Wikinger sind nicht erst seit der Serie "Vikings" bekannt. Die häufig als räubernde Mordbanden missverstandenen Skandinavier haben seit ihrem Auftritt auf der historischen Weltbühne am 8. Juni 793 die Fantasie der Menschen angeregt.
Diese Faszination für schwertschwingende Seefahrer, Händler und Staatengründer macht sich nun der Videogames-Gigant Ubisoft zunutze. In "Assassin's Creed: Valhalla", dem so eben groß angekündigten neuen Teil der vermutlich beliebtesten Games-Reihe der Welt, geht es genau in jene Zeit, in der Wikinger Ost- und Nordsee beherrschten. Lange war gerätselt worden, welches Setting sich die Franzosen diesmal aussuchen würden, Leaks im Internet hatten die Gerüchteküche befeuert.
Kurz vor der offiziellen Ankündigung hat Ubisoft selbst das letzte Scheit ins Feuer geworfen und in einer Live-Artperformance die Fans der "Assassin's Creed"-Serie so richtig angeheizt. In einem Livestream konnten Spielejünger verfolgen, wie vor ihren Augen das erste Artwork zum neuen Spiel entstand. Am Ende stand die Ankündigung der Weltpremiere des ersten Trailers zum neuen Spiel.
Und wen hat sich Ubisoft dafür ins Langschiff geholt? Niemand geringeren als Fan-Artist Kode Abdo, besser bekannt unter seinem Social-Handle Bosslogic. Dem Australier folgen weltweit gut zwei Millionen Menschen auf verschiedenen Plattformen, vor allem aber in Facebooks buntem Bildernetzwerk Instagram.
Normalerweise zeichnet er Fan-Art von Marvel-Comics, "Star Wars"-Charakteren und anderen Popkultur-Phänomenen. Für "Avengers: Endgame" und Disney's "Aladdin" haben er und sein Team die Filmposter entworfen.
Watson hat den digitalen Zeichenmeister dort getroffen, wo man sich in Corona-Zeiten zum Interview trifft: im Internet. Dort hat er uns von seiner Kunst erzählt, berichtet, wie sich das Coronavirus auf seine Arbeit auswirkt und erklärt, was im "Valhalla"-Artwork zu sehen ist.
watson: Kode, du bist ein Fan-Artist. Kannst du kurz beschreiben, was ein Fan-Artist macht?
Kode Abdo: Ein Fan-Artist macht Fanart. Damit ist gemeint: Er oder sie nimmt existierende Kunst, die ihm oder ihr nicht gehört, und schafft damit etwas Neues. Sagen wir mal, eine Mischung aus einer Marvelfigur und Disneyprinzessin, das wäre Fanart. Im Endeffekt bist du ein Fan, der Kunst aus dem macht, wovon er oder sie Fan ist.
Du hast mit sechs Jahren das Zeichnen angefangen und jetzt hast du zwei Teams in zwei Studios, eines in New York und eines in Melbourne. Hast du direkt mit Fan-Art angefangen?
Nein, Fan-Art war kein vorgezeichneter Weg. Ich habe 2009 angefangen, digitale Kunst zu machen – mit Photoshop und digitalen Zeichenbrettern. Damals habe ich Profil-Hintergründe für Myspace-Seiten gemacht, dem Quasi-Vorgänger von Facebook. 2015/16 habe ich mich dann an Fan-Art herangewagt. Ich habe immer schon Comics und Comic-Messen geliebt. Das hat mich dazu inspiriert, Poster zu machen. An dem Punkt nahm der Zug dann Fahrt auf, wurde schneller und schneller und jetzt sitzen wir hier.
Unter den Fan-Artists bist du einer der ganz großen. Deinem Instagram-Account Bosslogic folgen 1,9 Millionen Menschen, auf Twitter sind es 339.000. Das Magazin "Inverse.com" nennt dich sogar den "meist-gefolgten Fan-Artist auf dem Planeten". Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich großartig an, aber damit kommt auch viel Druck. Eigentlich will ich diese Titel gar nicht haben. Ich bin doch nur ein Fan, der Spaß an seiner Kunst hat. Jetzt habe ich so viel Aufmerksamkeit, dass meine Kunst manchmal gar nicht mehr als Fan-Art begriffen wird. Das bringt Verantwortung mit sich, etwa bei der Wahl des nächsten Themas. Einfach drauf loslegen, ist nicht mehr.
Neulich hast du einen Tweet abgesetzt, in dem du erzählt hast, dass du gerade viele Interviews für ein Projekt geben musst und gefragt, ob sich Pressetouren immer so anfühlen. Genießt du die Öffentlichkeit, die du und deine Kunst bekommen? Oder gibt es auch negative Aspekte?
Mann, ich bin so dankbar für die Aufmerksamkeit und die Aufträge, die ich bekomme, das kann ich euch sagen. Viele Menschen bekommen diese Möglichkeiten überhaupt nicht. Ich war tatsächlich noch nie auf einer Pressetour. Jetzt bekomme ich langsam eine Ahnung davon, wie das ist, Interviews am laufenden Band zu geben. Das ist alles sehr neu für mich, aber es macht auch viel Spaß.
