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Meinung
"Spiderman: Far From Home" ist seit dem 3. Juli in Deutschland zu sehen – warum er der beste Spiderman-Film ist.
04.07.2019, 19:4504.07.2019, 19:46
“Spiderman: Far From Home” stand vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Er sollte den Anschluss an den erfolgreichsten Kinofilm aller Zeiten "Avengers: Endgame" knüpfen und die Zuschauer in ein Marvel-Universum führen, das ohne Iron Man Tony Stark auskommt. No Spoiler, er hat es tatsächlich geschafft.
Tom Holland als Spiderman hat mit “Far From Home” die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft dorthin geholt, wo sie hingehört: Ins 21. Jahrhundert und zurük in unsere Herzen. Wie er das macht:
! Diese Review ist Spoilerfrei !
Er suhlt sich nicht in Trauer
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Spiderman war in den letzten beiden Avengers-Filmen der wunde Punkt. Nicht etwa, weil er das Franchise schlechter machte, sondern weil er Iron Mans Schwachstelle darstellte. Sein Tod in “Infinity War” war Tonis Ansporn, weiter zu machen, obwohl er schon aufgegeben hatte. Perfekte Vorlage also für einen rührseligen “Die Welt nach Iron Man”-Spiderman und obwohl Tonys Vermächtnis eine große Rolle spielt, und man hin und wieder schlucken muss, wird es nie zu kitschig.
Tante May on a new Level
Um kurz euer Gedächtnis aufzufrischen: So sah Tante May in den letzten Spiderman-Filmen aus:
Rosemary Harris
Spielte in der Spiderman-Adaption mit Toby Maguire Tante MayBild: Imago Images/Invision
Sally Field
Spielte in "The Amazing Spiderman" Tante Mayimago-images/PA Images
Marisa Tomei
Spielt im aktuellen Spiderman Pater Parkers TanteBild: X02844
Klar, in den Comics ist Tante May eine alte Person. Sie und “Onkel Ben” spielen in Toby Maguires Spiderman-Version eine große Rolle, vor allem Onkel Ben’s Tod. Dass Tante May in den neuerlichen Spidermanfilmen viel jünger ist, tut dem Franchise jedoch sehr gut. In “Far From Home” legen die Macher nochmal nach und verwickeln sie in eine lustig schöne Lovestory.
Das gibt dem im Vergleich zu anderen Adaptionen noch sehr jungen Spiderman eine Art Familienkonstrukt, das die Rolle des Highschool-Schülers realistischer macht.
Er ist lustig3000
Martin Starr als Lehrer "Roger Harrington"Bild: Marvel Studios
Peter Parker ist auf Klassenfahrt – und wäre ich jetzt Stand-Up-Comedian, wäre das der Moment, in dem ich ins Publikum fragen würde: Wer von euch war schonmal auf einer Klassenfahrt? Denn ich weiß: Fast jeder hat das hinter sich. “Klassenfahrt” bietet unendlich viel Lach-Potential und das hat Jon Watts nicht nur erkannt, sondern auch gekonnt genutzt, und einen sehr sehr lustigen Film erschaffen.
Nicht nur Peters Buddy Ned ist wieder sehr lustig, sondern auch deren Lehrer Roger Harrington sorgt für ein paar dämlich lustige Momente.
Er ist kitschig ohne zu nerven
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Was Marvel kann: Selbstironie. Die mit Iron Man entstandene Art, Superhelden darzustellen, hat uns ein riesiges Movie-Franchise beschert. Superhelden mit Capes und Blitzen wissen darin, dass sie eben auch immer etwas dämlich aussehen. Diese Art und Weise mit Superhelden-Kitsch umzugehen hat Autor Chris McKenna nun auf Teenie-Romantik-Kitsch angewendet – mit Erfolg. Die Dialoge zwischen Peter Parker und MJ sind schüchtern-verkrampft, kitschig, werden dann aber mit kleinen Gags oder Wendungen lustig gebrochen.
So ist “Spiderman: Far From Home” ein Teenie-Superhelden-Film mit Lovestory geworden, der trotzdem sehr lustig und spannend ist.
