Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Stell dir vor, es ist Klimakrise und keiner tut was"

Im Juli brannten wieder große Flächen Wald ab, ausgelöst von extremer Trockenheit und langen Dürreperioden.
Im Juli brannten wieder große Flächen Wald ab, ausgelöst von extremer Trockenheit und langen Dürreperioden.Bild: IMAGO / Andre März
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Stell dir vor, es ist Klimakrise und keiner tut was"

29.07.2022, 14:15
Linda Kastrup, gastautorin
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Die Erde brennt. Hunderte Feuer wüten im Moment über den Planeten und zerstören die Lebensgrundlage von uns allen. Die Dürre der vergangenen Jahre lässt die Feuer in einem unglaublich schnellen Tempo ausbreiten und die anhaltenden Hitzewellen machen den Umgang damit nicht leichter.

Die in Deutschland gemessenen Rekord-Temperaturen kommen jedoch nicht mal ansatzweise an die Temperaturen der vergangenen Wochen in anderen Regionen, wie etwa im Irak, heran. Dort gab es Hitzewellen von um die 50 Grad Celsius. All das ist erst der Anfang. Selbst, wenn wir jetzt sofort erreichen würden, dass sich die Erde nicht mehr weiter erhitzt, würde es lange Zeit nicht mehr kühler werden. Die Klimakrise verursacht so viel Leid – und das Ausmaß dessen widerfährt den Menschen sehr ungleichmäßig.

Die Welt ist im Krisenmodus, die Bundesregierung im Chaos

Verdeutlichen wir es an einem Beispiel in Deutschland: Ein älterer Mensch in einer kleinen Wohnung im Zentrum einer Großstadt erlebt die Klimakrise viel stärker, als jemand auf dem Land mit einem Pool im Garten. Finanziell gut aufgestellte Menschen können sich Klimaanlagen leisten und sind so auch körperlich weniger gefährdet, während Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen diese Möglichkeiten nicht haben.

Weltweit sind besonders Länder im globalen Süden von Klimakatastrophen betroffen. Sie haben am wenigsten zur Klimakrise beigetragen und leiden dennoch am stärksten unter den Folgen. Dabei sind das oft die Länder und Menschen, die schon seit Jahrzehnten für Klimagerechtigkeit kämpfen. Der globale Norden hat den globalen Süden massiv ausgebeutet. Resultierend daraus haben diese Nationen nicht die finanziellen Möglichkeiten, um sich ausreichend vor diesen Klimakatastrophen zu schützen.

Das Problem war vor einer Woche auch Thema beim Petersberger Klimadialog in Berlin. Der selbsternannte Klimakanzler Scholz hat dort beteuert, wie wichtig ihm der Ausstieg aus fossilen Energien und die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze sei. Seine Worte: Dafür müsse man rasch aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Doch in der Realität sorgt er für das Gegenteil. Olaf Scholz baut beispielsweise weiter unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus.

Dazu gehört das Vorantreiben von neuer Gasförderung vor der Küste Sénégals, die Planung zahlreicher Flüssiggasterminals in Deutschland und der Einsatz für Gas-freundliche Politik in der EU und bei den G7-Ländern.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
"Für wie viele absurde fossile Rückschritte muss der Krieg jetzt noch als Begründung herhalten?"

Die FDP fordert in der Regierung eine Verlängerung der Atomkraft. Für wie viele absurde fossile Rückschritte muss der Krieg jetzt noch als Begründung herhalten? Denn zielführend ist das nicht: Auch Energieökonomin Claudia Kemfert stellt klar: Für die jetzt benötigte Wärmeerzeugung "nützen uns Atomkraftwerke gar nichts." Und: "Atomkraftwerke produzieren nur Strom, und zwar nur sechs Prozent der Gesamtstrommenge."

Darüber hinaus zeigt das (nicht existente) Sommerpaket, wie uneinig sich SPD, FDP und Grüne bei den Maßnahmen zur Einsparung der Emissionen sind. Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, sich auf einen gemeinsamen Plan für Klimagerechtigkeit zu verständigen und hat das umfassende "Sofortprogramm" stattdessen in den Herbst verschoben.

