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Lungenarzt: Corona-Risikogruppe setzt sich anders zusammen als angenommen

Röntgen-Aufnahme einer Lunge: Bei Covid-19 ist bisher kein einheitliches Muster von Lungenentzündungen zu erkennen, bei jedem Patienten sieht sie anders aus. (Symbolbild)
Röntgen-Aufnahme einer Lunge: Bei Covid-19 ist bisher kein einheitliches Muster von Lungenentzündungen zu erkennen, bei jedem Patienten sieht sie anders aus. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / Udom Pinyo
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Lungenfacharzt erklärt, warum Lungenentzündung nicht Haupt-Todesursache bei Covid-19 ist

04.05.2020, 17:03
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Viele Mythen ranken sich um das neuartige Coronavirus, das die bisher noch wenig erforschte Lungenkrankheit Covid-19 auslöst. Noch nie schaute die Bevölkerung so gebannt auf die Wissenschaft, die nahezu täglich neue Informationen zu Infektionswegen, Krankheitsverlauf oder genauer Todesursache veröffentlicht.

Aktuell finden Erkenntnisse aus der Rechtsmedizin immer mehr Beachtung. Obwohl es zunächst vonseiten des Robert-Koch-Instituts hieß, Corona-Todesopfer sollten nicht obduziert werden, damit Ärzte sich nicht mit dem Virus anstecken, setzt sich nun immer mehr die Auffassung durch: Die Untersuchung der an Covid-19 verstorbenen Patienten kann wertvolles Wissen für die Lebenden liefern. Der Rechtsmediziner Klaus Püschel kam so in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") zu dem Schluss:

"Festgestellt haben wir erst mal, dass die Todesursachen sehr unterschiedlich sind. Es gibt nicht 'den' Corona-Toten, wie es die Statistik suggeriert."

Alexandar Tzankov, Leiter des Fachbereichs Autopsie am Uni-Spital in Basel berichtete zudem in der "Süddeutschen Zeitung", dass die wenigsten Opfer an einer Lungenentzündung gestorben seien. Dafür sei fast keiner der an Covid-19 verstorbenen frei von Vorerkrankungen gewesen.

Woran genau sterben nun Menschen, die einen tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 erleiden? Und welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Pathologen, um mehr über Covid-19 zu erfahren? Darüber hat watson mit dem Lungenfacharzt Thomas Voshaar gesprochen. Er ist Chefarzt im Krankenhaus Bethanien Moers sowie Präsident des Verbands pneumologischer Kliniken (VPK).

watson: Alexandar Tzankov, Leiter des Fachbereichs Autopsie am Uni-Spital in Basel, sagte vor Kurzem gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", dass die wenigsten Corona-Todesopfer eine Lungenentzündung gehabt hätten. Jedoch sei eine Störung der Mikrozirkulation der Lunge sichtbar. Was bedeutet das genau?

Thomas Voshaar: Dabei handelt es sich um eine Störung des Blutkreislaufs in der Lunge, bei denen kleinste Blutgefäße betroffen sind. Dann funktioniert der Prozess des Sauerstoffaustauschs nicht mehr oder nicht mehr vollständig. Das erschwert, zusätzlich zur eigentlichen Lungenentzündung, den Gasaustausch.

"Hohes Alter lässt den Patienten nicht automatisch zur Risikogruppe gehören, sofern er keine Vorerkrankungen hat."

Was bedeutet diese Störung für Menschen mit Vorerkrankungen, hohem Alter, Übergewicht oder für Raucher? Für wen ist sie am gefährlichsten?

Wir haben beobachtet, dass sich die Risikogruppen, die von einer Erkrankung an Covid-19 am stärksten betroffen sein könnten, anders zusammensetzen, als am Anfang der Pandemie gedacht. So haben wir festgestellt, dass Patienten mit Diabetes oder Hypertonie, also Bluthochdruck, unabhängig vom Alter am ehesten einen schweren Krankheitsverlauf erleben.

Hohes Alter lässt den Patienten nicht automatisch zur Risikogruppe gehören, sofern er keine Vorerkrankungen hat. Auch bei Rauchern oder Asthmatikern ist bisher nicht gesichert, wie hoch ihr Risiko einer schweren Erkrankung ist. Ansonsten haben wir beobachtet, dass junge Menschen die Krankheit eher überleben – was aber auch damit zusammenhängt, dass sie seltener unter Vorerkrankungen leiden.

Kommt so eine Störung der Mikrozirkulation der Lunge häufig vor? Oder ist das ein besonders seltenes Symptom, das spezifisch ist für das Coronavirus?

Dass die Mikrozirkulation der Lunge gestört ist, kommt auch bei anderen Virusinfektionen vor. Deswegen würde ich nicht sagen, dass das ein spezifisches Merkmal einer Covid-19-Erkrankung ist – aber ein häufiges. Es kann die Symptome der Lungenentzündung verstärken. Ob eine Mikrozirkulationsstörung aber bei allen Covid-Lungenentzündungen in bedeutsamer Ausprägung vorkommt, wissen wir noch nicht.

