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7500 Dollar für Obdachlose: Organisation wagt Experiment und ist positiv überrascht

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Hilfe für Obdachlose? Eine kanadische Wohltätigkeitsorganisation wagte jetzt ein Experiment (Symbolfoto).Bild: E+ / AleksandarGeorgiev

7500 Dollar für Obdachlose: Organisation wagt Experiment und ist positiv überrascht

13.10.2020, 16:3014.10.2020, 09:03
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Das bedingungslose Grundeinkommen wird auch in Deutschland mittlerweile breit diskutiert. Andere Länder experimentieren bereits mit einer Zahlung für alle Menschen, die an keine Bedingungen geknüpft ist. Ob die Bevölkerung dadurch wirklich effektiv vor Armut geschützt werden kann und vor allem wie ein solches Projekt finanziert werden soll, ist weiterhin umstritten.

Eine kanadische Wohltätigkeitsorganisation, die "Foundation for Social Change" ("Stiftung für sozialen Wandel"), hatte kürzlich eine stattliche Summe Geld in die Hand genommen, um genau das zu testen. Das Ziel: Erforschen, wie sich das Leben von Menschen verändert, die kürzlich obdachlos geworden sind und plötzlich eine relativ hohe Geldsumme zur Verfügung haben. Die Studie mit dem Namen "New Leaf Project" kann durchaus als gewagtes Experiment betrachtet werden. Schließlich war nicht garantiert, dass sich das Leben der Obdachlosen durch den plötzlichen Geldsegen zum Guten verändert.

Obdachlose bekamen einmalige Zahlung von 7500 Dollar – Forscher positiv überrascht

Doch für die Forscher war das Ergebnis "auf schöne Weise überraschend". Zunächst wählten sie 50 Probanden zwischen 19 und 64 Jahren aus, bei denen sichergestellt wurde, dass kein signifikanter Drogenmissbrauch oder psychische Probleme vorliegen. Die Teilnehmer bekamen dann eine einmalige Zahlung von 7500 Dollar, die sie eigenständig verwalten konnten. Eine zweite Kontrollgruppe bekam die Geldzahlung nicht. Der Untersuchungszeitraum betrug 12 Monate.

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Laut der Studie konnten durch das Geld mehr Menschen eine Wohnung finden.Bild: iStockphoto / Srdjanns74

Das Ergebnis zeigt: Diejenigen, die das Geld erhalten haben, fanden schneller eine Wohnung, als die Personen in der Kontrollgruppe. Demnach gaben die Personen, die den Betrag erhalten hatten, das Geld größtenteils für Lebensmittel, Miete und Transport aus. Außerdem gingen bei diesen Personen die Ausgaben für Drogen, Zigaretten und Alkohol im Durchschnitt um 39 Prozent zurück.

Doch die einmalige Zahlung lohnte sich nicht nur für die Empfänger. Laut der Studie konnten die Obdachlosenheime in einem Jahr 8100 Dollar pro Person einsparen. Das ergab eine Gesamtersparnis von 405.000 Dollar.

"Das Geld gab mir die Mittel, die ich brauchte, um aus der Notunterkunft herauszukommen und mich für die Sozialprogramme und den Computerunterricht zu bewerben, den ich brauchte", wird ein Teilnehmer in der Studie zitiert. "Es war ein wichtiges Sprungbrett und es gab mir eine Wahl. Es gab mir eine Chance", erklärt der Proband.

Experiment klammert ethische Fragen aus – Zahlen mit Vorsicht zu genießen

Doch die Zahlen sind durchaus mit Vorsicht zu genießen. Klar ist, dass es sich bei dem Experiment nicht um eine natürliche Situation handelt. Die Teilnehmer wussten, dass ihr Umgang mit Geld beobachtet wird. Das könnte auch ein Grund dafür sein, warum sie insgesamt weniger Geld für sogenannte "Versuchungsgüter" wie Drogen, Zigaretten und Alkohol ausgaben.

Auch die ethische Frage muss bei Versuchen dieser Art mitgedacht werden. So heißt es in der Zeitschrift "Medizin Mensch Gesellschaft" zu ethischen Aspekten für Experimenten an Menschen, dass Experimente mit besonders schutzbedürftigen Personengruppen problematisch sein könnten, wenn der Versuchsleiter "die missliche Lage dieser Personen ausnutzen und unterschwellig Druck ausüben kann". Oder "weil diese Menschen mehr oder weniger unfähig sind (...), die Risiken abzuschätzen und sich bewusst für eine Teilnahme zu entscheiden."

Für die "Foundation for Social Change" war das Experiment dennoch ein Erfolg. Sie hofft, mit einer Spendenaktion in Höhe von 10 Millionen Dollar die Studie erweitern zu und damit mehr Menschen helfen zu können.

(lau)