Auch der Tiber in Rom führt durch die Trockenheit inzwischen Niedrigwasser.Bild: AA / Baris Seckin
Analyse
Die Koffer sind gepackt: In Deutschland hat die Feriensaison begonnen, und damit für viele die schönste Zeit des Jahres. Doch kaum haben im ersten Bundesland Nordrhein-Westphalen die Sommerferien gestartet, verhageln das Flugchaos und die BA.5-Sommerwelle die Reisepläne vieler Urlauber.
Nun droht das nächste Ungemach, diesmal seitens des Klimas: An mehreren beliebten europäischen Urlaubsorten herrscht diesen Sommer anhaltende Trockenheit. Dazu gehören Regionen in ganz Italien und Südfrankreich.
Südfrankreich: Zähneputzen und Pools füllen verboten
Wegen anhaltender Trockenheit hat ein südfranzösisches Dorf vergangene Woche mit drastischen Maßnahmen Schlagzeilen gemacht: Zähneputzen und Trinken am Wasserhahn sind in Villars-sur-Var im Norden von Nizza verboten, wie die Kommune vergangenen Dienstag mitteilte. Das Wasser aus dem Hahn dürfe auch nicht zum Kochen verwendet werden, hieß es weiter.
Dabei ist Wassermangel kein übliches Problem im Bergdorf Villars-sur-Var, schließlich verfügt der Ort über den Luxus einer eigenen Trinkwasserquelle. Aus der Quelle, die den 760-Einwohner-Ort sonst mit Trinkwasser versorgt, komme wegen der Dürre nicht mehr genügend Wasser.
Jeder Einwohner erhielt daher zwei Flaschen Trinkwasser pro Tag vom Rathaus. Ende Mai hatte die Präfektur der Provinz Alpes-Maritimes bereits das Wasser rationiert. Autowaschen, das Befüllen privater Pools und das Wässern von Rasenflächen sind in dem Département, das Nizza und die Côte d'Azur umfasst, seitdem verboten.
Die Verdon-Schlucht in Südfrankreich – ein beliebtes Reiseziel für Canyoning- und Paddel-Fans.Bild: Zoonar.com/Êrik Lattwein / Êrik Lattwein
Traurige Nachrichten gibt es auch aus der Verdon-Schlucht nordwestlich von Nizza, in der Region Alpes-de-Haute-Provence. Die spektakuläre "Gorges du Verdon", auch genannt der "Grand Canyon von Frankreich" ist vor allem bei Canyoning-Fans beliebt. Jedes Jahr besuchen eine Million Menschen die Gorges du Verdon.
Doch ob Urlauber diesen Sommer auch den See Sainte-Croix im Herzen der Gorges du Verdon zum Paddeln nutzen können, ist derzeit ungewiss: Der Wasserstand ist so niedrig, dass Touristen ihre Boot- und Paddelfahrten bereits einschränken müssen. Aufgrund des fehlenden Schnees im Winter und der sehr geringen Regenfälle im Frühjahr ist der Pegel des Sees im Vergleich zum letzten Sommer um fast sechs Meter gesunken.
Der Lac de Sainte-Croix führt dieses Jahr aufgrund der anhaltenden Trockenheit zu wenig Wasser.Bild: Zoonar.com/Rudolf Ernst / Rudolf Ernst
Die Hitzewelle, die Frankreich in der vergangenen Woche überrollt hatte, ist mittlerweile wieder abgeklungen. Es war die früheste Hitzeperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Frankreich gewesen. Sie hatte die, durch den niederschlagsarmen Winter und Frühling, anhaltende Trockenheit in manchen Landesteilen noch verschlimmert.
Rekordhitze und Dürre in Italien
Auch der Deutschen zweitliebstes Urlaubsland, Italien, steht vor den zwei wichtigsten Touristenmonaten – doch aktuell leidet das Land unter Trockenheit, Hitze und Waldbränden. Die historischen Wetterextreme könnten nun auch Urlauber treffen.
Ein Hochdruckgebiet namens Charon pumpt aktuell heiße Luftmassen aus Afrika nach Europa. Der nationale Wissenschaftsrat sagte für den ganzen Sommer überdurchschnittliche Temperaturen voraus.
Während eine historische Trockenperiode schon seit Wochen den Norden des Mittelmeerlandes heimsucht, werden nun pünktlich zum Start der Urlaubssaison auffallend hohe Temperaturen (so war es etwa am 27. Juni in Rom bis zu 40 Grad und in Florenz sogar über 40 Grad heiß) und immer mehr Waldbrände registriert.
Waldbrand bei Taormina auf Sizilien. Brände sind auf Sizilien im Hochsommer keine Seltenheit – aber nicht schon im Juni.Bild: Eibner-Pressefoto / Weber/ Eibner-Pressefoto
In der vergangenen Woche wurden die Feuerwehren nach eigenen Angaben im ganzen Land zu 10.336 Wald- und Buschbränden gerufen. Vor allem Sizilien, Apulien, das Latium mit der Hauptstadt Rom, Kalabrien und Kampanien waren von den Bränden betroffen. Dabei hat die eigentliche Saison der Waldbrände – meist im Juli und August – noch gar nicht begonnen.
