Thomas Müller hat "große Lust" auf die EM und Joachim Löw großes Interesse an einer Rückholaktion des Bayern-Stars. Der Bundestrainer soll dem 31-Jährigen laut der "Bild"-Zeitung bei einem Anruf bereits signalisiert haben, dass er ihn für die Europameisterschaft fest einplant.
Eine Überraschung wäre es längst nicht mehr, wenn Löw den formstarken Münchner Offensivspieler am 19. Mai in seinen 26-köpfigen EM-Kader berufen würde. Zuletzt hatte der Coach die Tür für ein DFB-Comeback Müllers nach über zweieinhalb Jahren bereits ein Stück weit geöffnet. Es sei selbstverständlich die Aufgabe, "die besten Spieler, die es gibt, und die beste Mannschaft mitzunehmen, um den größtmöglichen Erfolg zu garantieren", betonte Löw.
Doch nimmt Löw Müller mit, muss er auch spielen. Damit wäre aber auch klar, dass einige DFB-Stars mit weniger bis keiner Spielzeit bei der EM rechnen müssen. Mit seiner kommunikativen Art wäre Müller für die oft zu ruhige, junge DFB-Mannschaft der benötige Führungsspieler und Antreiber.
Drei Spieler könnten von einer Rückkehr Müllers besonders betroffen sein.
In der englischen Premier League ist der Stürmer nach bisher nur sechs Toren und elf Vorlagen als Chancentod verschrien. Nach der Ablösesumme von 53 Millionen Euro, die Chelsea für ihn zahlte, ist seine Ausbeute bisher einfach zu gering. Zwar traf er im Halbfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid, doch vergab im Hinspiel auch eine sehr gute Chance aus wenigen Metern.
Coach Thomas Tuchel ist nicht immer wirklich zufrieden mit dem 25-Jährigen und fragt ihn schon mal lautstark während des Spiels: "Timo, wie lange spielst du noch links? Du spielst rechts. Du spielst seit einer Viertelstunde links. Verstehst du nicht?"
Dennoch nahm Tuchel seinen Angreifer erst kürzlich in Schutz: "Wir sind mit ihm gefährlicher und vertrauen ihm, sonst würde er nicht spielen." Tuchel ist zudem froh, dass sich Werner aktuell ein "dickes Fell" zulegt und sich die regelmäßige, harte Kritik der englischen Presse nicht zu sehr zu Herzen nimmt.
Doch Jogi Löw vertraute Werner in den letzten Spielen nur selten. Bei den drei Länderspielen im März gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien wurde er jeweils nur eingewechselt und spielte zweimal dreizehn und einmal 40 Minuten. Gegen Nordmazedonien vergab er zudem ziemlich kläglich eine riesige Torchance. Das letzte Mal traf Werner im November 2020 beim 3:1-Sieg über die Ukraine doppelt für das DFB-Team.
Löw lobte zwar Werners Torjägerqualitäten. Doch gegen tief stehende Gegner tut sich der Angreifer immer schwer, Räume zu finden und seine Schnelligkeit auszuspielen. Gnabry, Sané und Havertz passen aufgrund ihrer Passsicherheit und Kombinationsstärke einfach besser zusammen. Käme nun noch Müller dazu, würde Löw wohl auf einen Dreiersturm des FC Bayern mit Müller, Sané und Gnabry setzen. Für Werner bliebe dann nur die Jokerrolle.
Mit einem Einsatz Müllers würde auch automatisch Kai Havertz auf der Ersatzbank Platz nehmen müssen. Zwar stand er in den vergangenen drei Länderspielen immer von Beginn an auf dem Platz, seine Leistungen waren dabei aber sehr schwankend. Beim 3:0-Sieg gegen Island und dem 1:0-Erfolg über Rumänien spielte er stark, nur um gegen Nordmazedonien völlig abzutauchen und nach 54 Minuten ausgewechselt zu werden.
Auch Havertz hatte nach seinem Wechsel für 81 Millionen Euro im vergangenen Sommer zum FC Chelsea mit einigen Anpassungsproblemen zu kämpfen. Mit vier Toren und fünf Vorlagen sind seine Statistiken bisher eher schwach.
Bundestrainer Jogi Löw schätzt jedoch die Fähigkeiten des 21-Jährigen und lobte ihn für seinen Mut, den Schritt ins Ausland zu wagen. In der Dreierreihe mit Sané und Gnabry harmonierte er oft gut, bewies zudem eine gute Übersicht, doch auch ihm geht die letzte Torgefährlichkeit ab. "Kai Havertz kann für die Nationalmannschaft ein prägender Spieler sein. Für ihn finden wir einen Platz, auf jeden Fall", sagte der Bundestrainer noch im Herbst 2019.
Holt Löw Müller zurück, bleibt für Havertz nur die Option, seine Qualitäten als Joker unter Beweis zu stellen. Doch bei seinem Klub gelang ihm nach einer Einwechslung bisher lediglich eine Vorlage und kein Treffer. Die einzige Möglichkeit für Havertz wäre, eine Position nach hinten ins Dreier-Mittelfeld zu rücken. Doch da ist der Konkurrenzkampf mit Gündogan, Kroos, Kimmich, Goretzka, Neuhaus und den Nachwuchstalenten Florian Wirtz und Jamal Musiala für drei Positionen bereits enorm groß.
Das letzte Mal, dass Marco Reus ein Spiel für die DFB-Auswahl absolvierte, war am 13. Oktober 2019 im EM-Qualifikationsspiel gegen Estland. Wie so häufig in seiner Karriere warfen ihn anschließend immer wieder Verletzungen zurück. Auch bei Borussia Dortmund wusste der Kapitän in dieser Spielzeit nur selten zu überzeugen.
RTL-Experte Uli Hoeneß kam nach der 1:2-Niederlage gegen Nordmazedonien zu dem Fazit, dass man weder Reus, noch Teamkollegen Julian Brandt mit zur EM nehmen müsse. Denn beide hätten "nicht bewiesen, dass sie Spiele entscheiden können."
Doch im Saisonendspurt scheint Reus seine Form wiederzufinden. Er erzielte in seinen jüngsten acht Pflichtspiel-Einsätzen fünf Tore und damit eins mehr als in seinen 38 Einsätzen in dieser Saison zuvor. Noch im Frühjahr machte Löw Reus auch öffentlich Druck. "Wir werden seine Entwicklung weiter genau beobachten und hoffen, dass er den positiven Trend weiter fortsetzen kann", so Löw.
Während seiner Verletzungspausen in dieser Saison hatte Reus immer wieder Kontakt zu Löw. "Wir hatten vor der vergangenen Nominierung ein gutes Gespräch und haben gesagt, wir lassen uns Zeit und werden zu gegebener Zeit noch mal sprechen", sagte Reus der ARD und ergänzte: "Ich gehe da ganz locker mit um, aber freue mich natürlich, wenn ich dabei bin."
Nun hat Reus, der bereits einige Turniere aufgrund von Verletzungen verpasst hat, beim BVB abgeliefert. Löw wird ihn mit zur EM nehmen, aber mit einer Nominierung von Thomas Müller und den gesetzten Gnabry und Sané könnte es in Sachen Einsatzzeiten für Reus eng werden.
(lgr/mit Material von sid)