Bei den Special Olympics World Games in Berlin treten aktuell über 7000 Athlet:innen in verschiedenen Sportarten gegeneinander an. Sie kämpfen um Gold, Silber und Bronze, jedoch auch um mehr Sichtbarkeit für den Leistungssport von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
Einer dieser Menschen ist Leonie Spehr. Die 15-Jährige ist Leichtathletin. Im Interview auf der Website der Special Olympics Deutschland hat sie auf die Frage, welches Ziel sie bei den Weltspielen verfolge, "Silber- und Bronzemedaille oder Gold" geschrieben. Bei ihrem vergangenen 800-Meter-Lauf hätte sie das schaffen können – war dann aber zu gut.
Leonie Spehr wurde noch vor dem Finale disqualifiziert. Der Grund ist zunächst verwunderlich: "Sie hat sich um eine Minute gesteigert", sagt Bundestrainerin Franziska Weidner dem "ZDF". Wofür sie im vergangenen Jahr noch 4:20 Minuten gebraucht habe, hat sie nun bei den World Games in 3:25 Minuten geschafft.
Der Grund für die Regel ist ein Problem, das die Verantwortlichen der Special Olympics umgehen wollen. Denn bei den Weltspielen in Berlin treten Menschen mit verschiedenen Behinderungen an und es stellt sich die Frage: Wie können die Leistungen der Athlet:innen vergleichbar gemacht werden?
Das Regelwerk der Special Olympics sieht folgendes vor: Vor dem Wettkampf treten die Sportler:innen in einem Klassifizierungssystem an. Nach diesem werden sie je nach ihrer Leistung in Gruppen aufgeteilt, in denen sie dann das Finale bestreiten. Bei der Leichtathletik gibt es zudem ein weiteres Klassifizierungssystem. "Die Trainerinnen und Trainer teilen die Athletinnen und Athleten schon vor Beginn der Spiele in Gruppen ein", erklärt Weidner.
Leonie Spehr aus Rellingen in Schleswig-Holstein hat die Leistung der Gruppe, der sie zugeteilt wurde, schlichtweg gesprengt. Ihre "enorme Steigerung" sei nicht vorhersehbar gewesen, sagt die Bundestrainerin. "Sie wurde von der Stimmung mitgerissen und ist dadurch enorm schnell gelaufen."
Es war ihre persönliche Bestleistung, für die es nun aber keine Medaille gibt – eigentlich hätte sie Bronze gewonnen. Spehr ging es nicht allein so. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, wurden auch die beiden Erst- und Zweitplatzierten wegen zu guter Leistungen disqualifiziert.
Laut ihrer Trainerin habe es Spehr aber gut verstanden, warum sie disqualifiziert wurde und sei stolz auf ihre starke Leistung. Dieses Gefühl nehme sie mit in andere Wettbewerbe, bei denen sie während der Special Olympics noch antritt.
Der Leiter der deutschen Delegation Tom Hauthal kritisiert die Regel dennoch: "Wenn eine Athletin hier vor Ort die beste Leistung ihres Lebens bringt, die von der Trainerin so nicht vorherzusehen ist, dann ist sie sofort disqualifiziert", sagte er der "SZ". Das sei ein System, das es aus seiner Sicht nicht brauche. Da es ein Viertelfinale, Halbfinale und Finale gibt, gebe es genug Gelegenheiten, die Sportler nach den Zeiten, die sie vor Ort laufen, zu klassifizieren.