David ist ein 31-jähriger Lehrer in Willkommensklassen. Er hat ursprünglich Germanistik im Bachelor studiert und unterrichtete bereits in Japan. Zurück in Deutschland, wo der Lehrermangel immer akuter wird, will er gerne als Quereinsteiger Lehrer werden – doch es gibt zu viele Hürden.
"Mein Vertrag wird nicht verlängert, weil die Schule, an der ich arbeite, derzeit zu 103 Prozent ausgelastet ist. Das hört sich erstmal gut an, weil das der Schule ermöglicht, relativ konstant Unterricht zu geben. Das heißt, wenn Lehrer ausfallen, gibt es genügend Lehrer, um bestimmte Stunden auszufüllen. Aber wenn eine Schule einen bestimmten Prozentsatz an Auslastung hat, muss sie Lehrer oder Leute, die dort lehren, abgeben und kann dann bestimmte Verträge nicht mehr verlängern.
Meine Schule hat mit einer 97-prozentigen Auslastung angefangen – also 3 Prozent darunter. Das heißt, sie haben das Schuljahr mit zu wenig Lehrern angefangen. Dadurch haben Schüler Freistunden oder gehen früher nach Hause, weil es nicht genügend Lehrer gibt, um diese Stunden zu covern. Das kann man dann auffüllen mit PKB-Kräften (Anmerkung d. Red.: Personalkostenbudgetierung), das sind Leute, die in Teilzeit arbeiten oder Vertretungslehrer. Damit kann man die Auslastung erhöhen.
Ich habe für meinen Job nur einen Jahresvertrag bekommen. Klar, kann ich sagen: 'Okay, kein Problem, für ein Jahr ist der Job sicher.' Das stimmt schon. Ich kann mir zum Beispiel einen neuen Job suchen in einer anderen Schule oder einfach aufhören, Lehrer zu sein. Denn man bekommt immer nur Jahresverträge in bestimmten Situationen, obwohl es diesen Lehrermangel gibt. Das ist schon ein großes Problem.
Man baut ja auch eine Verbindung zu den Schülern auf. Wenn man dann nach einem Jahr wieder gehen muss, ist das keine ideale Situation. Dann müssen sich die Schüler wieder an einen neuen Lehrer gewöhnen, der vielleicht auch andere Ansprüche an sie stellt. Sich jedes Jahr wieder an jemand anderes gewöhnen zu müssen, finde ich einfach nicht gut.
Ich will nicht jedes Jahr bangen müssen, dass ich wieder eingestellt werde. Oder mir jedes Jahr den Stress machen müssen, eine neue Schule zu finden. Ich sage bewusst Stress, denn zusätzlich zum Lehrermangel ist die Senatsverwaltung auch total unterbesetzt. Als ich mich an der jetzigen Schule beworben habe, hat man meine Bewerbung zweimal verschlampt. Ich musste sie dreimal einschicken, bis ich eine Meldung bekommen habe, dass ich jetzt im System bin. Zu dem Zeitpunkt war ich so genervt, dass ich mich schon direkt bei der Schule beworben hatte.
Die sind dort wahrscheinlich überfordert, mit zu vielen Bewerbungen, oder haben zu viel zu tun und zu wenige Leute. Als ich schon über einen Monat an der Schule gearbeitet hatte, habe ich eine Nachricht von der Senatsverwaltung bekommen, ob ich jetzt bereit wäre, an einer anderen Schule anzufangen. Die wussten nicht, dass ich schon an der Schule arbeite – obwohl ich bei ihnen einen Vertrag unterschrieben hatte – und wollten fragen, ob ich für eine andere Stelle arbeiten möchte ... Das ganze System ist völlig marode, so fühlt es sich an. Es ist wie ein Teufelskreis und im Endeffekt kann da nur die Bundesregierung wirklich etwas ändern, denn sonst klappt das nicht.
Ich wollte eigentlich über den Quereinstieg gehen. Ich habe Germanistik studiert und mir wurde das auch angerechnet bei der Senatsverwaltung als unterrichtsfähig. Ich kann damit also Deutsch unterrichten. Über das letzte Jahr habe ich aber festgestellt: Das geht gar nicht so einfach. Denn man braucht erst mal den Master im eigenen Fach und dann muss man noch zusätzlich einen Master of Education machen. Ich habe zum Beispiel nur einen Bachelor. Ich müsste mir dann nochmal vier Jahre Uni geben und gleichzeitig arbeiten, um über den Quereinstieg als Lehrer anfangen zu können.
Die Schulen suchen verzweifelt nach Lehrern, weil die Babyboomer, also die Generation unserer Eltern, alle bald in Rente gehen. Man hat dann Zehntausende freie Stellen für Lehrer, aber wir haben nicht genügend, die folgen können.
An der Schule, an der ich gerade arbeite, sind die Lehrer wirklich toll. Es wird ja gerne in den Medien ein bisschen negativ über die unmotivierten Lehrer berichtet. Aber hier ist es genau das Gegenteil. Wir sind alle hoch motiviert. Wenn dort ein Drittel der Belegschaft auf einmal gehen würde, sie aber nicht genügend Nachfolger bekommen, dann kann es auch irgendwann problematisch werden.
Es fühlt sich so an, als hätte unsere liebe Bundesregierung, auch die vorherige, die Situation nicht richtig verstanden. Als würden sie denken: Das kriegen wir schon irgendwie hin.
Ich hatte Glück mit meiner Schule, die ist echt toll. Der Direktor ist unglaublich hilfsbereit und sehr engagiert. Mit ihm hatte ich auch schon mehrere Gespräche und er ist auch total genervt, dass alles so erschwert wird. In der Hinsicht ist es super, aber mittlerweile bin ich an dem Punkt, an dem ich mich frage: 'Will ich jetzt wieder an eine andere Schule?' Wer weiß, ob ich das Glück nochmal habe. Ich habe keine Lust, mir an einer neuen Schule möglicherweise ein stressiges Jahr zu geben, mit einem neuen Kollegium und gleichzeitig zu studieren. Da mache ich mir gerade Gedanken, ob ich das wirklich will.
Meine Frau ist außerdem gerade schwanger und ich bin auch am Überlegen, ob es nicht doch Zeit ist, nach Japan zurückzuziehen. Einfach, weil da das Problem nicht ganz so ausgeprägt ist, wie bei uns."