Warum werden Patienten nicht früher künstlich beatmet?

Weil eine künstliche Beatmung die Lunge auch schädigen kann, vor allem, wenn über einen längeren Zeitraum beatmet werden muss. Aus den USA erreichen uns während der Corona-Krise gerade Berichte, dass etwa 80 Prozent aller beatmeten Patienten versterben. Studien aus China geben eine Sterberate von zirka 50 Prozent an. Für Deutschland liegen diesbezüglich noch keine Zahlen vor, wahrscheinlich werden sie aber etwas besser sein, weil wir recht früh auf die Krise reagiert und so mehr Zeit und Ruhe für die gewissenhafte, individualisierte Behandlung der Patienten gewonnen haben.

Gibt es denn wirksame Alternativen zur künstlichen Beatmung?

Wenn ein Patient mit Atemnot bei uns eingeliefert wird, versuchen wir zunächst, die Atmung mit der Zugabe von Sauerstoff zu stabilisieren. Dabei atmet der Patient noch spontan, also selbstständig. Zeigt sich keine Besserung des Zustands, wird per CPAP beatmet. Dabei wird die Spontanatmung mit einem Überdruck unterstützt. Im nächsten Schritt kann die CPAP-Beatmung noch mit der Zufuhr von Sauerstoff kombiniert werden. Erst, wenn der Patient ansonsten drohen würde, zu versterben, wird intubiert und die künstliche Beatmung eingeleitet.

"Aus den USA erreichen uns während der Corona-Krise gerade Berichte, dass etwa 80 Prozent aller beatmeten Patienten versterben."

Geschieht es denn, dass Sie in Ihrer Klinik auch besonders junge Patienten aufnehmen?

Bisher hatten wir insgesamt 40 Coronavirus-Patienten, von denen einer verstorben ist. Vor kurzem erst haben wir einen unter 30-jährigen Mann aufgenommen – der litt bei der Aufnahme allerdings noch nicht an Atemnot. Wir konnten die Covid-19-Erkrankung zwar feststellen, aber die Lunge war nahezu noch nicht angegriffen. Dafür litt der Mann an einer ventrikulären Tachykardie, einer schweren Herzrhythmusstörung, die schnell zum Tod führen kann. Hätten wir den Mann nicht rechtzeitig aufgenommen, wäre er vermutlich verstorben.

Glauben Sie, dass die festgestellte Herzrhythmusstörung mit der Covid-19-Erkrankung zusammenhängt?

Davon gehen wir aus – denn sie wurde infolge einer Herzmuskelentzündung ausgelöst. Diese kommt mit und ohne Mikrozirkulationsstörung vor. Das Virus kann direkt den Herzmuskel befallen. Auch von anderen Virusinfektionen wie zum Beispiel der Influenza kennen wir Beteiligungen des Herzens. Ob hier das Phänomen der Mikrozirkulationsstörung auch eine Rolle spielt, ist unklar.

Was wir außerdem festgestellt haben: Ein Teil der Covid-19-Patienten hatte Embolien. Das sind Blutgerinnsel, die, wenn sie sich lösen, wie ein Torpedo zur Lunge schießen. Sie verstopfen dann die Lungenarterien, durch die sauerstoffarmes Blut von Herz zu Lunge fließt. Ist eine oder sind mehrere Lungenarterien verstopft, steigt der Druck in ihnen und das Herz kann unter Umständen den erforderlichen Druck für eine angemessene Durchblutung der Lunge nicht mehr aufbringen.

Welche Auffälligkeiten zeigen sich bei Covid-19 noch im Vergleich zu einer klassischen Lungenentzündung?

Nachdem wir bei allen unseren Corona-Patienten eine Computertomografie (CT) gemacht haben, konnten wir feststellen: Bei Covid-19 sind fast immer beide Lungenflügel entzündet, bei einer klassischen Lungenentzündung meist nur einer. Ansonsten zeigen die Lungen-Aufnahmen unserer Patienten ein breites Spektrum von Entzündungsmustern: Während bei den einen die Lunge kaum angegriffen ist, sind bei den anderen beide Flügel wölkchenhaft oder nahezu flächendeckend befallen. Das kann mit dem Stadium der Erkrankung zusammenhängen, muss es aber nicht. Es gibt keine Einheitlichkeit. Auch sind uns einige für Lungenerkrankungen untypische Symptome aufgefallen.

"Ein Mitarbeiter, der sich im Ausland angesteckt hatte, konnte drei Wochen lang nicht Gitarre spielen, weil er das Gefühl in den Fingern verloren hatte."

Wie zum Beispiel?

