Mit einem aufsehenerregenden Appell haben gerade mehr als 800 deutsche Fußballer und Fußballerinnen homosexuellen Spielern ihre Unterstützung nach einem potenziellen Coming-Out zugesichert. Diese Aktion im Maganzin "Elf Freunde" kommt kurz nach der Initiative #actout: Darin hatten sich 185 Schauspieler und Schauspielerinnen im "SZ Magazin" für mehr Diversität in Film und Fernsehen ausgesprochen. LGBTIQ müsse hier viel besser sichtbar werden, die überwiegende Darstellung des heterosexuellen weißen Mittelstands bilde nicht die gesamte Gesellschaft ab. Zugleich feierten die beteiligten Darsteller allesamt ihr öffentliches Coming-Out.
Die Forderung wird auch von Jochen Schropp unterstützt, der sich im Sommer 2018 als homosexuell outete. Bekannt ist er als Moderator ("Big Brother") sowie auch Schauspieler ("Sternenfänger"). Gegenüber watson forderte er, dass vor allem das Programm der TV-Sender vielfältiger werden muss. Was sagen die Sendeanstalten dazu? Auch hier hat watson nachgehakt.
Jochen Schropp steht mit #actout nach eigenen Angaben für eine "Veränderung von Gender-Rollen" ein und möchte Denkanstöße geben. Dass dies dringend nötig ist, weiß er gerade auch anhand eigener Erlebnisse. So berichtet er gegenüber watson:
Und weiter: "'Ist das denn 2021 immer noch ein Thema?', ist wohl die Frage, die ich am meisten gestellt bekomme. Meine Antwort: 'Ja, ist es!' Und genau deswegen ist dieser gemeinsame Schritt ein wirklich großer."
Auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland betont übrigens die Wichtigkeit der Aktion und antwortet watson: "Wir finden die Initiative wichtig und toll. Die Schauspielerinnen und Schauspieler müssen sich nicht länger verstellen und haben gerade durch die Kampagne ein neues empowerndes Netzwerk geknüpft. Zudem sorgt die Verbindung des Coming-outs mit einem politischen Statement für eine notwendige Diskussion in der ganzen Branche."
Die nötigen Änderungen auch umzusetzen, obliegt letztlich aber natürlich den Entscheidungsträgern. Innerhalb der Unterhaltungsbranche stellt Jochen Schropp durchaus Unterschiede fest und äußert schließlich eine klare Aufforderung: "Viele Streamingdienste gestalten ihre Filme und Serien bereits diverser, erzählen neue, aufregende Geschichten. Jetzt müssen deutsche Sendeanstalten und Produzentinnen und Produzenten auch zeigen, dass sie mehr können als Stereotype abzubilden."
Damit stellt sich die Frage, wie die Pläne der einzelnen Sender im Hinblick auf ein vielfältigeres Angebot momentan eigentlich aussehen. Das große Medienecho rund um #actout könnte für sie schließlich ein wichtiger Anstoß sein, insoweit Entwicklungen voranzutreiben.
Auf Nachfrage von watson bekundet ein Sprecher der ARD: "Diversität in puncto sexuelle Orientierung wird im fiktionalen Angebot des Ersten Programms vielfältig abgebildet." "In aller Freundschaft", "Rentnercops", die Mediatheksserie "2 Minuten" oder auch "Sturm der Liebe" sollen die These untermauern – in diesen Produktionen geht es jeweils um homosexuelle Beziehungen.
Auch in der Primetime gebe es bei Das Erste aktuelle Beispiele. So heißt es: "In der Reihe 'Tödliche Geheimnisse' ermitteln zwei lesbische Journalistinnen, im 'Barcelona-Krimi' ein bisexueller Kommissar ebenso wie im Berliner 'Tatort'".
Mit Blick in die nahe Zukunft vermerkt der ARD-Sprecher zudem: "In diesem Frühjahr startet die queere Serie 'All you need' in der ARD-Mediathek. Die Dramedy handelt von vier schwulen Männern in Berlin."
Auch beim ZDF werden eigene Ambitionen und bereits erzielte Fortschritte herausgestellt. Eine Sender-Sprecherin teilt watson mit:
RTL verweist gegenüber watson zunächst darauf, dass die Darstellung von Homosexualität im Alltags-Kontext gerade in Serien wie "GZSZ" eine "lange Tradition" habe. "Dieser natürliche Umgang mit Diversität wird von Zuschauern und Fans im Netz mitunter begeistert gefeiert", erklärt ein Sender-Verantwortlicher.
