
Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg haben Feuerwehrleute kurzerhand für Abkühlung gesorgt,Bild: imago/watson-montage
25.07.2019, 11:0825.07.2019, 11:08
Die Hitze wird immer mehr zum Problem – gerade in den Städten. Straßen und Gebäude speichern die Wärme besonders stark. Zudem produzieren Menschen und Fahrzeuge zusätzliche Wärme. Auch kann Regen schlecht versickern, verdunsten und die Luft abkühlen. In Städten ist es bis zu zehn Grad wärmer als im Umland, so der Deutsche Wetterdienst (DWD). Gerade für ältere und kranke
Menschen sowie für Kleinkinder ist die Hitze gesundheitlich kritisch.
Was also tun?
Weiße Flächen
Im bayerischen Würzburg wurden nun Straßenbahnschienen weiß getüncht. Es soll die Schienentemperatur senken. "An sehr heißen Tagen haben wir hier zuvor an den Schienen 60 Grad
Celsius gemessen", sagt Jürgen Dornberger, Sprecher der Würzburger
Verkehrs-GmbH. Durch die Hitze dehnten sich die Schienen aus; der
Druck verschiebe die Gleise. Beim Hitzehoch Anfang Juli habe sich die
Farbe bereits bewährt: Die Gleise seien um acht Grad kühler gewesen.
Dabei sei es keine Spezialfarbe; nur der Farbton als solcher wirke.
In Italien gibt es weiße Schienen schon länger, seit kurzem auch in der Schweiz. Mit ähnlichem Ziel hat Los Angeles 2017 begonnen, Straßen hell zu
gestalten. Das Projekt "Cool Pavement" (kühler Straßenbelag) soll
laut Straßenamt hitzebezogene Todesfälle und den Energieverbrauch von
Klimaanlagen reduzieren.
Auch für Häuser raten Experten zu hellen
Flächen. Helle Farben erhöhen die Rückstrahlung, die sogenannte
Albedo. "Nicht umsonst gibt es in Griechenland wie auf Santorin vor
allem weiße Häuser", sagt Stefan Emeis vom Karlsruher Institut für
Technologie (KIT). Auch hitzeabweisende Materialien werden erprobt.
Straßen wässern
Berlin hat schon im vergangenen Sommer begonnen, Straßen zur
Abkühlung zu besprühen. Die Straßenberegnung wurde vorher unter
anderem in Paris getestet. Ähnlich ging der Flughafen Hannover vor,
nachdem die Start- und Landebahn durch zu hohe Hitze aufgerissen war.
Mehr Bäume pflanzen
Um gegen die Wärmeinseln vorzugehen, empfehlen Experten mehr Grün und
Blau im Städtebau: Mehr Bäume, Rasen und Pflanzen sowie mehr
Wasserflächen. Über das Portal Inkas des Deutschen Wetterdienstes
können Kommunen herausfinden, was bei ihnen am wirkungsvollsten ist.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
entwickelt zudem nach eignen Angaben für Städte eine Toolbox mit
Beispielen für klimagerechte Umbauten.
Die Stadt Essen hat beispielsweise das Gelände einer ehemaligen
Krupp-Fabrik teilweise in einen Park umgestaltet. "Gerade im Ruhrpott
hat sich einiges getan", sagt Wolfgang Groß, Umweltreferent beim
Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL).

Der Park in Essen.Bild: imago/Jochen Tack
Eine Kommune, die Taten offenbar nötig hätte, ist das bayerische
Kitzingen. Die 90.000-Einwohner-Gemeinde war in den vergangenen
Jahren die heißeste Stadt Deutschlands. Das Thermometer überstieg gar
die 40-Grad-Marke. Gegenmaßnahmen sind aber erst in Planung. Die
Stadt will laut einer Sprecherin mehr Bäume pflanzen. "Aber das geht
zu Lasten von Parkplätzen." Und sorge damit für Konflikte.