Sardinien ist bei Urlaubern für seine traumhaften Strände beliebt.Bild: Zoonar.com/Fontaine Gael / Fontaine Gael
Dürre, Hitze, Brände und auch noch eine Heuschreckenplage auf Sardinien: Bereits 30.000 Hektar Ackerland wurden auf der Insel nach Angaben der italienischen Agrarorganisation Coldiretti von den Insekten zerstört. Die Heuschrecken lieben die heißen, trockenen Bedingungen.
Die Landwirtschaft leidet auch in anderen Regionen Italiens unter der Dürre. "Wir machen uns große Sorgen um den Anbau von Mais, Soja und Reis", sagte Landwirtschaftsminister Stefano Patuanelli. Der Agrarverband Coldiretti rechnete vor, dass etwa in der Toskana in Mittelitalien 30 Prozent der Ernten dieses Jahres verloren gehen werden – und das im "bestmöglichen Fall".
Ausgetrocknetes Reisfeld bei Alessandria im Piemont.Bild: AA / Andrea Carrubba
"Wir haben noch nie so eine Krise erlebt"
Italiens längster Fluss, der Po, die Lebensader der reichen Regionen im Norden, führt so wenig Wasser wie seit 70 Jahren nicht, nämlich nur noch 20 Prozent der eigentlich im Juni gewohnten Menge. Statt eines mächtigen Stroms ist der Po an einigen Stellen nur noch ein Rinnsal, Aufnahmen zeigen die freigelegten Sandbänke.
Die anhaltende Dürreperiode ist nicht nur ein riesiges Problem für die Landwirtschaft, sondern fördert auch Kuriositäten zutage: Der extrem niedrige Flusspegel des Po lässt Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg wieder auftauchen. Ein 30 Meter langer Kahn mit Namen "Zibello", der im Jahr 1943 nach einem amerikanischen Luftangriff im Fluss versank, ist nun zum Teil freigelegt.
Auch der bei vielen Deutschen beliebte Gardasee leidet unter der Trockenheit, wenn auch noch nicht ganz so massiv wie andernorts. Der Wasserstand sei derzeit etwa einen halben Meter niedriger als vor einem Jahr, sagte Pierlucio Ceresa vom Verband der Gemeinden am Gardasee der Deutschen Presse-Agentur. Auf das Baden im See habe das allerdings keine Auswirkungen. Ceresa mahnte jedoch, vor dem Springen in den See etwa von Felsen, die Tiefe zu prüfen.
Noch ist der riesige Lago di Garda im Norden Italiens nicht ganz so schlimm von Wassermangel aufgrund der Trockenheit betroffen.Bild: pressefoto_korb / Micha Korb
Wegen der Trockenheit im Fluss Po gab es sogar bereits die Idee, Wasser aus dem Gardasee – dem größten See Italiens – zu entnehmen. Dagegen wehrte sich jedoch der Gemeindeverband. Attilio Fontana, Regionalpräsident der Lombardei, sagte: "Wir haben noch nie so eine Krise erlebt."
Die Wasser-Krise wird alle treffen – Einwohner und Urlauber
Die leidenden Regionen fordern von der Regierung in Rom den Wetter-Notstand. Doch von den Maßnahmen könnten auch Gäste und Touristen betroffen sein. Von "besorgniserregenden Daten" sprach Fabrizio Curcio, der Leiter des italienischen Zivilschutzes. In einigen Teilen des Landes wird seit vielen Wochen Alarm geschlagen.
Curcio sagte in einem TV-Interview am Montag, dass an einem Notdekret zur Bewältigung der Krise gearbeitet werde. "Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass in den am schlimmsten betroffenen Gegenden auch tagsüber teilweise das Wasser abgeschaltet wird", kündigte er an. Italien droht ein Kampf um das Wasser, der nicht nur Bauern, sondern jeden Einwohner und auch Touristen treffen kann.
Schon jetzt werden in vielen Orten bereits erste Maßnahmen angewandt: In Mailand etwa wurde das Wasser in großen Brunnen abgestellt und die private Autowäsche wurde untersagt. Die Lombardei fragte unterdessen bereits in der benachbarten Schweiz um Wasser aus dem Kanton Tessin an.
In Rom sind die Brunnen, zur Freude der Touristen, noch gefüllt, wie hier vor dem Pantheon.Bild: www.imago-images.de / imago images
Darüber hinaus haben mehrere ligurische Gemeinden in Italien in den letzten Tagen bereits Wasser rationiert, insbesondere in den Provinzen Imperia und Savona. Die Richtlinien untersagen die Verwendung von Wasser für andere Zwecke als für hygienisch-sanitäre, Lebensmittel- und Produktionszwecke. Kommunen können das Gießen von Gärten, das Füllen von Kübeln oder Schwimmbecken verbieten. Auch in Ligurien herrscht neben der Dürre zusätzlich erhöhte Waldbrandgefahr.
Um im dritten Corona-Sommer keine Gäste zu verlieren, werden Touristen beruhigt. "Die Lage ist zwar ernst, aber zu schaffen, wenn alle etwas mithelfen", sagte der Tourismus-Assessor der Toskana, Leonardo Marras, der dpa. Reiseabsagen wegen der Trockenheit habe er noch keine registriert. Italien ist ein beliebtes Reiseziel in diesem Jahr, die Zahl der Fluggäste aus Deutschland habe sich verdoppelt.
(mit Material der dpa)