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Lützerath: Warum sich Fridays for Future der Zerstörung weiter entgegenstellt

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Tausende Klimaaktivist:innen protestierten für den Erhalt des Dorfes Lützeraths.Bild: www.imago-images.de / imago images
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Warum sich Fridays for Future der Zerstörung von Lützerath weiter entgegenstellt

21.10.2022, 12:39
Darya Sotoodeh, gastautorin
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Der Winter naht. Für viele Menschen ist das ein Grund zur Sorge – noch mehr als in den vergangenen Jahren. Die Folgen der aktuellen Energiekrise und der Inflation sind spürbar. Ob zu Hause beim Heizen, bei der Nutzung von Verkehrsmitteln oder beim Einkauf. Der größte Teil der Bevölkerung kann sich dem (welt-)politischen Geschehen schon lange nicht mehr entziehen.

Schon mit Beginn der Energiekrise war klar, dass es von politischer Seite aus Entlastungen brauchen würde, damit die Folgen nicht vor allem diejenigen treffen, die ohnehin schon am stärksten in der Gesellschaft benachteiligt werden. Doch langes Zögern und viel Hin und Her verstärkten die in der Bevölkerung herrschende Unsicherheit.

Der Bundesregierung mangelt es an Konsequenz

Auf der weltpolitischen Bühne sollte Deutschland konsequent sein. Die Sanktionen gegen Russland sind nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ein richtiger Schritt. Das muss allerdings nicht heißen, dass hier zahlreiche Menschen in Existenzangst leben müssen. Die Grundbedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger müssen sichergestellt werden.

Solidarisch mit den Betroffenen fossiler Kriege zu sein, bedeutet auch nicht, dass wir uns weiter abhängig von Kohle, Öl und Gas machen müssen. Im Gegenteil: Gerade jetzt wird deutlich, wie wichtig es ist, energetisch unabhängig zu sein. All das ist möglich – trotz gegenteiliger Behauptungen, die momentan besonders gerne von rechtspopulistischer Seite verbreitet werden, um Ängste zu schüren und von der Notlage zu profitieren.

Die Verantwortung dafür, gezielt dort Entlastung zu schaffen, wo sie benötigt wird, trägt die Bundesregierung.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Sozial gerechte Entlastung sieht anders aus

Zuletzt kündigte die Regierung schließlich an: Die stark kritisierte Gasumlage kommt doch nicht. Über die letzten Monate versetzte diese viele Menschen dauerhaft in Sorge. Stattdessen soll es Entlastungen geben.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gaskommission schlägt dafür vor, dass der Staat die Abschlagszahlungen aller Bürgerinnen und Bürger im Dezember übernimmt. Im März 2023 soll dann schließlich der Gaspreis gedeckelt werden. Doch auch dieser Vorschlag ist nicht sozial gerecht und fördert weder die Reduktion des Gasverbrauchs, noch unsere energetische Unabhängigkeit.

Kampf um das Dorf Lützerath

Auch andere Beschlüsse, die in der vergangenen Woche vonseiten der Regierung kamen, zeigen, dass die Ampel nicht verstanden hat, was für eine gerechte Bewältigung von Klima- und Energiekrise notwendig ist: Nordrhein-Westfalen plant zwar gemeinsam mit dem Kohlekonzern RWE den Kohleausstieg im Jahr 2030, allerdings muss das Dorf Lützerath dafür weichen.

Die darunter gelagerten Kohlereserven werden laut RWE noch benötigt. Die Grünen stützen sich aus Zeitmangel auf diese Aussage, auf die Zahlen eines fossilen Konzerns, der offensichtlich in erster Linie eigene Profite vergrößern will.

Darya Sotoodeh engagiert sich zu Antirassismus und Intersektionalität innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Darya Sotoodeh engagiert sich zu Antirassismus und Intersektionalität innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung. bild: watson / privat

Betreiben die Grünen reine Symbolpolitik?

Laut mehrerer Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird die Kohle, die sich unter Lützerath im Boden befindet, nicht zwingend für die Energiesicherheit gebraucht. Hinzu kommt, dass geplant ist, vor 2030 einfach mehr Kohle zu verbrennen, sodass laut DIW durchaus möglich ist, dass überhaupt keine Emissionseinsparung stattfindet. Mit ihren großen Worten um den vorgezogenen Kohleausstieg betreibt die Regierung damit reine Symbolpolitik.

