Was bedeutet der Gewinn eines Oscars überhaupt? Darüber wird fast schon so lange debattiert, wie es die Oscars gibt. Den objektiv besten Film gibt es sowieso nicht, doch zu oft schien in der Vergangenheit schon Wochen vor der Verleihung festzustehen, wer groß abräumen wird. Nicht wenige sehen in dem Event eine reine PR-Veranstaltung.
Wenige Tage vor dem großen Abend haben mehrere US-Magazine mit Wahlberechtigten gesprochen, die teils schmerzhaft ehrliche Einblicke in ihre Entscheidungsfindung geben. Leider bestätigten sie die schlimmsten Klischees.
Doch vorweg: Wie wird eigentlich darüber entschieden, wer gewinnt?
Lediglich, wer der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) angehört, darf mitentscheiden. Etwa 9500 Personen sind derzeit zur Wahl berechtigt. Zum erlesenen Kreis gehören Kunstschaffende aus den Bereichen Schauspiel, Regie, Produktion, Kostümbild und viele mehr.
Die nominierten Werke in der Kategorie Bester Film müssen in eine Rangfolge gebracht werden. Wenn ein Film von mehr als 50 Prozent der Teilnehmenden mit Rang eins bedacht wurde, hat er den Oscar in der Tasche.
Wenn kein Film sofort 50 Prozent erhält, scheidet der Teilnehmer mit den wenigsten Stimmen aus, und die Stimmen der Mitglieder, die für diesen Film als ihren Favoriten gestimmt haben, werden dem Film hinzugefügt, der als Nächstes auf ihrer Liste stand. Wenn ihre zweite Wahl ausscheidet, gehen ihre Stimmen an ihre dritte Wahl und so weiter. Dieser Prozess wird fortgesetzt, bis ein Film 50 Prozent oder mehr aller Stimmen erhält.
In allen anderen Kategorien ist es weniger kompliziert. Es bekommt den Oscar, wer die meisten Stimmen erhalten hat. Jedes Mitglied verfügt über eine Stimme und es wird erwartet, dass man die Filme, über die man abstimmt, auch gesehen hat. So viel zur Theorie.
"Entertainment Weekly" hat unter anderem eine Person aus der Academy befragt, die im Bereich Regie tätig ist. "Ich bin deprimiert, weil ich 'The Substance' oder 'Für immer hier' noch nicht gesehen habe", gesteht sie, bevor überraschend zum Tiefschlag gegen "Dune 2" ausgeholt wird:
Auch ein (namentlich ebenfalls nicht genannter) Autor gibt an, den neuen "Dune"-Film nicht gesehen zu haben, nennt dafür aber keine Gründe. Vielmehr heißt es nur: "Den muss ich [bei der Wahl] außen vorlassen."
Ein Publizist macht ebenfalls gegen das Franchise Stimmung, der erste Teil von Denis Villeneuve habe die Person "super gelangweilt". Immerhin wird hier daneben ein wenig Selbstkritik geübt:
Die sich durch Social Media veränderten Sehgewohnheiten machen offenbar auch vor der Academy nicht halt, natürlich braucht es bei einer Laufzeit von 166 Minuten Sitzfleisch. Filmnerds haben jedenfalls leichtes Spiel, den Wahlberechtigten Kunstverachtung vorzuwerfen, wenn der von der Kritik gefeierte "Dune 2" nicht einmal eine Chance bekommt.
Und es gibt weitere Aussagen, die darauf hindeuten, dass diejenigen, die Filme machen, nicht zwangsläufig immer diejenigen sind, die sich am besten auskennen.
Ralph Fiennes beispielsweise ist als Bester Hauptdarsteller für "Konklave" nominiert, doch seine Leistung scheint in den Hintergrund zu rücken. Gleich zwei Academy-Mitglieder geben bei "Variety" an, nicht für den Star zu stimmen, da er schon einmal einen Goldjungen für "Schindlers Liste" gewonnen habe.
Dumm gelaufen: Das ist eine Fehlannahme. Ralph Fiennes war für seine Rolle als Amon Göth lediglich in der Kategorie Bester Nebendarsteller nominiert. Ihm könnte damit die schiere Ignoranz der Abstimmenden zum Verhängnis werden.
Klar, die Konsequenzen sind am Ende nicht so hart, als würde man bei der Bundestagswahl eine Partei wählen, über deren Programm man nichts weiß. Dennoch bitter für diejenigen, die monate- und jahrelang Blut, Schweiß und Tränen in ihr Projekt gesteckt haben – zumal schon Stichproben ein vernichtendes Bild zeichnen.
Wenigstens "Wähler Nummer 6" hält bei "Variety" die Fahne hoch und schreitet zur Ehrenrettung: "Ich schaue mir alles an! Ich hasse es, wenn Leute diesen Job nicht ernst nehmen. Es liegt in unserer Verantwortung, alles zu gucken."