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Protokollbruch bei "Markus Lanz": Hubertus Heil wendet sich direkt an's Publikum

Arbeitsminister Hubertus Heil appelliert an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen – auch für die Kinder.
Arbeitsminister Hubertus Heil appelliert an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen – auch für die Kinder.Bild: ZDF Screenshot
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"Wenn es einen Sinn Ihrer Sendung gibt...": Heil bricht bei Markus Lanz plötzlich alte Talkshow-Regel und spricht direkt in die Kamera

04.08.2021, 16:47
Alina Lackerbauer
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Jung gegen Alt, Physik-Student gegen Politiker, Moritz Piepel gegen Arbeitsminister Hubertus Heil und seine Rentenpolitik, kündigt Moderator Markus Lanz die Gäste am Dienstag an. Wie blickt ein 22-Jähriger heutzutage auf seine Rentenperspektive? Junge Menschen werden politisch konsequent benachteiligt, sagt der Student Piepel.

Eine vielfach diskutierte Frage: Gilt das auch für die Pandemiepolitik? Wie so oft diskutiert Lanz mit seinen Gästen auch darüber, ob Kinder wirklich geimpft werden sollten, warum die Politik jetzt handelt, während die Wissenschaft noch wartet, und ob man nicht doch Geldanreize für die impfmüden Erwachsenen etablieren sollte.

Das waren die Gäste bei "Markus Lanz" am Dienstagabend:

  • Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales
  • Kristina Dunz, Journalistin
  • Moritz Piepel, Student
  • Prof. Ulrike Protzer, Virologin

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben am Montag beschlossen, Kindern ab 12 Jahren flächendeckend ein Impfangebot zu machen – obwohl die Ständige Impfkommission (Stiko) noch immer keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat. Die Argumente der bisherigen Entscheidung werden nun überprüft, sagt derweil der Stiko-Vorsitzende Mertens.

Moderator Lanz will wissen, ob dieses Vorpreschen der Politik ein Trauersymbol für die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist. Die Politik wolle der Wissenschaft, die einfach zu lange wartet, etwas entgegensetzen, meint Kristina Dunz, Journalistin vom "RedaktionsNetzwerk Deutschland", und somit besser vorbereitet sein.

Debatte um Kinderimpfungen, während bei den Erwachsenen die Impfmüdigkeit einsetzt

Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen argumentiert Virologin Ulrike Protzer dass Kinder jedoch noch immer ein sehr geringes Risiko einer schweren Covid-Erkrankung haben, mit Ausnahme der 16- bis 18-Jährigen, die viele soziale Kontakte haben. Das große Problem sehe sie bei der Impfmüdigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung – und nicht bei ungeimpften Kindern.

"Solange wir noch nicht alle Erwachsenen geimpft haben, sollten wir dann wirklich auf die Kinder setzen, das Ganze einzudämmen, oder sollten wir uns nicht lieber darauf konzentrieren, die Erwachsenen zu überzeugen?"
Virologin Ulrike Protzer
Virologin Ulrike Protzer von der TU München sieht Kinder unter 16 nicht als Pandemietreiber.
Virologin Ulrike Protzer von der TU München sieht Kinder unter 16 nicht als Pandemietreiber.Bild: ZDF screenshot

Heil bricht plötzlich Sendungsprotokoll bei Lanz: "Wenn es einen Sinn Ihrer Sendung gibt"

Arbeitsminister Hubertus Heil halte die Entscheidung der Stiko für vertretbar auf Basis der wissenschaftlichen Daten. Man müsse eben damit leben, dass es in der Wissenschaft unterschiedliche Meinungen gibt. Die Impfung sei jedoch eine Frage der Verantwortung der Erwachsenen gegenüber Kindern, das man nicht noch einmal Schulen und Kitas schließen müsse, findet er, und nutzt die Sendezeit, um an die Bevölkerung zu appellieren – ganz entgegen dem normalerweise vorherrschenden Protokoll. Er wartet nicht, bis Markus Lanz eine Frage stellt: "Wenn es einen Sinn Ihrer Sendung gibt", setzt er an und schaut dann direkt in die Kamera.