Du hast für "Avengers: Endgame" Poster gemacht oder für den neuen "Aladdin"-Film und jetzt arbeitest du mit dem Videospielkonzern Ubisoft zusammen. Du bist an der Spitze der Entertainment-Industrie angekommen. Wie kommt man da am besten hin?
Mit Beharrlichkeit. Mach das, was du liebst und werde immer besser darin. Lass dich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich im ersten Jahr klappt. Bau dein Portfolio so aus, dass die Industrie am Ende keine andere Wahl mehr hat, als bei dir auf der Matte zu stehen.
Zweiter Teil der Frage: Ist es das überhaupt wert, es an die Spitze zu schaffen?
Das kommt darauf an. Es ist die Mühe wert, wenn du dahin kommst, wo du wirklich hinwolltest. Wenn du alles an dir verändern musst, damit du es dorthin schaffst, dann lässt du es besser. Geld allein ist es nicht wert, du musst schon auch Spaß dabei haben.
Bevor wir über dein Artwork zu "Assassin’s Creed: Valhalla" reden, gestatte uns eine Corona-Frage: Hat sich das Virus auf deine Arbeit ausgewirkt?
Finanziell bin ich gerade abgesichert. Ich konnte noch ein paar Aufträge erledigen, bevor es richtig losging. Aber viele von den Aufträgen, an denen ich etwa für Disney oder Warner Bros. arbeite, sind gerade auf Eis gelegt. Manche der Filme werden jetzt digital rauskommen, da brauchst du leider keine Filmplakate dafür. Andere Auftraggeber werden sich wohl nur schwer von der Krise erholen. Das ist natürlich sehr traurig.
Welche Rolle kann Kunst wie deine in der neuen Welt spielen, in der wir nun zu leben beginnen?
Ich will Menschen unterhalten, sie fröhlich machen und ihnen positive Gedanken schenken. Das ist mein Beitrag zur Bewältigung dieser Krise. Hoffentlich funktioniert das auch.
Du hast für Ubisoft das Artwork zu "Assassin’s Creed: Valhalla" gemacht. Wir haben es im Stream gesehen. Was ging dir durch den Kopf, als das Studio dich wollte?
Am Anfang haben sie mich nur gefragt, ob ich bei einem neuen Projekt mitmachen möchte. Bevor sie mir mehr sagten, sollte ich eine Vereinbarung zum Stillschweigen unterschreiben. Ich hatte Zeit für neue Projekte, also unterschrieb ich. Als sie mir dann sagten, es gehe um Wikinger und in welche Richtung die Reise gehe, musste ich einfach aufspringen.
Kannst du uns ein bisschen was über deinen kreativen Prozess verraten? Woher nimmst du deine Inspiration?
Viel von der Ästhetik des "Valhalla"-Artworks kommt zum Beispiel aus der Serie "Vikings". Doch auch historische Quellen und natürlich die nordische Mythologie dienten als Inspiration. So fügte sich am Ende ein Bild zusammen, und von da aus ging es weiter. Dabei kommt es gar nicht mal so sehr auf Historisches an, du musst einfach den Nagel auf den Kopf treffen, etwas Wiedererkennbares schaffen.
Viel von deiner Kunst besteht darin, dass du Gerüchte über Rollen-Besetzungen in Photoshop zum Leben erweckst. Die Schauspielerin Rosario Dawson zum Beispiel hast du in der Rolle von Ahsoka Tano aus "Star Wars: The Clone Wars" gezeichnet. Wie hat sich die Arbeit an dem "Valhalla"-Artwork davon unterschieden?
In dem Fall ist der größte Unterschied, dass ich für größere Projekte wie das für Ubisoft mit meinem Team zusammenarbeite. Ashoka oder viele andere Bilder in meinem Insta, das mache ich eigentlich für mich selbst und teile es dann. Das "Valhalla"-Artwork war Teamarbeit, die richtig viel Spaß gemacht hat.
Gab es besondere Herausforderungen?
Wir mussten eine Gratwanderung hinlegen zwischen dem, was wir zeigen wollen, und dem, was wir nicht zeigen dürfen. Das Artwork soll ja nicht zu viel verraten – was zum Beispiel das Gameplay angeht. Aber gleichzeitig soll es die Leute heiß machen. Es soll episch sein, aber irgendwie auch ein gewisses Understatement wahren. Diese Zwiegespaltenheit zeigt sich im fertigen Bild. Es hat warme und kalte Farben. Man sieht eine Schlacht und die Hauptfigur in der Mitte hat eine schwere Last zu tragen. Das Bild erzählt eine große Geschichte, die der Hauptfigur aus "Valhalla".
Warum hat sie kein Gesicht?
Das haben wir so gewählt, weil sie in tiefer Trauer ist. Sie mag der Held der Geschichte sein, aber als Spieler müsst ihr für sie auch moralisch schwierige Entscheidungen treffen, um ans Ziel zu kommen.
Und was sagst du zum neuen Setting? Wir wissen ja nicht gerade viel über Wikinger, denn historische Quellen sind rar und vieles einfach nur Mythen.
Und genau das macht es doch so spannend! Das ganze Spiel, was wir an "Assassin’s Creed" lieben, das erleben wir jetzt in einer ganz neuen Umgebung, visuell und geschichtlich. Ich freue mich sehr auf das fertige Spiel.