
Bild: imago/watson-montage
Leben
13.08.2019, 11:1811.06.2024, 16:15
Sie sind attraktiv, in adretten Uniformen
gekleidet und sollen dafür sorgen, dass man sich rundum wohl fühlt an
Bord. Da kann man auch mal einen Klaps auf den Po geben oder einen
anzüglichen Kommentar machen. Das ist noch immer das Bild, das einige
Menschen von Flugbegleitern haben.
Und das ist ein Bild, das Sylvia Gaßner ziemlich wütend macht. Die 36-Jährige arbeitet bei der Unabhängigen Flugbegleiter
Organisation (UFO) im hessischen Mörfelden-Walldorf und setzt sich
seit zwei Jahren mit der sexuellen Belästigung von Stewards und
Stewardessen auseinander.
Sie sagt:
"Das ist ein gravierendes Problem, das viel zu sehr vernachlässigt wird."
Und: "Es betrifft auch
Männer, auch wenn Frauen häufiger belästigt werden." Aktuell würden
zwei Kolleginnen bei ihr Hilfe suchen. Die Frauen seien trotz
massiver Übergriffe von ihren Airlines nicht ernst genommen worden.
Opferzahlen gibt es kaum
Genaue Zahlen zu Opfern gibt es kaum. Zwar hat die UFO erst im Mai
eine vielbeachtete Studie veröffentlicht, wonach jeder zweite
Kabinenmitarbeiter schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt
wurde, zumeist an Bord aber auch bei den Aufenthalten zwischen zwei
Flügen.
- In 45 Prozent der Fälle waren die Täter demnach Vorgesetzte, beispielsweise Piloten.
- Bei jeweils etwa einem Viertel waren es gleichrangige Crewmitglieder beziehungsweise Passagiere.
Allerdings
hat die Online-Umfrage mit mehr als 1000 Teilnehmern eine Schwäche.
Da sie öffentlich auf der UFO-Website zugänglich war, konnte
theoretisch jeder mitmachen.
Doch Gaßner betont: "Die Studie ist stimmig zu den Rückmeldungen, die
ich von Kolleginnen und Kollegen erhalte." Noch alarmierender sind
die Zahlen einer anderen Umfrage, welche die US-Gewerkschaft
AFA unter dem Titel "#metoo in the Air" veröffentlichte.
- Befragt wurden dabei mehr als 3500 Stewardessen und Stewards von 29 US-Airlines.
- Darin erklärten sogar 68 Prozent, im Laufe ihrer Karriere sexuelle Belästigung erfahren zu haben.
Das sagt die Lufthansa
Anruf bei der Lufthansa: Die Airline hält sich, was konkrete Daten
betrifft, bedeckt. "Wir würden dazu keine internen Statistiken nach
außen geben", sagt eine Sprecherin. Klar sei aber: "Jeder Fall ist
einer zuviel!" Es gebe im Lufthansa-Konzern null Toleranz für
jegliche Form der Diskriminierung und der sexuellen Belästigung.
"Das beinhaltet insbesondere unerwünschte Annäherungen und Übergriffe
tatsächlicher oder verbaler Art." Unabhängig davon, ob es sich um
Übergriffe durch Kollegen oder durch Kunden handle. Und unabhängig
von der Position des Mitarbeiters oder dem Status des Passagiers. Die
Sprecherin bekräftigt, dass jeder gemeldete Vorfall überprüft werde.
Das könne bei internen Fällen zu Ermahnungen, Abmahnungen oder sogar
zur Kündigung führen. Und bei externen Fällen? "Ein übergriffiger
Passagier muss damit rechnen, dass er eine Anzeige erhält und auch
von Lufthansa-Flügen generell ausgeschlossen wird."
#metoo in the Air
Hat denn mit der #metoo-Bewegung ein Umdenken im Unternehmen
eingesetzt? In der ganzen Gesellschaft sei das Bewusstsein geschärft
worden, meint die Sprecherin. "Wir wollen einen offenen Umgang mit
dem Thema und unsere Mitarbeiter sensibilisieren." Der Konzern setze
auf Prävention und biete zudem zahlreiche Anlaufstellen. "Denn je
mehr Betroffene sich äußern, umso mehr sinkt die Hemmschwelle für
andere, ebenfalls Unterstützung zu suchen." Den Angaben zufolge
wurden 2018 zusätzlich zwei unabhängige externe Vertrauenspersonen
berufen. Außerdem wird das Kabinenpersonal über den richtigen Umgang
mit sexueller Belästigung geschult. "Dabei geht es vor allem darum,
Grenzen zu setzen und Signale zu erkennen."
Klischee Stewardess
Wie ist das Image der Stewardess überhaupt zustande gekommen? "Es
gibt Studien aus dem angelsächsischen Raum, die sich damit
beschäftigt haben, was genau das Bild der Flugbegleiterin – früher
waren es ja nur Damen – geprägt hat und warum es sich bis heute
hält", erklärt UFO-Mitarbeiterin Gaßner.
Soziologisch gesehen stamme das Bild aus einer Zeit, als das Fliegen
attraktiver wurde, also aus den 1950er und 60er Jahren. "Das waren
einfach nicht die Frauen, die mit Anfang zwanzig geheiratet und sich
um Haushalt und Familie gekümmert haben. Sondern sie waren in ihrer
Lebensweise ein Stück freier und sind in der Weltgeschichte
rumgeflogen", erklärt sie. Und auch die Werbung habe damals – und
teilweise auch noch heute – die allzeit auf Service ausgelegte
Stewardess gezeigt, "die Dir jeden Wunsch von den Augen abliest und
vielleicht auch noch Deine Schuhe auszieht". Dabei seien die
Flugbegleiter in erster Linie für die Sicherheit an Bord zuständig.
Interessant ist auch, dass Ryanair noch bis vor einigen Jahren
regelmäßig einen Stewardessen-Kalender rausgebracht hat, in dem sich
die Flugbegleiterinnen in knappen Bikinis zeigten. Irgendwann scheint
bei der irischen Airline aber ein Umdenken eingesetzt zu haben: 2014
erschien die vorerst letzte Ausgabe.
Für Gaßner besteht aber weiterhin dringender Handlungsbedarf. "Das
alte Image der Stewardess wird noch immer durch sexistische
Werbekampagnen gefördert und ist nach wie vor in manchen Köpfen
verankert", sagt sie. "Ich denke, gerade nach #metoo wird es Zeit,
dass wir da endlich im 21. Jahrhundert ankommen."
(ts/dpa)
Lass deine Schuhe in der Bahn an
Video: watson
Die Maßnahmen rund um den Massentourismus erreichen nach Monaten voller intensiver Proteste eine neue Ebene: Nun sollen Flugreisen begrenzt werden. Ob das wirklich klappt, bleibt fraglich.
Allen, die schonmal in der Hauptsaison auf die balearischen Inseln rund um Mallorca, Ibiza und Menorca geflogen sind, ist klar: Im Sommer sind die Urlaubsdomizile nur schwer genießbar. Zumindest die touristischen Hotspots, die einheimische Gastronomie und die Flughäfen sind meist komplett überfüllt und platzen aus allen Nähten.