Die Liste der Vorurteile über die Gen Z im Berufsleben ist lang. Manches mag stimmen, vieles ist Quatsch, doch worüber seltsamerweise fast gar nicht gesprochen wird, ist die Frage, wie wir mit jungen Menschen im Job eigentlich umgehen wollen.
Andere Debatten werden in Deutschland völlig zu Recht (endlich) lebhaft geführt: Wie steht es um die Chancengleichheit von Frauen? Wo hakt es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Kann eine Vier-Tage-Woche sinnvoll sein? Bis zu welchem Alter werden wir in Zukunft arbeiten müssen?
Nur die Bedürfnisse von jungen Menschen sind selten Thema. Dabei wäre es dringend an der Zeit, unsere Arbeitswelt auch hier kritisch zu hinterfragen.
Ich gehe sogar einen Schritt weiter: Wir müssen aufhören, junge Menschen im Berufsleben zu benachteiligen. Erst recht in einer Zeit, in der wir spüren, dass Teilen der Gen Z die Arbeit bei weitem nicht mehr so wichtig ist wie der Generation ihrer Eltern, während uns mehr und mehr die jungen Fachkräfte ausgehen.
Ein Plädoyer in drei Punkten.
Ich finde es nicht verwerflich, wenn Jobeinsteiger:innen weniger verdienen als Menschen mit mehr Erfahrung. Wer neu ist, muss sich noch zurechtfinden, wird daher vermutlich ein Weilchen benötigen, um ebenso viel zu leisten wie die erfahrenen Kolleg:innen.
Jedoch: Wer seine Leistung schnell bringt, sollte auch bald mehr verdienen – und nicht in irgendwelchen Warteschlangen festhängen, weil das "in dieser Firma eben so ist".
Ich habe schon in Redaktionen gearbeitet, in denen jede:r Mitarbeiter:in nach einer gewissen Anzahl an Jahren der Betriebszugehörigkeit automatisiert eine Gehaltserhöhung bekam. Der Betriebsrat klopfte sich für diese Regel auf die Schulter, weil man so sicherstellen wollte, dass niemand benachteiligt wird.
So löblich der Gedanke auch sein mag: In der Realität hatte ich als Führungskraft dadurch ein Problem, weil ich mehrfach kein Budget hatte, um jungen Kolleg:innen schnell eine Gehaltserhöhung zu geben, die diese deutlich mehr verdient hätten.
Nicht weniger nervtötend ist es, in einem Gehaltserhöhungsverteilungsmeeting mit anderen Führungskräften zu sitzen, wenn man bemerkt, dass das Budget knapp wird. Dann wird diskutiert, wer mehr bekommt und wer leer ausgeht. Und ja, ich habe schon folgenden Satz gehört: "Lasst uns das Geld Melanie geben, nicht Stefanie. Sie hat zwei Kinder, sie braucht das Geld dringender als eine Singlefrau."
Finde ich schwierig, weil sich mein Gerechtigkeitssinn gegen solche Entscheidungen sträubt. Ich zog damals dennoch den Kürzeren. Die ältere Kollegin bekam mehr Kohle, die zehn Jahre jüngere ging leer aus, obwohl sie den deutlich besseren Job machte. (Und als Single in der Großstadt nun auch nicht unbedingt ein Problem wegen zu viel Geld auf dem Konto hatte.)
Wenn Führungspositionen frei sind, wählen zu viele Chef:innen den Weg des geringsten Widerstands. Sie befördern oft Mitarbeitende, die schon lange im Unternehmen sind und eine Weile auf den nächsten Schritt warten. Jüngere Kolleg:innen müssen sich hinten anstellen. Auch wenn sie kompetenter sind.
Mit Verlaub: Das ist Quatsch.
Nicht nur, weil man sich auf Dauer selbst schadet, wenn man seine besten Leute nicht konsequent fördert und fordert. Sondern auch, weil sich das nachhaltig auf die Motivation junger Kolleg:innen auswirkt. Denn natürlich sendet das an sie ein völlig falsches Signal.
Schon klar: Der ungewöhnliche Weg ist anstrengender. Weil erfahrenere Kolleg:innen beleidigt, sauer oder enttäuscht sind, wenn sie von jüngeren "überholt" werden. Aber wenn ich als junger Mensch sehe, dass ich diese Chance gar nicht erst habe, gehe ich vom Gas. Und schreibe Bewerbungen an Firmen, die mir schon jetzt einen anderen Posten anbieten – und nicht erst in drei Jahren.
Es macht keinen Spaß, Dienstpläne zu bauen. Wirklich nicht. Weil du es beim Sonderwunsch-Tetris eh nie allen recht machen kannst. Der eine meckert, weil er schon wieder Spätdienst machen muss, die andere hätte ihren Ausgleich lieber mittwochs statt montags.
Und dann sind da noch die Kolleg:innen, die in Teilzeit arbeiten und dementsprechend freitags nie da sind oder jeden Tag um 14 Uhr Feierabend machen.
Ehe das nun jemand falsch verstehen möchte: Nein, das ist kein Problem. Das ist normal. Ohne Diskussionen.
Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, die Arbeitszeiten von Teilzeitarbeitenden nicht auf dem Rücken der oft noch jungen und vor allem kinderlosen Kolleg:innen auszutragen. Denn: Wenn Kolleg:innen freitags nie da sind, bleibt beispielsweise die ganz und gar unbeliebte Spätschicht am Freitag an den anderen Teamkolleg:innen überproportional häufig hängen.
Ähnlich verhält es sich mit ungeplanten Überstunden, weil der Baum unerwartet brennt. Niemand wirft Eltern vor, dass sie dennoch pünktlich gehen müssen, weil sie die Kids von der Kita abholen müssen. Jedoch: Wenn's am Ende immer die jungen, kinderlosen Kolleg:innen sind, die im Notfall den Kopf hinhalten müssen, wächst bei ihnen der Frust.
Eines muss Arbeitgeber:innen klar sein: Die jungen Menschen lassen sich heute nicht so einfach mit schlechten Ausreden abspeisen wie einige Kolleg:innen älterer Generationen. Sie wissen, dass sie mehr denn je gebraucht werden. Und ziehen weiter, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Im April 2023 sorgte eine Umfrage im Auftrag des Job-Netzwerkes Xing für Aufsehen: 48 (!) Prozent aller 18- bis 29-Jährigen konnten sich vorstellen, noch in diesem Jahr den Job zu wechseln. Es ist leicht, bei solchen Ergebnissen über die undankbare Gen Z und ihre vermeintlich hohen Ansprüche zu schimpfen. Anstrengender, aber deutlich sinnvoller wäre es, ihr zuzuhören. Und damit aufzuhören, junge Menschen im Job zu benachteiligen.