Einer unserer Mitarbeiter, der sich außerhalb des Krankenhauses mit dem Coronavirus infiziert hatte, berichtete uns, dass er kurze Zeit vor Krankheitsbeginn unter der Dusche plötzlich sein Duschgel nicht mehr riechen konnte. Aus diesem Grund wurden wir in unserer Klinik recht früh aufmerksam auf das Symptom des Verlusts von Geruchs- und Geschmackssinn. Ein weiterer Mitarbeiter, der sich im Ausland angesteckt hatte, konnte drei Wochen lang nicht Gitarre spielen, weil er das Gefühl in den Fingern verloren hatte.

Was bedeutet es, das die Symptome so vielfältig und ungewöhnlich sind?

Das können wir noch nicht genau sagen. Wir können, wie bereits gesagt, vermutlich davon ausgehen, dass das Virus Entzündungen in Gefäßzellen des ganzen Körpers verursachen kann – und dass es auch das Nervensystem befällt, wie beispielsweise der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn nahelegt. Genauere Erkenntnisse können wir allerdings nur gewinnen, wenn wir auch verstorbene Corona-Patienten sorgfältig untersuchen.

Wir Ärzte in der Klinik arbeiten mit den Lebenden – umso wichtiger ist es für uns, Erkenntnisse von Pathologen mit unserem Wissen abzugleichen, deswegen stehen wir mit vielen von ihnen regelmäßig in Kontakt. Die Angst, sich bei einer Obduktion zu infizieren, ist wohl unbegründet. Denn das Virus wird vor allem von Menschen über Tröpfchen übertragen, die beim Sprechen oder Husten abgegeben und vom Gegenüber eingeatmet werden.

Der Rechtsmediziner Klaus Püschel stellte fest, dass es sehr viele Todesursachen bei einer Erkrankung an Covid-19 gebe. Er sagte jüngst in einem Interview mit der "FAZ": "Es gibt nicht 'den' Corona-Toten, wie es die Statistik suggeriert." Was halten Sie von seinen Aussagen?

Fakt ist, dass wir bisher immer noch zu wenig über die Krankheit wissen. Es gibt momentan keine scharfe Trennung, ob ein Patient an oder mit Corona gestorben ist. Wenn ein Patient zum Beispiel an einer Herzerkrankung leidet, ist es möglich, dass er in zehn Jahren an einem Herzinfarkt sterben würde. Diese zehn Jahre könnten ihm aber durch das Coronavirus genommen werden. Um in so einem Fall die genaue Todesursache stellen zu können, müssen wir mehr Obduktionen durchführen und enger mit Pathologen zusammenarbeiten.

"Die Krankheit kann sich auf diverse Arten auf den Körper auswirken. Ganz im Vordergrund steht aber die Lunge."

Welche Schlüsse erhoffen Sie sich von Pathologen, die Covid-19-Todesopfer untersuchen?

Für uns Mediziner, die im Klinikalltag mit Corona-Patienten arbeiten, wäre es wichtig, zu wissen: Sind die Menschen spontan atmend verstorben? Oder wurden sie schon länger künstlich beatmet? Erstere würden nämlich plötzlich versterben, während bei zweiteren schon mehrere Maßnahmen unternommen worden sind bis zum Todeszeitpunkt. So könnten wir womöglich auch besser nachvollziehen, wie weitreichend die Schäden durch die künstliche Beatmung sind. Meine Frage an die Pathologen ist also: Was ist der Unterschied zwischen jemandem, der trotz maschineller Beatmung gestorben ist und jemandem, der zum Zeitpunkt des Todes noch selbstständig geatmet hat?

Auch könnten Pathologen noch genauere Aussagen darüber treffen, wie andere Organe, zum Beispiel Herz, Leber oder Nieren von der Krankheit betroffen sind. Wichtig wäre auch, in einer eigenständigen Obduktion das Gehirn genauer zu untersuchen. Sollte das Coronavirus zum Beispiel das Stammhirn befallen, das auch für die Atmung zuständig ist, wäre das eine wertvolle Erkenntnis.

Heißt das, dass die Lunge doch keine zentrale Rolle bei einer Covid-19-Erkrankung spielt?

Die Krankheit kann sich auf diverse Arten auf den Körper auswirken. Ganz im Vordergrund steht aber die Lunge: Der Großteil der Problematik liegt nach wie vor in der beidseitigen Lungenentzündung und Atemnot. Dennoch ist es wichtig, auch den restlichen Körper zu untersuchen. Schließlich sind auch schon Patienten an Covid-19 verstorben, ohne dass ihre Lunge angegriffen wäre oder selbst kurz nach Entlassung aus dem Krankenhaus, als die Lunge bereits geheilt schien.

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Kaum ist das Trennungsgespräch beendet, wünscht man sich den oder die Ex zurück. Mal ist es die Gewohnheit, die alles überragt, mal die Liebe, die nicht erblassen möchte. Und plötzlich sitzt man wieder Arm in Arm gemeinsam auf der Couch, als wäre nichts gewesen. Doch kann ein Beziehungs-Comeback gut gehen?

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