Das Jahr 2020 ist für viele Menschen nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich mit Ängsten verbunden: Durch Reisebeschränkungen, Lockdowns und Corona-Maßnahmen erlebten viele Branchen Verluste, die laut Berechnungen des DIW Berlin im vierten Jahresquartal zu einer um 19 Milliarden Euro geringeren Wirtschaftsleistung führen werden. Besonders betroffen seien davon das Gastgewerbe und die Veranstaltungsindustrie.
Doch es gibt auch Geschäftszweige, die von dem zweiten Lockdown profitieren: Wenn die Restaurants zu bleiben, bestellen wir uns das Essen eben nach Hause. Und so erleben – mitten in der Krise – die entsprechenden Lieferdienste gerade einen echten Boom. Führen die Lockdowns unmittelbar zu mehr Anmeldungen der Restaurants? Und wie wird der Mehrbedarf an Bestellungen aufgefangen? Watson sprach mit dem Anbieter-Gigant Lieferando und seinem neuen (noch kleinen) Konkurrenten Wolt über ihre Erfahrungen im Corona-Jahr.
Seitdem sie nicht mehr öffnen dürfen, melden sich zunehmend mehr und mehr Restaurants bei Online-Lieferdiensten an, erzählt uns Ann-Kathrin Donwald, Sprecherin von Lieferando: "Seit der Bekanntgabe des zweiten Lockdowns haben sich schon rund 750 Restaurants auf unserer Plattform registriert", berichtet sie. Dies sei vergleichbar mit der Anzahl der Neuanmeldungen zu Beginn des ersten Lockdowns im März.
Auch damals hätten viele Gastronomen schon so schnell wie möglich reagiert, um nicht völlig ohne Einkommen dazustehen. "In den ersten Wochen des Lockdowns im März haben sich mehrere tausend Restaurants bei uns gemeldet, um auf unserer Plattform gelistet zu werden und somit ihr Geschäft am Leben halten zu können", sagt sie weiter. "Die meisten konnten wir erfolgreich auf unsere Plattform bringen und somit beim Fortbestehen unterstützen."
Eben weil der Lockdown viele Gastronomen so hart trifft, hat Lieferando ein Hilfspaket gestartet: Für neu hinzu gekommene Restaurants sind Vermittlung und Auslieferung über die Plattform in den ersten vier Wochen kostenlos, Bestandsrestaurants erhalten 25 Prozent Nachlass.
Das Restaurant-Angebot ist durch die Corona-Maßnahmen also eher gewachsen. Aber wird denn auch mehr bestellt? Gerade zu Beginn der Pandemie hatten schließlich viele Leute Angst, mit einem Kurier im Flur in Kontakt zu kommen.
Tatsächlich seien die Bestellungen zu Beginn der Corona-Krise zunächst gesunken, bestätigt Ann-Kathrin Donwald, das hätte sich aber ziemlich schnell ins Gegenteil umgekehrt: "Im April und Mai konnten wir bereits ein Wachstum von 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Diese Entwicklung ist auch über die Sommermonate stabil geblieben."
Für das dritte Jahresquartal 2020 verzeichnete Lieferando so ganze 28,3 Millionen Bestellungen in Deutschland. Zum Vergleich: 2019 waren es "nur" 19,2 Millionen. Diese Entwicklung zeigt sich übrigens auch in anderen Ländern, in denen Lieferando tätig ist, wie den Niederlanden, England oder Kanada.
Auch der neue Konkurrent Wolt, der erst seit August Essen in einige Berliner Innenbezirke liefert, erlebte durch Corona einen wahren Raketenstart. "Wir haben mit 100 Restaurants begonnen und sind nun bei über 300 Restaurants. Durch den angekündigten Lockdown hat sich diese Nachfrage noch einmal erhöht", erzählt uns Sprecher Felix Ecke.
"Unser Ziel ist es, möglichst vielen Restaurants die Zusammenarbeit mit Wolt möglichst schnell zu ermöglichen", sagt er. 150 weitere Restaurants aus Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg sollen konkret in den nächsten Wochen dazukommen.
Wolt ist in anderen Ländern bereits etabliert und die Erfahrungen der ausländischen Kollegen dort zeigen, dass es gerade in Phasen harter Corona-Maßnahmen zu einer steigenden Auftragslage bei Lieferdiensten kommt, weshalb der deutsche Ableger den Betrieb hier entsprechend personell ausweitet. Felix Ecke dazu: "Wir stellen durchgehend weitere Kuriere ein, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden."
Um die vom Coronavirus gebeutelte Gastronomie zu unterstützen, hat das Unternehmen nun auch ein Support-Programm gestartet, dass die Kosten der Restaurantbetreiber klein halten soll. So müssen Gastro-Betreiber nichts zahlen, wenn ein Kunde sein Essen selbst abholt – auch wenn es über die App gebucht wurde. Restaurants erhalten pro Lieferbestellung außerdem 1,50 Euro zurück. Ihr Gewinn würde zudem schneller und häufiger ausgeschüttet. Eckes: "Wir wollen ein kleines Stück helfen."
Denn so sehr die Lieferdienste kurzfristig auch von den Schließungen profitieren, eine reihenweise Pleite der Restaurants wäre auch für sie nicht von Vorteil.