Der Film spielt mit Nostalgie
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Der Klassenfahrt-Faktor sorgt nicht nur für lustige, sondern auch für nostalgische Momente. Für kurze Zeit ist beispielsweise ein doppelter Kopfhöreradapter Thema. Wer die damals auf der 26-Stunden-Busfahrt zu Ziel XY hatte, dessen Chancen am Ende der Busfahrt vergeben zu sein, stiegen sofort um 550% an.
Auch die Art und Weise, wie innerhalb der Klasse Beziehungen entstehen, was die Lehrer sagen (“Wir treffen uns um Punkt 15 Uhr hier wieder”) und wie einzelne Schüler sich verhalten, wirkt im neuen Spiderman wie eine “Diese 23 High School Momente kennt jeder”-Typologie. Wunderbar.
Der Film hat einen Moment, der für Deutsche nochmal lustiger ist als für alle anderen
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Spiderman wacht an einer Stelle in einem holländischen Gefängnis auf, zusammen mit holländischen Fußballfans – und er ist zurecht schockiert. Wer die vergangenen 20 Jahre deutsche Fußballgeschichte nicht ganz verpennt hat, lacht hier nochmal extra.
Michelle “MJ” Jones ist einfach großartig
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Ich bin mit Kirsten Dunst als Spidermans großer Liebe “MJ” aufgewachsen. Sie war zerbrechlich, schrie am laufenden Band um Hilfe, war dramatisch und irgendwie immer nur Peter Parkers Beiwerk. Kurz: Frauenbild von Vorgestern. Zendaya’s “MJ” ist das nicht. Sie ist aber auch nicht nur dann teil der Story, wenn es um Liebe geht oder sie vom Bösewicht entführt wird, sondern übernimmt eine eigenständig starke Rolle.
Abgesehen von ihrer Rolle selbst trägt MJ die erste Hälfte des Films ein T-shirt, auf dem “Vote for Woman”-steht und ein schwarz-weiß-Foto der Frauenproteste von 1908 zeigt.
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Der Film spielt in Europa
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Als ich 2009 zum Schüleraustausch in den USA war, wurde ich gefragt, ob wir in Deutschland Fernsehen hätten. Viel hat sich seitdem geändert und viel ist geblieben. Dass ein Superhelden-FIlm aber ernsthaft in Venedig, Prag, Berlin, Holland, fast in Paris und in London spielt, hat bisher nur Marvel geschafft. (Die Avengers besuchten Berlin ja schon in "Civil War")
Lustig wird das vor allem an den Stellen, an denen die Länder in ihren Klischees dargestellt werden. Die etwas langsamen aber sehr netten und hilfsbereiten Niederländer und die mit Maschinenpistolen schießende Garde des Buckingham Palace sind so kleine Momente, in denen Europa in Amerikanischen Klischees herhalten muss. Fehlte nur der Biertrinkende Deutsche.
Die Schauplatzwechsel vom Markusplatz über die Karlsbrücke ins Juwelenzimmer des Buckingham Palace mit Zwischenstopp in Österreich sind jedoch schön anzusehen und geben dem Film viel Bewegung.
Das Ende macht Bock auf mehr
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Spiderman startete mit Tom Holland im Marvel-Universum eine ganz neue Reise. Sie führte ihn von Queens (Homecoming) aus nach Berlin (Captain America: Civil War), ins All (Avengers: Infinity War) wieder auf die Erde (Avengers: Endgame) und jetzt nach Europa.
Ich spoilere allerdings niemanden, wenn ich sage: Am Ende ist Peter Parker wieder in New York und schwingt sich durch die Straßenschluchten von Manhattan. Das ist zwar Eyecandy, fühlt sich aber an, als würde man hier nach Hause kommen. Es zeigt uns: Hier ist jemand genau dort, wo er hingehört. Und das gibt dem Film ein gutes aber auch verheißungsvolles Ende, das Bock auf noch viel mehr Spiderman macht.
Es gibt noch viele andere Gründe, warum dieser Film super ist, doch wir wollen hier ja nicht Spoilern!