"Erwachsene, lasst euch impfen, bitte, und zwar auch im Sinne der Kinder."
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)

Mal wieder geht es um Anreize fürs Impfen – Geldsummen oder einfach eine Bratwurst umsonst? Nicht nötig, sagt Heil. Ebenso wird kurz angerissen, ob Impfverweigerer künftig wirklich ihre Tests selbst bezahlen müssen. Eine Scheindebatte, wirft Student Moritz Piepel ein. "Wenn wir uns anschauen, wie viel in den letzten Monaten und Jahren ausgegeben wurde, werden die paar Tests den Garten nicht fett machen", sagt er.

Wie blickt ein 22-Jähriger heutzutage auf seine Rentenperspektive?

Vielmehr beschäftigt ihn ein Thema: Die Zukunft seiner Generation. 100 Milliarden, ein Viertel des Bundeshaushalts, fließen derzeit in die Rentenkasse, weil schon aktuell die Beiträge nicht mehr ausreichen, um die Rente zu finanzieren.

"Die Rente ist nicht zukunftssicher und das schnürt uns jungen Menschen die Luft ab."
Student Moritz Piepel

Heutzutage habe man immerhin vier Millionen mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer als vor zehn Jahren, betont Heil. Sein Fazit: Wie sicher die Rente ist, hängt davon ab, wie sicher der Arbeitsmarkt ist. "Das überzeugt mich ganz und gar nicht", entgegnet Piepel. Und weiter: "Wir müssen uns doch fragen, wo die Rente 2050 steht, und das ist die Frage, auf die ich noch immer keine Antwort habe."

Moderator Markus Lanz im Gespräch mit Arbeitsminister Hubertus Heil, der die Sendung nutzt, um für die Impfung zu werben.
Moderator Markus Lanz im Gespräch mit Arbeitsminister Hubertus Heil, der die Sendung nutzt, um für die Impfung zu werben.bild: ZDF screenshot

Heil antwortet: Er halte es für darstellbar, dass man das Rentenniveau bis 2040 steigern werde. Statt konkret zu werden, weist er Piepel darauf hin, dass seine zitierte Umfrage über Zukunftsängste der Jugend von einer Fondgesellschaft in Auftrag gegeben wurde. "Sie müssen schon genau schauen, mit welchen Interessen Umfragen gemacht werden", so Heil. Im Übrigen fände er es aber unerträglich, wenn Ältere von oben herab mit Jüngeren sprechen würden – "Herr Merz zu Frau Neubauer zum Beispiel", fügt er kurze Zeit später noch an.

"Wie wird der Arbeitsmarkt gestaltet, damit wir bis 68 durchhalten? Es gibt viele Berufsgruppen, in denen das nicht möglich ist. Schauen Sie sich die Pflege an."
Journalistin Kristina Dunz
Student Moritz Piepel fordert bessere Rentenperspektiven von den Sozialdemokraten, Journalistin Kristina Dunz stimmt zu.
Student Moritz Piepel fordert bessere Rentenperspektiven von den Sozialdemokraten, Journalistin Kristina Dunz stimmt zu.Bild: ZDF screenshot

1980 kamen noch 27 Rentner auf 100 Beitragszahler, jetzt sind es 37, 2040 werde es Prognosen zufolge 54 sein. Heil spricht von Frauenerwerbsquoten, Beschäftigungsfähigkeit und qualifizierter Zuwanderung. Wo diese Menschen herkommen sollen, erschließt sich im Verlauf der Diskussion auch kaum. Aus Rumänien oder Indien, meint Heil. Er spricht von einzelnen Stellschrauben, das Wichtigste sei aber wieder mal der Arbeitsmarkt.

Die SPD ist doch jung, meint Heil

Piepel schließt daraus: "Ich habe eher den Eindruck, dass die Politik für die Bevölkerung 60+ gemacht wird." In seiner Partei gebe es aber übrigens sehr viele junge Menschen – viel mehr als bei anderen, sagt Heil in Wahlkampfstimmung.

"Wir brauchen diese Debatte sicher nochmal, dann mal nur mit jungen Leuten", resümiert Lanz. Das Durchschnittsalter im Bundestag sei übrigens 49, "auch das sagt viel". Pieper nickt – informierter und zuversichtlicher fühlen sich die meisten jungen Menschen vermutlich noch immer nicht.

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