Deutschland
31 Tage - 31 Frauen

Frauentag – Autorin Sasha Marianna Salzmann: weiblich, jüdisch, queer

"Ich dagegen fühle mich unfähig, verbindliche Aussagen zu treffen, eine Perspektive einzunehmen, eine Stimme zu entwickeln, die nur die meine wäre und für mich sprechen würde", schreibt die Autorin ...
"Ich dagegen fühle mich unfähig, verbindliche Aussagen zu treffen, eine Perspektive einzunehmen, eine Stimme zu entwickeln, die nur die meine wäre und für mich sprechen würde", schreibt die Autorin Sasha Marianna SalzmannBild: Sven Simon/Imago/RapidEye/Azuzl/Wylius/Getty Images/Montage Watson
31 Tage - 31 Frauen

"Identität braucht Updates" – Das ist Sasha Marianna Salzmann

Mehr «Deutschland»
31 Tage, 31 Frauen. Im Monat März werden wir anlässlich des "Womens' History Month" bei watson jeden Tag eine bemerkenswerte Frau vorstellen. Tag 2: Die Autorin Sasha Marianna Salzmann.
02.03.2019, 08:4103.04.2019, 14:18
Wer bist du?

Diese Frage beantworten wir oft mit einer Art Datensatz. Sasha Marianna Salzmanns Datensatz beginnt 1985.

Sie wuchs in Moskau auf. Mit zehn Jahren kam sie mit ihrer Familie als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland. Nach ihrem Studium war sie jahrelang Mitherausgeberin des Kultur- und Gesellschaftsmagazins freitext, sie arbeitet als Dramatikerin und Schriftstellerin. Ihr Debütroman "Außer sich" war für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Was macht sie?

Das war nur ein Datensatz. Daraus ließe sich jetzt natürlich eine Art Lebensgeschichte zimmern. Eine Geschichte, die beschreiben soll, wer jemand ist. Dazu nimmt man oft Lebensstationen, Biographie-Schnipsel und füllt die Lücken mit Adjektiven. In Salzmanns Fall: weiblich, jüdisch, queer.

Doch auch dann hat man noch kein Leben beschrieben. Sondern nur einen Datensatz mit Garnitur.

Aber wie erzählt man denn dann ein Leben sonst?

Salzmann erzählt Leben anders. In "Außer sich" schreibt sie von vier Generationen einer Familie, zwischen der Sowjetunion, Deutschland und der Türkei, Vergangenheit und Gegenwart. Sie bricht dabei vieles von dem auf, mit dem wir uns oft behelfen, wenn wir ein Leben beschreiben wollen. Kategorien wie Geschlecht, Muttersprache, Herkunftsland verflüssigen sich.

"Du hast keine Identität, wenn sie feststeht, du hast eine Identität, wenn du sie updatest."

Sie schreibt:

"Ich kenne viele mit meiner Biographie, sie haben andere Kerben in ihren Gesichtern, tragen andere Kleidung, spielen Musikinstrumente, essen bei ihren Eltern am Sonntag Heringssalat, können danach die Nacht durchschlafen, haben Berufe, kaufen Wohnungen, fahren in den Süden, um Urlaub zu machen, und kehren am Ende des Sommers an Orte zurück, die sie Zuhause nennen. Ich dagegen fühle mich unfähig, verbindliche Aussagen zu treffen, eine Perspektive einzunehmen, eine Stimme zu entwickeln, die nur die meine wäre und für mich sprechen würde."

Was macht sie besonders?

Wer sich in Salzmanns Roman begibt, wird also nicht nur merken, wie wenig Datensätze ein Leben sind, sondern kann ihre Erzählung auch Huckepack mitnehmen ins eigene Nachspüren von Identität. Dann wird man zwar womöglich spüren, dass selbst Unterwasserdart leichter ist, als unser Leben zu erzählen, aber vielleicht auch erfahren, wie gut das tut, was Salzmann uns da schenkt: literarischen Lebensmut.

Aus Salzmann Theaterstück "Verstehen Sie den Dschihadismus in acht Schritten" stammt der Satz:

"Du erwartest etwas, du erwartest etwas von der Welt und diese Erwartung ist ein Nerv, der zuckt."

Was würde sie ihrem jüngeren Ich raten?

"Hör nicht mit dem Boxen auf!"

Mehr Frauen, die du kennen solltest:

31 Frauen-Porträts bei watson.de
Anläßlich des "Women's History Month" stellen wir euch 31 bemerkenswerte Frauen vor – Frauen, die in den unterschiedlichsten Bereichen außerordentliches leisten.

Hier könnt ihr, sobald sie alle erschienen sind, alle Folgen nachlesen:

1. Kristina Hänel
2. Sasha Marianna Salzmann
3. ...

100 Jahre Frauenwahlrecht

Video: watson/katharina kücke
So viel hat der Ukraine-Krieg Deutschlands Wirtschaft bisher gekostet

Seit zwei Jahren dauert der Krieg in der Ukraine nun an. Eigentlich sah der Plan des russischen Machthabers Wladimir Putin anders aus: Innerhalb weniger Tage wollte er das Nachbarland einnehmen. Dabei hatte er offensichtlich den Kampfeswillen der Ukrainer:innen stark unterschätzt.

Zur Story