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Statt Kondom: Verhütung für den Mann mit Pille, Schalter und Ultraschall

Bei der Verhütung für den Mann gibt es mehr Möglichkeiten als nur ein Kondom zu benutzen. Es gibt verschiedene Verhütungsmittel, wie eine Pille für den Mann, einen Hoden-Schalter oder einen speziellen ...
Bisher muss sich beim Sex oft die Partnerin um die Verhütung kümmern.Bild: iStockphoto / tool51
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Männliche Verhütung: Welche Methoden am vielversprechendsten sind

12.04.2023, 15:58
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Verhütung ist ein Thema, das bislang fast ausschließlich in den Verantwortungsbereich von Frauen fällt. Abgesehen von Kondomen gibt es bisher nur medizinische Methoden für den weiblichen Körper, um Sperma wirkungslos zu machen: die Pille, Spirale, Kupferring oder Spritze beispielsweise. Oft sind das Methoden, die mit Hormonen funktionieren und zu teils schweren Nebenwirkungen wie Thrombose führen können.

Frauen sind es auch, die die Folgen misslungener Verhütung tragen müssen, wie unangenehme, oft psychisch belastende Abtreibungen oder ein Leben als Alleinerziehende.

Doch nun gibt es eine kleine Sensation: An der Uni in New York wurde gerade eine Anti-Baby-Pille für den Mann entwickelt – sogar hormonfrei. Sie hindert Spermien daran, lange genug zu schwimmen, um die Eizelle zu erreichen. Doch laut Studie ist die hohe Wirksamkeit leider nur auf wenige Stunden beschränkt. Die Forscher wollen das Projekt jedoch noch nicht aufgeben.

Bis es so eine Pille zu kaufen gibt, könnte es also noch dauern. Watson hat sich für euch deshalb die restlichen Verhütungsmittel für Männer angeschaut.

Für Männer gibt es derzeit als einzige Verhütungsmethode das Kondom oder die Vasektomie, also das Durchtrennen der Samenleiter. Letzteres eine endgültige Entscheidung.

Eine Antibabyspritze wurde bis 2009 erforscht. Diese Methode sei laut dem Andrologen Michael Zitzmann sehr wirksam gewesen, "allerdings haben zehn bis 15 Prozent der Männer Nebenwirkungen und Stimmungsschwankungen und Libidoverlust. Das ist, was Frauen auch haben, die die Pille nehmen. Und die Wirksamkeit war besser als bei der Pille für die Frau", erklärt Zitzmann, der Oberarzt an der Uniklinik in Münster ist und unter anderem auf Hormonmedizin und Männerheilkunde spezialisiert ist

Die Spritze hat sich trotzdem nicht bei Männern durchgesetzt. "Die Nebenwirkungen waren so, dass die WHO gesagt hat 'Wir machen das nicht weiter'", erklärt Zitzmann.

Neue Ideen für männliche Verhütung

Tatsächlich existieren Ideen für Verhütungsalternativen auch für Männer – mit Hormonen und auch ohne. Sie alle haben sich aber bisher nicht am Markt durchgesetzt.

Mit neuen Verhütungsmitteln für Männer würde sich die Zahl ungewollter Schwangerschaften – laut Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen rund 120 Millionen jährlich – verringern. Und damit auch Überbevölkerung, Armut und Hunger.

Derzeit werden viele erfolgversprechende Ansätze für männliche Verhütung erforscht. Watson verrät dir, welche und ob sie realistisch sind.

Der Verhütungsslip

Ein Slip, mit dem man verhüten kann? Klingt erstmal nicht sehr vertrauenerweckend. Der 27-jährige Thibault Vetter aus Straßburg benutzt den Verhütungsslip bereits seit Jahren.

Der Verhütungsslip hat vorne ein Loch, durch das man den Penis und die Hodenhaut zieht. Damit zwingt man die Hoden, in die Leiste hochzusteigen, wo sie wärmer werden – und dadurch keine Spermien produzieren sollen. Denn steigt die Temperatur im Hodensack auf mehr als zwei bis vier Grad über der allgemeinen Körpertemperatur, kann die Spermienproduktion gestört werden.

"Auch beim Verhütungsslip fehlen uns letzten Endes Beweise für die Wirksamkeit."

Zitzmann hat einen Patienten, der einen Verhütungsslip trägt: "Ich habe den Hoden mit dem Ultraschall untersucht, der sah ganz in Ordnung aus. Und er hat hier eine Samenprobe abgegeben, darin waren keine Spermien."

Michael Zitzmann ist Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie.
Michael Zitzmann ist Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie.privat

Noch gibt es keine Ergebnisse dieser Studie, aber es sieht vielversprechend aus: Auch Vetters regelmäßige Spermiogrammen ergaben keine Spermien. "Aber auch beim Verhütungsslip fehlen uns letzten Endes Beweise für die Wirksamkeit", sagt der Arzt.

Ultraschallbad für die Hoden

Eine junge Industriedesignerin namens Rebecca Weiss hat "Coso Contraception" entwickelt. Bei diesem Hodenbad mitsamt Ultraschallwellen wird ebenfalls mit dem Konzept Wärme gearbeitet, das die Spermienproduktion hemmt. Ohne Anwendung soll die Fruchtbarkeit wieder zurückkommen.