"Mit ihren großen Worten um den vorgezogenen Kohleausstieg betreibt die Regierung reine Symbolpolitik."

Vor einigen Tagen hatten die Grünen ihren Parteitag. Zwar beantragte die Grüne Jugend einen vorläufigen Räumungstopp, doch am Ende wurde mit knapper Mehrheit beschlossen, dass sich die Partei für die Abbaggerung Lützeraths und die Verfeuerung der Kohle darunter ausspricht.

Aktivist:innen stellen sich der Zerstörung von Lützerath entgegen

Damit wird ein jahrelanger Kampf ehemaliger Bewohnerinnen und Bewohner und Klimaaktivistinnen und -aktivisten zunichtegemacht. Viele machten den Ort zu ihrem Zuhause, bauten dort eine Struktur auf und machten Lützerath trotz der geplanten Räumung zu einem (wieder)belebten Ort. Bis heute sind zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten dort und werden sich der Zerstörung entgegenstellen.

Lützerath wurde zum Verhandlungsgegenstand und wird aufgegeben, um RWE zu besänftigen. Dabei bringt der frühere Ausstieg keinen nennenswerten Mehrwert gegen die Klimakrise und die Debatte lenkt davon ab, dass die Regierung sich gerade mit dem Bau fester LNG-Terminals beschäftigt, statt endlich den Ausbau von Wind- und Solarenergie und dezentralen Speichermöglichkeiten anzugehen.

Wie "grün" sind die Grünen wirklich?

Die Grünen tragen all diese Entscheidungen der letzten Wochen mit. "Dies ist ein guter Tag für den Klimaschutz." So kommentierte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck die Einigung mit RWE. Doch das war er nicht: Bei all diesen Entscheidungen haben weder das Klima noch soziale Gerechtigkeit oberste Priorität.

Stattdessen haben milliardenschwere Unternehmen wie RWE großen Einfluss darauf. Lützerath wird aufgegeben, um RWE davon zu überzeugen, etwas dringend notwendiges und eigentlich Selbstverständliches zu tun: 2030 keinen Kohlestrom mehr zu produzieren.

Den Abriss Lützeraths bekommt vor allem der Globale Süden zu spüren

In Lützerath verläuft die 1,5-Grad-Grenze. Mit der Menge an Braunkohle, die dort abgebaut werden soll, wird die 1,5-Grad-Grenze weit überschritten. Hier geht es nicht nur um ein Dorf, es geht um unsere globale Verantwortung und den CO2-Ausstoß, der damit verursacht wird. Und diese Folgen werden vor allem Länder des globalen Südens zu spüren bekommen.

Statt sich an die Seite zerstörerischer Konzerne zu stellen, müssen die Regierungsmitglieder einen Fokus auf eine schnelle und gerechte Energiewende setzen. Das gilt besonders für die Parteien, die sich als sozialdemokratisch und klimafreundlich verstehen.

"Statt sich an die Seite zerstörerischer Konzerne zu stellen, müssen die Regierungsmitglieder einen Fokus auf eine schnelle und gerechte Energiewende setzen."

Was die Menschen brauchen, sind gezielte Entlastungsmaßnahmen. Besonders Menschen mit wenig Einkommen, wenig Wohnraum und moderatem Strom- und Gasverbrauch dürfen nicht unter den steigenden Preisen leiden. Wir brauchen bezahlbaren ÖPNV, damit das unabhängige Fortbewegen nicht zu einer zusätzlichen Belastung wird. Und wir brauchen so schnell wie möglich einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, damit alle Menschen in Zukunft bezahlbaren sauberen Strom beziehen können.

Wir fordern von der Bundesregierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Dieses Geld soll endlich Schwung in die Energiewende bringen und internationale Ausgleichszahlungen für die Zerstörung ermöglichen, die Deutschland – gemeinsam mit Konzernen wie RWE – in schon heute am schlimmsten von der Klimakrise betroffenen Staaten verursacht hat.

Es braucht Maßnahmen, die sozialen Ausgleich schaffen und gut für das Klima sind. Und es braucht sie jetzt.

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