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Bademeister erzählt: So gefährlich ist der Job im Freibad wirklich

Viele Freibäder haben aktuell ein Problem: Ihnen fehlen ausgebildete Fachkräfte.
Viele Freibäder haben aktuell ein Problem: Ihnen fehlen ausgebildete Fachkräfte.Bild: picture alliance / dpa | Daniel Karmann
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Hat Deutschland ein Bademeister-Problem? Warum immer mehr "Schwimmies" keinen Bock mehr auf den Job haben

18.07.2022, 10:07
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Die Meldung von einem drohenden Bademeister-Streik auf Mallorca sorgte kürzlich in Deutschland für Schlagzeilen. Das Szenario: gesperrte Strände mitten in der Urlaubszeit.

Zwar konnte der Streik abgewendet werden, dennoch hört man auch hierzulande immer wieder, dass es zu wenig Bademeister gibt, mancherorts bleiben Schwimmbäder dann sogar zu. Was wären wir ohne unsere Bademeister? Wie schon die Popsängerin Dota so treffend dichtet:

"Er ist auf Posten, er ist am Start / Er kontrolliert, dass keiner Glasflaschen bei sich hat / Er sagt: 'Hier wird nicht gerannt' / Er hat eine Kiste mit Wundverband / Er sitzt unter Palmenattrappen / Er trägt Shorts und Schlappen / Und in diesem trendigen Schick / Hat er die Nichtschwimmer immer und ständig im Blick / Passt auf, dass keiner hinter der Linie der Roten ist / Warum? Weil das verboten ist / Was es hier zu reißen gibt, reißt er / Er ist der Bademeister."
Der 39-Jährige Schwimmeister Jens Popke aus Flensburg erzählt aus seinem Alltag als Bademeister.
Der 39-Jährige Schwimmeister Jens Popke aus Flensburg erzählt aus seinem Alltag als Bademeister.getty images

Wir haben Jens Popke gefragt, der seit über 20 Jahren Bademeister in Flensburg ist: Warum haben so viele Bademeister keine Lust mehr auf den Job?

Herr Popke, ist der Job als Bademeister ein attraktiver Beruf?

Jens Popke: Also attraktiv ist der Beruf nach wie vor, denn man hat ja doch in Freizeiteinrichtungen zu tun. Klar hat man, so wie man es jetzt im Berliner Umfeld gelesen hat, auch immer mal Stresssituationen. Aber die Schwimmmeister sind schon ein relativ besonderer Schlag, die das auch aufgrund ihrer Berufung und Leidenschaft zum Schwimmbad und zu diesem Dienst machen.

Wie sind denn die Arbeitsbedingungen?

In Deutschland ist natürlich der Fachkräftemangel ein Thema. Gerade im Bereich der Freibäder gibt es hier und da tatsächlich Probleme, die Anlagen überhaupt zu öffnen, weil man gar keine geschulten Kollegen mehr findet. Das ist aber tatsächlich eher in der Mitte von Deutschland ein Problem und in den großen Ballungszentren als bei uns im Norden. Also wer tatsächlich eine Ganzjahresbeschäftigung anbietet, der hat damit kein Problem. Das bezieht sich überwiegend auf Saisonkräfte im Bereich der Rettungsschwimmer und Aushilfskräfte. Das ist nach der Pandemie so der Stamm an Mitarbeitern, der weggebrochen ist.

"Gerade im Bereich der Freibäder gibt es hier und da tatsächlich Probleme, die Anlagen überhaupt zu öffnen, weil man gar keine geschulten Kollegen mehr findet."
Jens Popke, Bademeister

Weil die Arbeitsbedingungen zu unsicher sind?

Genau, da waren Badschließungen ein ganz großes Thema. Weil die Schwimmbäder zwei Jahre zu hatten und dementsprechend jeder, der einen Saisonvertrag hatte, in den letzten zwei Jahren gar nicht angestellt oder eingesetzt gewesen ist. Das ist natürlich ein Problem. Die haben sich jetzt umorientiert in andere Bereiche und sind dann als Saisonkräfte so wie bisher nicht mehr verfügbar auf dem Markt. Und auch Rettungsschwimmer, die über die verschiedenen Wasserrettungsorganisationen ausgebildet worden sind und die Schwimmmeister unterstützt haben, hatten Jahrgänge, wo wenig bis gar nicht ausgebildet worden ist.

Ich wusste gar nicht, dass es für Bademeister eine Ausbildung gibt. Oft wirken die Menschen im Bad ja eher wie junge Leute mit einem Sommerjob.

Seit 1997 gibt es die Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe. Das ist die richtige Berufsbezeichnung. Und die geht tatsächlich drei Jahre und umfasst eine technische Ausbildung. Und auch sehr viel Animation im Bereich von Schwimmkursen und Wassergymnastik und so weiter. Aber auch Beckenaufsicht natürlich, dass man da als Garant am Becken steht.

Und das müssen die Saisonkräfte aber auch machen, diese 3-jährige Ausbildung? Oder gibt es Crash-Kurse?

Da ist tatsächlich der Rettungsschwimmschein Silber ausreichend. Aber die Kollegen, die in der Wasseraufsicht unterstützen, sind Rettungsschwimmer, die haben nicht die Verantwortung für den technischen Bereich, wie zum Beispiel der Fachangestellte oder der Meister für Bäderbetriebe. Für den Badegast sieht es immer so aus: Da läuft einer mit weißem oder roten T-Shirt herum, der hat bestimmt Ahnung. Aber da muss man dann doch unterscheiden zwischen ausgelernter Fachkraft oder unterstützendem Personal in der Wasseraufsicht.

