
Plötzlich unerreichbar: Weltweit staunten Menschen am Montagabend über den Totalausfall dieser Apps, die alle zu Facebook gehören. Bild: www.imago-images.de / Revierfoto
Digital
05.10.2021, 07:4505.10.2021, 20:13
Rund sechs Stunden ohne Facebook, WhatsApp und
Instagram: Ein ungewöhnlich langer Total-Ausfall hat am Montag
Milliarden Nutzern des Online-Netzwerks zugesetzt. Schließlich gab Facebook bekannt, es habe eine "fehlerhafte Neukonfiguration" an seinen Rechnern vorgenommen, die für den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren verantwortlich seien, wie Vize-Präsident für Infrastruktur, Santosh Janardhan, am Montagabend (Ortszeit) mitteilte. Die Unterbrechung des Datenverkehrs habe "kaskadenartige Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen unseren Rechenzentren gehabt und unsere Dienste zum Stillstand gebracht".
"Vereinfacht dargestellt: Die Dienste von Facebook, WhatsApp und
Instagram sind noch da – aber es fehlt im Internet quasi die
Verknüpfung dorthin", erläuterte Rüdiger Trost von der
IT-Sicherheitsfirma F-Secure der Deutschen Presse-Agentur. "Als hätte
jemand auf einer Autobahn die Ausfahrtsschilder zu den "Orten"
Instagram, WhatsApp und Facebook entfernt."
Tatsächlich haben sie versucht, Facebook aus- und wieder anzumachen
Facebook-Gründer und Konzernlenker Mark
Zuckerberg entschuldigte sich in einem kurzen Facebook-Post.
Insgesamt nutzen weltweit rund 3,5 Milliarden Menschen mindestens
einen Dienst des Konzerns.
Die Störung war so schwer in Griff zu bekommen, dass Facebook der
"New York Times" zufolge ein Team in sein Rechenzentrum im
kalifornischen Santa Clara schicken musste, um einen "manuellen
Reset" der Server zu versuchen. Das ist in etwa so, wie wenn man beim
PC zuhause den Reset-Knopf drückt, weil nichts mehr geht.
Türschlösser bei Facebook ausgefallen
Bei Facebook selbst seien neben der internen Kommunikationsplattform
zum Teil auch digitale Türschlösser in Büros und andere vernetzte
Technik ausgefallen, schrieb die "New York Times" weiter. Zwei
namentlich nicht genannte IT-Sicherheitsexperten von Facebook hatten in der Zeitung zunächst die Befürchtung abgewiegelt, eine Cyberattacke als Auslöser der Probleme sein, das "erscheine
unwahrscheinlich".
Die Facebook-Dienste waren ab etwa 18.00 Uhr deutscher Zeit nicht
mehr nutzbar. Der Technik-Chef des Cloud-Dienstleisters Cloudflare,
John Graham-Cumming, verwies darauf, dass Nutzer und auch Software
weiterhin versuchten, Facebook-Dienste anzusteuern. Das sorge für
einen massiven Anstieg der Auslastung anderer DNS-Dienste, schrieb er
bei Twitter. Cloudflare erläuterte in einem Blogeintrag auch, wie
Facebook sich durch Fehler beim "Border Gateway Protocol" – ein
Mechanismus für die Zustellung von Datenpaketen zwischen Netzwerken – praktisch selbst aus dem Netz löschte.
Zeit für Scherze auf Facebook-Kosten bei Twitter
Allein schon wegen des Austauschs über den Ausfall schlug die Stunde
von Twitter – und der Facebook-Konkurrent war sich dessen bewusst.
"Hallo an buchstäblich alle", twitterte der Account des
Kurznachrichtendienstes, auf dem sich über Stunden unzählige
Facebook-Nutzer tummelten.
Für Facebook, das gerade in den USA unter verstärktem politischen
Druck steht, war der mehrstündige Ausfall eine blamable Krönung
ohnehin schlechter Wochen. Erst am Sonntag hatte eine ehemalige
Mitarbeiter sich als Whistleblowerin zu erkennen gegeben und dem
Online-Netzwerk vorgeworfen, Profit über das Wohl der Nutzer zu
stellen. Am Dienstag sollte sie im US-Senat befragt werden.
Twitter war am Montag entsprechend voller Scherze darüber, wie das
Verschwinden von Facebook alles auf einen Schlag besser gemacht habe,
bis hin zum Weltfrieden. "Hoffentlich gehen Facebook, Instagram und
WhatsApp nie wieder an", twitterte der Satiriker Jan Böhmermann. Der
NSA-Enthüller Edward Snowden ergriff die Gelegenheit, um die Chat-App
Signal als Alternative zu empfehlen, die mehr Datenschutz biete.
Interessante Twitter-Trends
Zeitweilen kursierten unter den Trending Hashtags auf Twitter merkwürdige Kombinationen. Ob sich da ein Zusammenhang erkennen lässt? So teilte eine Twitter-Nutzerin ihre aktuellen Trends:
Zentralisierung ein technisches Problem
Auf den Störungsplattformen meldeten Nutzer zum Teil Probleme auch
mit anderen Online-Diensten, die sich jedoch zunächst nicht
weiträumig bestätigten.
Störungen, die auf Netzwerk-Fehler zurückgehen, gibt es im Web immer
wieder mal. So hatte eine davon im Juli dafür gesorgt, dass
zahlreiche Webseiten zeitweise nicht erreichbar waren. Die
Zentralisierung der Netz-Infrastruktur bei großen Anbietern sorgt
zudem dafür, dass der Ausfall bei einer Firma gleich viele Dienste
und Webseiten vom Netz reißen kann.
Größere Störung bei Websites zuletzt Anfang Juni
Auch Anfang Juni waren bereits zahlreiche Webseiten weltweit nach
einer Störung bei einem Cloud-Dienst rund eine Stunde nicht
erreichbar gewesen. Damals betroffen waren unter anderem die Seite
der britischen Regierung, die Plattform Reddit sowie die
Nachrichtenportale des "Guardian", der "New York Times", der
"Financial Times" und der französischen Zeitung "Le Monde".
Bei Facebook hatte es im Frühjahr 2019 einen großflächigen Ausfall
gegeben, der dem Konzern zufolge auf einen Fehler bei der
Server-Konfiguration zurückging. Die Störung vom Montag war jedoch in
Ausmaß und Dauer außergewöhnlich.
Mögliche Folgen für Facebook – Gründer Zuckerberg verlor innerhalb von Stunden sechs Milliarden Euro
Eine Frage ist, ob der Ausfall Werbekunden von Facebook dazu
veranlassen wird, über Alternativen nachzudenken. Denn gerade viele
kleine Unternehmen rund um die Welt verlassen sich auf Facebook, um
Kunden anzulocken. Für sie bedeutete die Störung verlorenes Geschäft.
Die Facebook-Aktie schloss mit einem Minus von knapp fünf Prozent.
Auch danach war das Unternehmen an der Börse immer noch rund 920
Milliarden Dollar wert. Das persönliche Vermögen von Zuckerberg
schrumpfte nach Berechnungen des Finanzdienstes Bloomberg binnen
weniger Stunden um mehr als sechs Milliarden Dollar. Mit trotzdem
noch 121.6 Milliarden Dollar rutschte er um einen Platz nach hinten
auf den fünften Rang hinter Microsoft-Gründer Bill Gates. Nachdem die
Störung behoben war, legte der Kurs der Facebook-Aktie im
nachbörslichen Handel zeitweise um 0.36 Prozent zu.
(andi/lc/dpa)