In einer zunehmend digitalen Welt dürfte es für viele umständlich erscheinen, jedes Mal den Perso aus dem Portemonnaie kramen zu müssen, wenn danach verlangt wird. Wenn es dafür nur eine Lösung gäbe! Eine, mit der man nicht mehr Gefahr läuft, den Personalausweis zu vergessen oder ihn irgendwo liegenzulassen.
Und tatsächlich wird dieser Wunsch bald nicht mehr nur in der Ferne erklingende Zukunftsmusik sein.
Bis zum Jahr 2027 soll in der Europäischen Union eine revolutionäre Neuerung im Behördenverkehr umgesetzt werden: der digitale Personalausweis. Die sogenannte "EU Wallet" soll es den Bürger:innen ermöglichen, wichtige Dokumente wie den Personalausweis direkt auf dem Smartphone zu haben. Das hat man schließlich immer dabei.
Auch Deutschland hat sich diesem Vorhaben angeschlossen. Doch der ambitionierte Zeitplan sorgt für Diskussionen und Skepsis, insbesondere bei Fachleuten.
Laut EU-Kommission soll es die "EU Wallet" den Bürger:innen in der gesamten Union ermöglichen, sich digital auszuweisen und behördliche Angelegenheiten online zu erledigen. Deutschland hat nun beschlossen, dieses Vorhaben zu unterstützen und die Einführung des digitalen Personalausweises aufs Smartphone voranzutreiben. Das "EUDI-Wallet-Projekt" (European Digital Identity Wallet) soll dafür die technischen Grundlagen bilden.
Die "EU Wallet" soll nicht nur den Personalausweis speichern. Geplant ist, dass die Brieftasche eine Vielzahl weiterer Funktionen übernehmen kann. Dazu zählen beispielsweise die Speicherung von Identitätsangaben, offiziellen Dokumenten und sogar der elektronischen Unterschrift. Damit könnten in Zukunft zahlreiche Behördengänge vereinfacht werden, ganz ohne Dokumente in Papierform oder Lesegeräte.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich bei der "Tagesschau" diesbezüglich sehr optimistisch: "Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Identität schnell, sicher und unkompliziert direkt über ihr Smartphone nachweisen können – ohne eine zusätzliche Karte oder ein Lesegerät."
Doch der geplante Start bis 2027 ist möglicherweise etwas zu optimistisch. Dieser Zeitplan wird zumindest von einigen Fachleuten kritisch gesehen.
Markus Reuter von netzpolitik.org äußerte im Gespräch mit dem MDR Zweifel: "Ich halte das für einen sehr sportlichen Zeitplan. Es soll ja auch europaweit funktionsfähig und kompatibel sein. Ich würde mal sagen, das wird wahrscheinlich nicht klappen." Laut Reuter sind die technischen und rechtlichen Hürden enorm, insbesondere im Hinblick auf die länderübergreifende Anwendung und den Datenschutz.
Die Digitalisierung von Dokumenten und der sichere, grenzüberschreitende Austausch sind zentrale Herausforderungen des Projekts. Zwar bietet die EUDI-Verordnung der EU-Kommission die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wie schnell die Umsetzung insbesondere in bürokratischen Systemen wie dem deutschen vorankommt, bleibt jedoch abzuwarten.
Obwohl der Zeitrahmen für das Projekt ambitioniert ist, gilt der Startschuss als gesetzt. Klar ist: Die digitale Brieftasche wird den Behördengang nachhaltig verändern und die Verwaltung modernisieren. Ob im Jahr 2027 oder später, sei mal dahingestellt.