In den Urlaub fliegen ist seit diesem Sommer kein reines Vergnügen mehr. Chaos an den Flughäfen aufgrund Personalmangels, verlorene Koffer und verspätete oder gar ganz gestrichene Flüge. Demnächst soll es auch noch deutlich teurer werden: Vergangene Woche gab Ryanair-Chef Michael O'Leary die neue Preisstrategie seiner Airline Ryanair bekannt, die mit extremen Billigflügen für zum Teil 0,99 Euro groß geworden ist.
"Es besteht kein Zweifel daran, dass unsere wirklich billigen Sondertarife – die Ein-Euro-Tarife, die 99-Cent-Tarife und sogar die 9,99-Euro-Tarife – in den nächsten Jahren nicht mehr zu finden sein werden", sagte der 61-Jährige in einem Interview mit der BBC. Als Gründe dafür nannte er die Inflation sowie die steigenden Treibstoff-Kosten. Die günstigsten Flugpreise werden daher wohl in nächster Zeit im Durchschnitt von etwa 40 Euro im letzten Jahr auf rund 50 Euro in den nächsten fünf Jahren steigen.
Im Gespräch mit watson haben der größte deutsche Anbieter für günstige Ferienflüge, die Lufthansa-Tochter Eurowings, und der Flughafen Berlin-Brandenburg erklärt, wohin es in ihren Augen in der Luftfahrtbranche geht.
Keine Frage, der Umwelt und dem Klima tut's gut, wenn die meisten Menschen nicht mehr übers Wochenende mal eben nach Barcelona jetten können. Mit dem Angebot an Billigflügen ist in den letzten Jahrzehnten auch die Anzahl der Flüge massiv gestiegen – von 2014 (36,9 Mio.) bis 2019 (46,8 Mio.) kontinuierlich um fast 10 Millionen (Quelle: Statista). Immer mehr Menschen haben, zusätzlich zu ihrem Jahresurlaub, einen Kurzurlaub im Ausland gemacht. Fluggesellschaften wie Ryanair, Easyjet, Vueling und Wizz Air haben miteinander stark konkurriert, um kostengünstige "No-Frills"-Tarife – also "ohne Schnickschnack" – anzubieten.
Für rund 2,8 Prozent der CO2-Emissionen weltweit ist der Flugverkehr verantwortlich, in Deutschland liegt der Wert für internationale und inländische Flüge bei drei Prozent (Quelle: Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft).
Das klingt wenig, vor allem im Vergleich zum CO2-Ausstoß, der weltweit aufgrund von Strom und Wärme sowie durch die Industrie entsteht. Dieser schlägt immer noch mit einem Löwenanteil von über 60 Prozent zu Buche. Auch Ryanair-Gründer O'Leary sagte, für ihn sei der Fokus auf die Reduzierung der Emissionen aus dem Luftverkehr "fehl am Platz". Schließlich hätten der Straßenverkehr und die Schifffahrt insgesamt wesentlich größere Anteile am CO2-Ausstoß.
Doch der Druck auf die Branche wächst, Menschen sollen im Sinne der Energiewende vermehrt auf die Bahn umsteigen, zumindest für kürzere Strecken.
Dennoch, gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten und hoher Inflation entscheidet das Angebot an günstigen Flügen für viele Menschen auch, ob sie sich Reisen ins Ausland überhaupt noch leisten können.
Eurowings-Sprecher Florian Gränzdörffer sieht die Preiskurve bei seiner Airline deutlich auf dem Weg nach oben, aber nicht nur bei Eurowings sei das so. Er meint im Gespräch mit watson: "Aus unserer Sicht ist die Zeit der Ultra-Billigtickets ganz klar vorbei. Fliegen wird teurer und muss auch teurer werden – da reicht ein Blick auf die Rekordstände des Ölpreises jenseits der 100-Dollar-Marke." Bei Eurowings habe man Kostensteigerungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages.
Entsprechend werde auch die "Value Airline" Eurowings als Anbieter preisgünstiger Flüge die Tarife, die bereits etwa zehn Prozent teurer seien als 2019, um mindestens weitere zehn Prozent nach oben anpassen müssen. "Anders sind die Belastungen des Ölpreis-Schocks nicht zu schultern. Dies bezieht sich auf das gesamte Eurowings Streckennetz – also auch auf Mallorca."
Gränzdörffers Blick nach vorn: Auch wenn sich 2023 die Nachholeffekte beim Verreisen nach den Corona-Jahren etwas abschwächen und Verbraucher deutlich mehr für Energie und Lebensmittel ausgeben müssten, geht Eurowings auch im kommenden Jahr von einem starken Bedürfnis aus, sich für einen Urlaubsflug zu entscheiden und fremde Länder und Kulturen zu entdecken. Er sagt:
Nicht nur die Passagiere, auch Flughäfen könnten von einer Änderung der Preisstrategie mancher Airlines betroffen sein. So hat der Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg (BER) Willy Brandt nur eine einstellige Zahl Langstreckenflüge im Angebot und setzt dafür verstärkt auf Inlands- und europäische Kurzstreckenflüge. Billigfluglinien wie Ryanair und Easyjet, die diese Verbindungen bedienen, haben am Berliner Flughafen Flottenbasen und damit auch ein großes Angebot an Flügen.
Jan-Peter Haack, Pressesprecher des BER, kann jedoch auf Nachfrage von watson noch nichts dazu sagen, ob eine Ende der Billigflug-Ära Konsequenzen für den Berliner Flughafen nach sich zieht: "Ob und welche Auswirkungen dies auf den Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt haben könnte, lässt sich unmittelbar nach dem Statement in der BBC noch nicht sagen."
Immerhin kann der BER dafür mit einer neuen günstigen Langstrecken-Direktverbindung in die USA aufwarten: Die norwegische Airline Norse startet ab August Low-Cost-Fernverbindungen nach Los Angeles und New York vom BER. Pressesprecher Haack zeigt sich erfreut, dass sich "Norse Atlantic Airways mit modernen Flugzeugen und attraktiven Zielen für den Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt entschieden hat."
Haack sieht das neue Strecken-Angebot als gute Ergänzung verschiedener Anbieter, nicht als Ersatz für künftige Verluste aufgrund wegfallender Schnäppchen. "Inzwischen hat Norse Atlantic Airways auch eine Kooperation mit Easyjet getroffen. Somit können Fluggäste über einen Anbieter günstige Zubringer- und Anschlussflüge in Kombination mit den transatlantischen Verbindungen buchen", erklärt er.
Diese Rechnung könnte aufgehen, wenn man der Prophezeiung des Ryanair-Chefs O'Leary Glauben schenkt: "Wir glauben, dass die Menschen weiterhin häufig fliegen werden. Aber ich denke, die Menschen werden viel preissensibler werden."