zuletzt oft vermisste Robustheit auf den Platz.
Zudem schien er seinen jungen Abwehrkollegen Jonathan Tah und Lukas Klostermann mit seiner großen Erfahrung ein sicheres Gefühl zu geben. Wobei man sagen muss: Auch Can ist noch jung. 25 ist er erst, kaum vorstellbar, turnt er doch schon seit 2012 im Profizirkus herum.
Mit 14 Jahren wechselte er 2009 aus der Jugend von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern. 2011 zeichnete ihn der DFB mit der U17-Fritz-Walter-Medaille in Gold aus. Seinen ersten Pflichtspieleinsatz für die Profis des Rekordmeisters hatte Can im August 2012 als 18-Jähriger im DFL-Supercup gegen Borussia Dortmund. Ein Jahr später wechselte er für fünf Millionen Euro zu Bayer Leverkusen. Dort war er prompt Stammspieler, schlug voll ein: 39 Pflichtspiele, vier Tore, fünf Vorlagen.
Es folgte der Schritt zum FC Liverpool. Für die Reds absolvierte er zwischen 2014 und 2018 über 100 Pflichtspiele. Im Sommer 2018 ging er ablösefrei nach Italien zum nächsten Topklub: Juventus Turin. Während er bei den Bianconeri in der vergangenen Saison noch Stammspieler war, läuft es in dieser Spielzeit gar nicht.
Bisher hat Can nur vier Spiele für Juve absolviert, Kurzeinsätze. Für die Champions League hat ihn Trainer Maurizio Sarri nichtmal nominiert. Für den Nationalspieler glich das einem Schlag ins Gesicht, er fühlte sich damals belogen: "Ich war in Gesprächen mit anderen Klubs und für meinen Verbleib war es eine Bedingung, dass ich Champions League spiele. Ganz klar: Wenn ich das drei Tage eher erfahren hätte, dann wäre ich nicht bei Juve geblieben. Der Umgang mit mir war nicht ehrlich. (...) Das ist für mich extrem schockierend. Ich bin sauer, wütend. (...) Noch in der letzten Woche wurde mir etwas anderes erzählt."
Die enttäuschten Worte von Can klingen nach Abschied. Und hier wollen wir den FC Bayern und Borussia Dortmund ins Spiel bringen. Denn Can würde beiden Klubs wahrscheinlich sofort weiterhelfen, da er alles mitbringt, was dem BVB und FCB gerade etwas abgeht.
Bei beiden Vereinen könnte Can zur Problemlösung beitragen, was die wackelige (BVB) beziehungsweise verletzungsgeplagte (FCB) Abwehr angeht. In Dortmund sorgt man sich außerdem aktuell um Sechser Thomas Delaney, der sich auf seiner Länderspielreise mit Dänemark verletzte. Die Sechs ist die Lieblingsposition von "Mr. Vielseitig". Mittlerweile spricht auch die "Bild" von einem Interesse des BVB an Can.
Außerdem spielt der wuchtige 1,86-Meter-Mann seit sieben Jahren auf höchstem Niveau, er hat internationale Erfahrung aus 25 Champions-League- und Nationalelf-Einsätzen, spielte schon in drei europäischen Topligen. Er bringt Robustheit, Führungsqualität und Zweikampfstärke mit.
Es gibt viele Argumente, die für eine Can-Rückkehr nach Deutschland sprechen. Vor allem für eine nach München, spielte er doch zwischen 2009 und 2013 schon für den FCB. Dort würde er mit einigen deutschen Nationalspielern zusammenspielen und gleichzeitig den "Bayern-Block" in der Nationalelf stärken. Das käme wiederum dem DFB-Team zugute. Stichwort: Eingespieltheit bei der EM 2020, vor dem Turnierstart wird die Nationalelf nur noch wenige Tests bestreiten – und das erst ab Ende März. Dann gibt es einen Härtetest in Madrid gegen Spanien und ein weiteres Länderspiel gegen einen noch nicht bekannten namhaften Gegner.
Dennoch: Ein Winter-Wechsel stehe für Can aktuell nicht im Raum. Das erklärte er zumindest in einem Interview mit dem "Kicker". Er sei "nicht glücklich" mit seinen Einsatzzeiten, aber wolle "stark bleiben und weiter an mir arbeiten." – Aber alles andere zu behaupten, wäre auch unprofessionell. Der ehrgeizige Can lege oft sogar Extraschichten ein oder arbeitete separat im Fitnessraum, um Trainer Sarri zu überzeugen.
Eine Rückkehr in die Bundesliga schloss Can übrigens im "Kicker"-Interview auf Nachfrage dann doch nicht ganz aus: "Im Fußball kann immer viel passieren", orakelte er. Laut "Corriere dello Sport" darf Can im Winter für 30 Millionen Euro wechseln. Dortmund oder Bayern könnten und sollten sich das leisten, denn so einen deutschsprachigen Allrounder mit diesen Qualitäten bekommt man nicht oft für einen solchen Preis.
(as)