Dabei ließen sich alternativ ungenutzte Flächen begrünen. Im
niederländischen Utrecht wurden laut Medienberichten Dächer von
Bushaltestellen in Blumenwiesen verwandelt. Einige deutsche Städte
haben an Straßenbahntrassen Rasen ausgesät oder erwägen es zumindest,
etwa Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart und Mainz. Mainz begrünt auch die
Fassade eines Parkhauses – hier beißen sich Parkraum und Grün nicht.
Etliche Städte wie Berlin, Düsseldorf, Hannover und Stuttgart fördern
private Begrünung. Düsseldorf hat kürzlich die Anzahl der Gründächer
gezählt. Stand Oktober waren es 2861 – 3,3 Prozent aller Dachflächen.

Ein begrüntes Bushäuschen in Utrecht. Bild: imago images / Hollandse Hoogte
Doch mehr Stadtgrün hat auch Nachteile
Viele Maßnahmen sind aber noch in Erprobung. Denn sie sind nicht ohne
Risiko. Heller Straßenasphalt kann laut Wissenschaftlern in der
Herstellung umweltschädlicher sein als herkömmlicher Asphalt. Zudem
könnten komplett weiße Häuser und Straßen blenden und die Ozonbildung
in Bodennähe erhöhen, meint KIT-Forscher Emeis. Auch mehr Schadstoffe
könnten laut Emeis auf der Negativseite stehen: Bei dichten Bäumen
und mehr Kühle steige die Luft samt Schadstoffen schlechter auf.
Für mehr Stadtgrün wird zudem mehr Wasser benötigt – bei Trockenheit
problematisch. Auch bei Fassadenbegrünungen gibt es Einschränkungen.
"Das funktioniert nur bei Neubauten wirtschaftlich gut", sagt Jürgen
Eppel vom Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der Bayerischen
Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Denn die Begrünung
müsse mit dem Gebäude zusammenpassen, mit Material und Statik.
Auf Kritik stieß ebenfalls die Berliner Straßenberegnung. Der
Wetterexperte und Meteorologie-Unternehmer Jörg Kachelmann twitterte,
dass die "sehr lustige Idee" noch die Schwüle erhöhe und es damit
"noch ein bisschen fieser" werde.
Helfen könnte ein Blick in die Trickkiste anderer Länder
Berechnungen, wie sich das Stadtklima mit und ohne Stadtanpassung
entwickeln wird, gibt es etliche. Ebenso Leitfäden und Ideen, was man
tun könnte. Doch umgesetzt scheint weit weniger, vor allem kein
umfassendes Konzept. "Im Moment redet Gott und die Welt über
klimagerechte Städte, auch die Politik", sagt BGL-Referent Groß. Aber
er argwöhnt, dass die Politik Gelder für Digitalisierung verbrate und
am Ende kein Geld mehr fürs Stadtgrün übrig bleibe.
Andere Hürden als finanzielle sieht Forscher Emeis: Architekten
müssten bereit sein, Abstriche bei ihren ästhetischen Vorstellungen
zu machen. Und Städte existierten bereits. "Wenn eine Stadt komplett
neu gebaut wird, hätte man viel größere Freiheit." Sinnvoll seien
etwa enge Gassen, damit die Sonne nicht mehr durchkomme. "Aber das
ist bei unserem Verkehrsaufkommen kaum zu machen", so Emeis.
In mediterranen und arabischen Städten sind schattige Gassen Alltag.
Hier gibt es noch mehr Kreatives: Im saudi-arabischen Medina werden
Moschee-Besucher von riesigen Sonnenschirmen geschützt. Die
Vereinigten Arabischen Emirate setzten laut Emeis auf Windtürme. "Die
Türme saugen die warme Luft quasi aus der Stadt raus nach oben."
Ideen aus einer Region lassen sich allerdings nicht unbedingt auf
andere übertragen. Selbst innerhalb Deutschlands nicht, sagt
BBSR-Mitarbeiter Fabian Dosch. "Jede Stadt muss eigene Akzente
setzen." Oder wie es KIT-Forscher Emeis ausdrückt: "Eine Stadt
wirklich gut gegen Hitze zu wappnen, ist nicht trivial."
(ts/dpa)
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