Psychotherapie wird immer wichtiger – bei der Ausbildung hingegen gibt es Probleme. Bild: pexels / SHVETS
Analyse
Psychische Erkrankungen nehmen in Deutschland und in ganz Europa einen immer größeren Stellenwert ein. Laut Statistischem Bundesamt waren psychische und Verhaltensstörungen im Jahr 2020 die häufigste Ursache für stationäre Behandlungen von jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren.
Gerade da ein Großteil der Fälle auf Depressionen und langfristige psychische Krankheiten zurückfällt, wird die Betreuung durch Psychotherapeut:innen immer wichtiger. Die entsprechenden Studiengänge an deutschen Unis sind zwar auch beliebt, doch eine Reform der Weiterbildung von Psychotherapeut:innen bedroht aktuell nicht nur die Lage für angehende Fachkräfte, sondern auch für alle potenziellen Patient:innen in Deutschland.
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watson zeigt, was das Problem für Studienanfänger:innen und Absolvent:innen in der Psychologie ist – und welche Auswirkungen das auch langfristig für die Psychotherapie in Deutschland haben könnte.
Bundestag beschließt umstrittene Reform für Psychologie-Studium
Zunächst einmal zu den Fakten: Im Herbst 2020 haben sich Bundestag und Bundesrat auf eine Reform des sogenannten Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) geeinigt.
Darin wurde die generelle Struktur der Bachelor- und Masterstudiengänge an deutschen Unis verändert, aber auch die anschließende Weiterbildung. Konkret ist der Weg für angehende Psychotherapeut:innen wie folgt vorgesehen:
- drei Jahre Bachelor of Science Psychologie
- zwei Jahre Master-Studium (verschiedene Studiengänge möglich)
- Approbation mit staatlicher Zulassung für den Beruf Psychotherapeut:in
- fünf Jahre Weiterbildung in Vollzeit
"Wenn man die Weiterbildung zu Ende denkt, dann ist das eine gute Reform", erklärt Felix Kiunke, selbst Absolvent der Psychologie. Seit Jahren engagiert er sich mit anderen Studierenden im sogenannten PtW-Forum (PtW steht für Psychotherapeut:innen in Weiterbildung) und in der Psychologie-Fachschaften-Konferenz, kurz PsyFaKo. Auf zahlreichen Demos machten sie zuletzt auf die prekäre Lage angehender Psychotherapeut:innen aufmerksam.
Denn bisher hat sich die Lage für Studierende durch die Gesetzesänderung nicht verbessert – die Weiterbildung wurde eben nicht zu Ende gedacht, wie Kiunke erklärt.
Bis 2020 gab es für angehende Psychotherapeut:innen nur die Aus- statt der Weiterbildung. Diese läuft noch bis 2032 weiter, ist allerdings kostenpflichtig und stürzte mit einem Gesamtkostenrahmen von teils mehr als 20.000 Euro in der Vergangenheit viele Berufsanfänger:innen in den finanziellen Ruin.
Die Reform des PsychThG hingegen sieht nun die sogenannte Weiterbildung für alle vor, die nach 2020 ihren Master begonnen haben. Damit sollte vor allem der Punkt der finanziellen Belastung angegangen werden. "Die Reform war eine große Erleichterung für mich, weil ich Hoffnung hatte, mich nicht verschulden zu müssen", betont Vreni Feldmann, Sprecherin des PtW-Forums und Studierende im Psychologie-Master an der Humboldt-Universität Berlin, gegenüber watson.
Während der Weiterbildung sollen die angehenden Therapeut:innen nun in die Entgeltgruppe E14 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) eingeordnet werden. Das entspräche einer Bruttovergütung von mindestens 4500 Euro monatlich. Auch die Ausbildungskosten etwa für die Selbsterfahrung im Rahmen der Weiterbildung sollen künftig gedeckt werden. Bei der Selbsterfahrung beschäftigen sich angehende Therapeut:innen vor allem mit sich selbst und den eigenen Emotionen.
Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung auf der Kippe
Doch genau in diesem eigentlich positiven Punkt liegt das Problem. Denn dazu, wie die Weiterbildungsstätten diese Kosten decken sollen, klafft in der Reform eine Lücke. "Dass es diesen Finanzierungsbedarf gibt, ist eigentlich schon von Anfang an klar gewesen", kritisiert Felix Kiunke gegenüber watson.
Hunderte Studierende gingen zuletzt zur Finanzierung der Weiterbildung auf die Straße. Bild: PsyFaKo/ privat
Auch wenn der Begriff es anders vermuten lässt: Die Weiterbildung ist für fast alle Absolvent:innen unabdingbar. Denn diese ist notwendig, um anerkannte:r Psychotherapeut:in zu werden und somit eine eigene Praxis aufmachen zu können.
Zudem braucht es diesen Schritt, um erste Behandlungen, durch die Studierende auch Einnahmen haben, mit den Krankenkassen überhaupt abrechnen zu können. Entsprechend auf der Kippe steht auch die Versorgung der Patient:innen.
Aktuell gibt es laut der PsyFaKo bundesweit eine einstellige Zahl an potenziellen Weiterbildungsstätten. "Im Prinzip kann niemand diese Plätze kostendeckend anbieten", unterstreicht Felix Kiunke.
Durch die Verpflichtung zur Zahlung eines "angemessenen Gehalts" bietet kaum eine Klinik die Weiterbildung an. Pro Jahr gibt es laut Berechnungen der Bundespsychotherapeutenkammer aber bis zu 2500 neu approbierte Psychotherapeut:innen, die einen solchen Platz benötigen würden.
Und das Problem verschärft sich mit jeder Woche, die vergeht. Wie in so vielen Berufen werden in den kommenden Jahren Dutzende Psychotherapeut:innen in den Ruhestand gehen.
Studierende fordern schnelle Gesetzesänderung
"Wichtig ist, dass sich schnell was tut – am besten schon gestern", betont daher Vreni Feldmann. Je länger der Aufbau der Weiterbildung jetzt braucht, umso größer wird auch der Rückstau an potenziellen Bewerber:innen – und die Versorgungslücke im Bereich Psychotherapie.
"Es steht und fällt mit der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung, ob künftig genügend Fachpsychotherapeut:innen zur Verfügung stehen", unterstreicht auch die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kürzlich bei einer entsprechenden Debatte im Bundestag. Viele Studierende wandern mittlerweile ab, um etwa als Psycholog:innen in Kliniken zu arbeiten, wissen Kiunke und Feldmann.
Aktuell diskutiert der Bundestag über eine Neuauflage der Reform im Zuge des neuen Versorgungsgesetzes des Bundesgesundheitsministeriums. "Aufgrund der demografischen Entwicklung werden wir für jeden Psychotherapeuten dankbar sein, der sich für die neue Weiterbildung entscheidet", hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hierzu erklärt.
Mit mehr als 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. Die Zahl der damit verbundenen Todesfälle ist in den vergangenen Jahren immer weiter angestiegen. Im Jahr 2021 sind hierzulande 4100 Menschen an einer Hautkrebserkrankung gestorben, 20 Jahre zuvor waren es noch 2600 gewesen.