Ebenfalls zu Buche steht "Take Me Out – Boys Boys Boys" als Alternative zur Hetero-Version der Single-Show. Zudem gab es bei "Bauer sucht Frau" bereits homosexuelle Bauern und ein "Bachelor in Paradise"-Kandidat outete sich als schwul. Daneben bilde "Let's Dance" in hohem Maße Diversität ab, denn "hier tanzten und tanzen unter anderem Thomas Hermanns, Kerstin Ott, demnächst Nicolas Puschmann, erstmalig mit einem männlichen Tanzpartner", führt ein Sprecher aus.
Zudem wird betont: "Wir gehen grundsätzlich ganz natürlich mit den Themen Migranten, Behinderte, unterschiedliche Religionen, sexuelle Ausrichtungen, Gender etc. um. Allein unsere Jury bei 'DSDS', 'Das Supertalent' oder 'Let's Dance' sind divers besetzt mit Stars unterschiedlichen kulturellen Backgrounds." Nicht zuletzt gebe es die Diversitäts-Selbstverpflichtung der UFA, was viele RTL-Programme betreffe. #actout im Speziellen finde der Sender im Übrigen "großartig" und habe die Kampagne über die Social-Media-Kanäle geteilt.
Das Fazit der Stellungnahme lautet:
Laut einem Vox-Statement gegenüber watson lag dem Sender "Diversität schon immer am Herzen" – und das Programm spiegele diese Haltung auch wider. Die LGBTIQ-Community werde durch "Das perfekte Dinner", "Shopping Queen" mit Guido Maria Kretschmer, "4 Hochzeiten und eine Traumreise" mit Froonck Matthée, "Goodbye Deutschland", "First Dates Hotel" oder der ersten schwulen Dating-Show Deutschlands "Prince Charming" vertreten.
Eine Sprecherin erklärt: "Einige Reaktionen auf diese Programme zeigen uns, dass hier noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Deshalb fanden wir die #actout-Initiative großartig und wichtig. Und deshalb wollen auch wir mit unserem Programm weiter einen Beitrag zur Sichtbarmachung von LGBTIQ leisten, zum Beispiel mit der linearen Ausstrahlung des TVNow Originals 'Princess Charming'."
Das weitere Programm und die Besetzung werde außerdem seit einiger Zeit von einer Diversitäts-Beauftragten überprüft, was die guten Absichten des Senders untermauert.
Eine Unternehmenssprecherin der Seven.One Entertainment Group nahm gegenüber watson für die Sendergruppe um SAT.1, ProSieben und Kabel Eins zum Thema Repräsentation von LGBTIQ Stellung. Dabei lässt sie verlauten:
Im Rahmen der Volontärs-Ausbildung gebe es obendrein seit 2019 den sogenannten "Diversity Day", um die Nachwuchskräfte in den Redaktionen für Diversität in ihren verschiedenen Dimensionen zu sensibilisieren. Dazu gehöre die Vielfalt unter den Mitarbeitern, aber auch im TV-Programm.
Was auffällt: Die meisten deutschen Sender scheinen bereits mehr oder weniger zufrieden mit der Repräsentation von LGBTIQ im eigenen Programm zu sein. Gegenüber watson wurden zumindest hauptsächlich bereits existierende diverse Formate bzw. die allgemeine Ausrichtung in den Vordergrund gerückt – allein in der Stellungnahme von Vox klingt an, dass es auch in Zukunft noch einiges zu tun gibt.
Mit Blick auf die bestehenden Serien und Shows dürften die privaten Sender momentan insgesamt klar die Nase vorn haben, was den Faktor Vielfalt betrifft. Hier finden sich mit etwa "Prince Charming" oder "Take Me Out – Boys Boys Boys" verschiedene Formate mit einer dezidiert queeren Ausrichtung. Die ARD hingegen zeigt mit "All you need" zwar einerseits guten Willen, verbannt die Produktion dann aber leider in die Mediathek statt sie linear auszustrahlen. Auch eine solche Entscheidung hat eine gewisse Aussagekraft.