Für Oberarzt Zitzmann ist die Methode aber nicht sicher: "Meines Wissens ist noch nicht untersucht worden, wie schnell und bei wie vielen Männern die Spermien auch komplett verschwinden." Für Studien am Menschen sammelt die Erfinderin derzeit noch Geld.

Wippschalter am Hoden

Okay, stopp, jetzt wird es abgefahren: Ein Wippschalter am Hoden? Der Tischler Clemens Bimek, der diese Verhütungsmethode entworfen hat, hält seine Idee zumindest für so genial, dass er das kleine Kunststoff-Implantat selbst trägt.

Bei einer örtlichen Betäubung wird der Samenleiter durchtrennt und beide Enden mit dem Ventilkörper verbunden. Wenn das Ventil geschlossen ist, unterbricht es die Spermienzufuhr. Bei Bedarf kann der Schalter wieder geöffnet werden und der Träger somit wieder zeugungsfähig.

Der Experte Zitzmann findet die Idee ebenfalls gut, warnt jedoch, dass es keine Studien gebe, die belegen, dass die Spermien nach der Ventilöffnung wieder voll funktionsfähig seien. Auch ergebe sich die Gefahr, dass durch die Verletzung der Samenleiter Antikörper auf den Spermien entstehen:

"Wenn man den Samenleiter verletzt, zeigt man dem Immunsystem die Spermien. Diese haben einen anderen Chromosomensatz als die anderen Zellen. Das sind 46xx oder 46xy und die Spermien haben 23x oder 23y. Das heißt, Spermien haben die DNA nicht doppelt, sondern die Chromosomen nur einmal. Das haben Bakterien auch und das heißt, das Immunsystem hält Spermien für Bakterien."

Diese Antikörper bleiben dauerhaft auf den Spermien. Doch beladen mit diesen Bakterien könnten diese nicht mehr in die Eizelle eindringen.

Pille für den Mann

An der Universität von Minnesota wird mit einem gänzlich neuen, hormonfreien Wirkstoff namens YCT529 in Pillenform gearbeitet. Die neue Pille blockiert ein bestimmtes Protein in den Zellen, das eine wichtige Rolle bei der Spermienbildung spielt.

"Die [Nebenwirkungen] wären eventuell sogar tödlich."
Michael Zitzmann über die YCT529 Pille

Bislang wurde die Pille nur bei Mäusen getestet, doch die Ergebnisse sind äußerst vielversprechend: Die Nager waren nach einem Monat zu 99 Prozent steril, Nebenwirkungen gab es dort keine. An Menschen soll das Produkt Mitte des Jahres getestet werden. Doch Zitzmann warnt vor Nebenwirkungen des Vitamin A-Blockers:

"Man weiß, dass ein Vitamin-A-Mangel und somit die Blockade von Vitamin A zu schweren Verhornungen führt im Darm und in der Harnröhre. Das sind so schwere Nebenwirkungen, die wären eventuell sogar tödlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert beim Menschen."
Für Männer gibt es mittlerweile auch unterschiedliche Verhütungsmethoden neben der Sterilisation.
Auch eine Pille für den Mann wird derzeit erforscht.bild: pexels/Karolina Grabowska

Eine andere Pille für den Mann hat einen ähnlichen Ansatz, der aber vielversprechender und besser verträglich ist:

"Das sind testosteron-ähnliche Stoffe, die man als Tablette einnehmen kann. Also synthetische Moleküle, die sowohl Testosteron als auch Gestagen sind. Das scheint ganz gut zu funktionieren, aber die eine Sorte wurde bisher erst bei 42 Männern getestet, die andere bei 100 Männern und dann jeweils nur für 1 Monat."

Verhütungs-Gel

Das Vasalgel wird in den Samenleiter gespritzt und unterbindet wirkungsvoll die Bildung von Spermien. Aber auch hier sei laut Zitzmann nicht erwiesen, ob bei der Entfernung des Gels der Samenleiter "nicht vernarbt oder verklebt durch Entzündung". Auch wisse man nicht, ob durch die Verletzung Antikörper gegen Spermien vorhanden seien.

Diana Blythes vom US-amerikanischen Forschungsförderzentrum "National Institute of Child Health und Human Development" leitet seit drei Jahren eine internationale Studie zu einem Verhütungs-Gel für die äußerliche Anwendung. Dieses enthält zwar Testosteron – aber ein anderes Gestagen, das sogenannte Nestoron.

Michael Zitzmann sieht bei dem Gel zur äußerlichen Anwendung die größten Marktzulassungschancen. Die Zwischenergebnisse der laufenden Studie sind vielversprechend. 82 von geplanten 200 Paaren, berichtet Blythe im Deutschlandfunk, hätten die Studie schon durchlaufen. Keines der Teilnehmerpärchen wurde schwanger und Nebenwirkungen gab es kaum. "Wenn das alles sehr gut läuft, dann könnte man mit der Entwicklung in fünf bis sieben Jahren fertig sein", schätzt Zitzmann.

Das Interesse dafür scheint jedenfalls da zu sein, sagt Zitzmann:

"Wenn wir eine Internetanzeige schalten für unsere Studien und da steht drin: 'Teilnehmer für Studie zur Empfängnisverhütung beim Mann gesucht. Uniklinik Münster.' Da melden sich in zwei Tagen 50 Leute, das geht ganz schnell."
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