"Der Badegast denkt, der mit dem weißen T-Shirt oder braun gebrannt am Beckenrand sitzt, das ist jetzt so wie der Bademeister mit Trillerpfeife damals. Aber das gibt es eigentlich nicht mehr."

Welches Klischee über Bademeister nervt Sie am meisten?

Das fängt ja schon mit dem Begriff Bademeister an, also das ist eigentlich der medizinische Bademeister. Das ist jemand, der Wannenbäder und medizinische Anwendungen macht. Und wir als Fachkraft sind tatsächlich Meister für Bäderbetriebe oder Fachangestellte für Betriebe. Vor 1997 hieß es noch Schwimmmeister und Schwimmmeistergehilfe. Das sieht natürlich der Badegast nicht. Er denkt, der mit dem weißen T-Shirt oder braun gebrannt am Beckenrand sitzt, das ist jetzt so wie der Bademeister mit Trillerpfeife damals. Aber das gibt es eigentlich nicht mehr.

Warum?

In den Anlagen hat man tatsächlich große Schwimmbäder mit 1000 bis 2000 Besuchern am Tag. Und da hat der Schichtführer, der Schulmeister oder Fachangestellte für Bäderbetriebe die komplette Verantwortung dafür, dass jeder der Besucher unversehrt nach Hause gehen kann. Darauf verlässt man sich in Deutschland. Man weiß, wir haben einen guten Berufsstand, wir haben ausgebildetes Personal und das ist auch der Unterschied zu anderen Ländern. In Mallorca und auch hier oben in Dänemark gibt es den Ausbildungsberuf nicht, den gibt es also nur in sehr wenigen Ländern so wie hier.

Schulmeister für Bäderbetriebe ist natürlich etwas lang. Aber wie nennen Sie sich denn nun selbst oder gegenseitig?

Die allgemeine Abkürzung des "Schwimmies" ist immer noch ganz herzig. Den lernen die Leute hier in der Berufsschule kennen.

Im richtigen Moment zur Stelle: der oder die Bademeisterin.
Im richtigen Moment zur Stelle: der oder die Bademeisterin. Getty Images Plus

Man hört ja, dass auch jetzt noch wegen Corona immer mehr Menschen, vor allem Kinder, einfach nicht schwimmen gelernt haben oder nicht gut schwimmen können. Wie ist denn da der Stand der Dinge?

Das ist tatsächlich der Fall, dass man da gerade im Schulsportbereich fast zwei Jahrgänge hat, wo man nicht mehr dieses Selbstverständnis hat: Ich gehe am Wochenende ins Schwimmbad oder ich habe im Schulschwimmen Erfahrungen gesammelt, sodass wir jetzt wirklich viele Gruppen haben, bei denen schwimmerische Grundlagen mit zehn Jahren gar nicht vorhanden sind.

"Die Kollegen in den Bädern sind ein Garant für Sicherheit und die sind auch nach wie vor dafür da, dass man sich als Familie wohlfühlen kann."

Mussten Sie schon mal persönlich jemanden retten im Schwimmbad?

Wir hatten jetzt gerade einen Beinah-Ertrinkungsfall, wo man dann wieder sensibilisiert ist, dass die Rettungskette funktionieren muss. Aktuell sind wir tatsächlich in einer Schulungswoche dafür. Wenn man 20 Jahre am Becken ist, merkt man manchmal schon: Oh, man ist zwar immer aufmerksam, aber vieles ist auch schon ein Prozess. Das läuft einfach. Aber wenn man dann einen Unfall hatte, ist man erst mal wieder sensibilisiert.

Peter Harzheim, der Präsident des Bundesverbands deutscher Schwimmmeister (BDS) hat zur "Bild"-Zeitung gesagt, er würde nicht mehr mit seinen Enkelkindern ins Schwimmbad, weil es inzwischen zu gefährlich sei. Wie sehen Sie das?

Da muss man schon sehr differenziert die Gegebenheiten betrachten. Also dass die Schwimmbäder generell keine sicheren Orte sind, würde ich jetzt so nicht unterschreiben. Bei den Fällen im Sommerbad in Berlin, bei denen es an zwei Wochenenden zu Schlägereien kam – dass man da nicht unbedingt mit den Kindern sein möchte, ist auch richtig. Aber das soll nicht heißen, dass man als Präsident des BDS den Leuten nicht mehr empfiehlt, ins Schwimmbad zu gehen. Das ist ein bisschen falsch aufgenommen worden, glaube ich. Es ist ein bisschen davon abhängig, wie man sich sein Klientel erzieht. Denn die Kollegen in den Bädern, die sind ja ein Garant für Sicherheit und die sind auch nach wie vor dafür da, dass man sich als Familie wohlfühlen kann.

Haben Sie noch einen Wunsch an Ihre Badegäste?

Dass man seine Kinder nicht aus den Augen verliert und vielleicht das Handy oder sein Tablet mal weglegt. Dass man sagt: Wir erleben den Besuch im Schwimmbad mit der Familie und machen nicht nur Fotos und lesen die Zeitung online, sondern wir sind vollkommen für die Kinder und für die Familie da. Das ist der große Wunsch, weil da kommt es auch immer wieder zu Zwischenfällen. Da wird dann gesagt: Wir haben aufs Smartphone geguckt und haben unser dreijähriges Kind, was ja noch gar nicht Schwimmen kann, im Babybecken allein gelassen.

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