Betroffene fordert Screenshotsperre auf Vinted: "Fotos landen auf Pornoseiten"
Auf der beliebten Secondhand-Plattform Vinted verkaufen Millionen Menschen Kleidung. Doch was eigentlich nachhaltig und harmlos klingt, wird für viele Nutzer:innen zum Albtraum. Immer wieder werden Fotos, die dort eingestellt werden, auf Pornoplattformen hochgeladen, zusammen mit privaten Informationen wie Namen und Adressen.
Eine der Betroffenen ist Mina Camira. Ihre Verkaufsfotos tauchten auf Pornoseiten auf, wurden in einschlägigen Foren geteilt und mit sexistischen Kommentaren versehen. "Regelmäßig aktualisieren Cyberstalker die Seiten mit Screenshots, sobald ich ein neues Kleidungsstück poste", erzählt Camira.
Doch anstatt sich zurückzuziehen, hat sie beschlossen, laut zu werden und anderen zu helfen.
Cyberstalking über Vinted
Dabei erfuhr die 22-Jährige nur durch Zufall, dass ihre Fotos auf Pornoseiten landeten: "Ein Freund von mir war im Zug unterwegs, sein Handyakku war leer, und deshalb hat er meinen alten Instagram-Namen am Laptop gegoogelt."
Statt ihres Accounts tauchten tausend Fotos der jungen Frau auf, die auf diversen Erotikseiten vertreten waren. "Ich war so geschockt", erinnert sich Mina. Einige der Seiten bestehen schon seit Jahren und werden immer wieder upgedatet.
Sogar ihre Tragefotos von Vinted, also Bilder, auf denen sie ihre Kleidung für den Verkauf präsentiert, landen auf solchen Seiten. "Ich habe nie Fotos hochgeladen, auf denen mein Gesicht zu sehen ist und trotzdem wurden diese genutzt. Das ist einfach nur eklig", sagt die Kölnerin gegenüber watson.
Nach dem ersten Schock hat sie die Inhalte bei Google gemeldet. Hier kam eine Rückmeldung, dass kein Richtlinienverstoß vorlag. Auch von den einzelnen Pornoseiten hat die Kölnerin keine Rückmeldung auf ihre unzähligen Beschwerdemails erhalten.
Immer wieder wird sie direkt via Vinted mit sexistischen Fragen bombardiert. "Kann man dich etwa auch kaufen?" oder "Hallo, ich möchte dieses Kleidungsstück kaufen, aber ich möchte, dass Sie es vorher ohne Unterwäsche anprobieren" sind nur Beispiele ihres Alltags auf der Plattform.
Also erstattete Mina Camira Anzeige, doch nach vier Wochen wurde das Verfahren eingestellt. Begründung der Polizei: keine ermittelbaren Täter. Dabei, sagt sie, seien viele der Accounts in einschlägigen Foren und Telegram-Gruppen klar zu erkennen.
Nachdem Mina Camira ihren Fall öffentlich auf Instagram und Tiktok gemacht hatte, meldeten sich zahlreiche weitere Betroffene bei ihr.
In den Kommentaren erfuhr die junge Frau viel Zuspruch. Eine Userin schrieb: "Mit KI wird das alles irgendwann so crazy … es muss Einschränkungen geben, dringend."
Andere User:innen sehen die Schuld bei Mina selbst: "Wein doch bitte nicht. Dachtest du bis jetzt echt, dass es auf der Welt keine bösen Leute gibt? Du bist eine erwachsene Frau. Es gibt schlimmeres."
Kommentare wie letzteres zeigen: Opfern von sexueller Gewalt wird oft die Schuld zugeschoben. Für Mina Camira ist klar: "Die Scham muss die Seite wechseln." Angelehnt an den Fall Gisèle Pelicot, denn Mina weiß, dass sie nichts falsch gemacht hat.
Viele Frauen auf Social Media berichten unter Minas Beiträgen zum Thema Ähnliches: Ihre Bilder, teilweise auch Wohnadressen, wurden missbraucht. Einige werden sogar in Foren zur Vergewaltigung aufgerufen.
In Netzwerken wie "Celebforum" oder "Girls of Vinted" werden Fotos und Adressen der Betroffenen geteilt, kommentiert und weiterverbreitet. Rechtlich sind die Betroffenen oft chancenlos.
Petition fordert Screenshotsperre
Um den Missbrauch zu stoppen, hat Camira jetzt eine Petition gestartet. Ihre zentrale Forderung: eine Screenshotsperre auf Vinted.
So wie Whatsapp inzwischen das Screenshotten von Profilbildern blockiert, soll auch Vinted technische Schutzmechanismen einführen. Damit Screenshots von Verkaufsfotos und Profilbildern gar nicht erst erstellt werden können.
Neben der Screenshotsperre fordert die Petition Folgendes:
- Verifizierungspflicht: Nur verifizierte Accounts sollen handeln dürfen, damit Täter:innen identifizierbar sind.
- Datenschutz beim Versand: Adressen sollen verschlüsselt werden, um Stalking zu verhindern.
- Optimierter Wortfilter: Sexuell belästigende Nachrichten sollen automatisch geblockt werden.
Vinted: Statement zum Vorfall
Auf Anfrage des "Spiegel" teilte Vinted mit, Nutzer:innen könnten unangemessene oder sexualisierte Inhalte, persönliche Fotoanfragen oder Kommentare zum Aussehen über die Meldefunktion melden und andere Accounts blockieren.
Zudem habe die Plattform ihre Fotoempfehlungen überarbeitet: Nutzer:innen sollen keine Bilder mit erkennbaren Gesichtern hochladen und persönliche Merkmale unkenntlich machen. Wenn Vinted-Bilder ohne Zustimmung auf Drittseiten auftauchen, rät das Unternehmen Betroffenen, sich direkt an die jeweiligen Betreiber zu wenden.
Nach eigenen Angaben kontaktiere Vinted aber auch selbst solche Seiten, "wenn möglich", um die Entfernung der Inhalte zu veranlassen. In der Vergangenheit habe man etwa Telegram-Gruppen gemeldet; im Zusammenhang mit einer Channel-4-Doku sei zudem eine Website abgeschaltet worden.
Bislang hat sich Vinted-Chef Thomas Plantenga nicht zur Petition oder den Vorfällen geäußert. Laut Mina Camira reiche das aktuelle Meldesystem "bei weitem nicht aus, um Betroffene zu schützen".