Wer ist an der Macht?

Es gab allerdings einen kleinen klimapolitischen Erfolg in den letzten Wochen in Berlin, den man nicht vergessen sollte: die Befürwortung des deutschen Bundestages für den Erhalt von Lützerath.

Lützerath ist ein kleines Dorf am Rande des Tagebaus Garzweiler II und soll für die darunter liegende Kohle von RWE zerstört werden. Das Problem: Die Bundesregierung ist nicht die entscheidende Instanz, sondern das Land Nordrhein-Westfalen.

Nach aktuellem Kurs strebt dessen Regierung nicht an, Lützerath zu erhalten, sondern gibt einem profitgierigen Konzern die Macht, uns immer weiter in die Klimakrise reinzureiten. Gutachten haben bewiesen, dass vor Lützerath die 1,5 Grad-Grenze liegt und trotzdem wird die Wissenschaft weiter für finanzielle Gewinne von RWE ignoriert.

Linda Kastrup, 23, studiert an der Universität Duisburg-Essen im BA Erziehungswissenschaft und ist Sprecherin für Fridays for Future Deutschland. Sie setzt sich besonders in der FFF-Ortsgruppe in Duis ...
Linda Kastrup, 23, studiert an der Universität Duisburg-Essen im BA Erziehungswissenschaft und organisiert in der FFF-Ortsgruppe in Duisburg Proteste rund um den Sterkrader Wald in Oberhausen.Bild: Fridays for Future / Markus Laghanke

Aber nicht nur hier haben Konzerne so viel Macht über politische Entscheidungen. Christian Lindners Beziehungen zu Porsche haben in den vergangenen Tagen für viel Aufmerksamkeit in den Nachrichten gesorgt.

"Wenn profitgesteuerte Unternehmen mehr Einfluss auf Koalitionsverhandlungen haben als wir, dann läuft etwas gewaltig schief!"

Wer während der Koalitionsverhandlungen stündlich Kontakt zu den führenden Kräften der Autoindustrie hat, kann wohl schwer unvoreingenommen über diese Themen diskutieren. Das Interesse der Konzerne stand wieder einmal über dem Interesse der Menschen und über der Wissenschaft.

Wenn profitgesteuerte Unternehmen mehr Einfluss auf Koalitionsverhandlungen haben als wir, dann läuft etwas gewaltig schief! Wenn der eigene Parteichef solche Interessen vertritt, ist es auch kein Wunder mehr, dass Volker Wissing keine Zukunft für das 9-Euro-Ticket sieht. Günstiger ÖPNV war so lange überfällig. Er muss jetzt erhalten bleiben und zugänglicher für alle Menschen werden.

Dafür braucht es sofortige Investitionen in Bus und Bahnen und keine überteuerten Ticketpreise! Sozial-gerechte Klimapolitik sieht genau so aus und darf nicht mehr weiter im Sande verlaufen, nur weil Politiker und Politikerinnen gewissen Lobbys zu nahe stehen.

Es braucht uns alle!

Die Erde brennt unter der Profitgier einzelner Konzerne weg. Die bisherige Klimapolitik der Bundesregierung ist ungenügend. Um dagegen anzukämpfen, braucht es uns. Jede einzelne Person ist für diese anstehenden Proteste wichtig. Der nächste globale Klimastreik kommt – Menschen weltweit werden am 23. September unter dem Motto #PeopleNotProfit auf die Straße gehen.

Edeka baut Deutschlands ersten recyclebaren Supermarkt

Immer mehr Supermärkte in Deutschland erkennen das Potenzial nachhaltiger Konzepte für ihre Filialen. Höhere Mindeststandards für Qualitätssiegel, mehr Fokus auf regionale Produkte oder der kürzlich eröffnete, komplett vegane Rewe-Markt in Berlin-Friedrichshain beweisen, dass in der Lebensmittelbranche schon lange ein Umdenken stattgefunden hat.

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