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Expertin klärt auf: Diese Folgen drohen Langzeit-Singles

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Wer lange alleine war, muss sich an sehr viel Nähe manchmal erst wieder gewöhnen. Bild: pexels / Rene Asmussen
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Expertin erklärt: Langzeit-Singles können Beziehungen tatsächlich verlernen

22.02.2023, 09:23
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Wer sich gut in seinem Leben als Single eingerichtet hat, der genießt oft seine ganz eigenen Rituale und die Vorteile des Ungebundenen: Sei das die Ruhe beim morgendlichen Yoga, die Freiheit, spontan Pläne umzuschmeißen oder die Studentenbude im Zentrum, die nur noch bezahlbar ist, weil sie so winzig klein ist.

Kommt ein zweiter Mensch in diesen Alltag, wird schnell klar: Es wird sich einiges ändern. Und nicht immer fällt das leicht. Denn schließlich haben wir unser Leben ja aus gutem Grund genauso eingerichtet, wie wir es schön finden. Sich plötzlich öfter erklären zu müssen, Kompromisse einzugehen oder sogar große Veränderungen wie einen Umzug in Kauf zu nehmen fällt dann verständlicherweise schwer.

Ulrike Scheuermann
Therapeutin Ulrike ScheuermannBild: privat / Christian Hesselmann

Kann es sogar passieren, dass man "Beziehung" regelrecht verlernt, wenn man sehr lange Single war? Wir fragten bei Ulrike Scheuermann nach. Sie ist Diplom-Psychologin, Emotionscoachin und Buchautorin. In ihrer esencia Akademie bietet sie psychologische Seminare an.

"Kompromisse in der gemeinsamen Alltagsgestaltung kann man im Laufe vieler, ohne feste Beziehung verbrachter Jahre verlernen."
Psychologin Ulrike Scheuermann

Ob Single oder nicht: Um erfolgreich mit anderen Menschen zu agieren, muss man lernen, sich abzusprechen und auch mal Kompromisse einzugehen – das gilt genauso für die Familie, den Freundeskreis oder Kolleg:innen. "Beziehungen zu gestalten ist eine Grundkompetenz, die wir alle im Laufe unseres Lebens erlernt haben und die uns durchs Leben trägt", sagt sie. "Dennoch, es gibt natürlich Unterschiede, ob und wie wir gute Beziehungsgestaltung lernen konnten."

Eingeschlafene Kompromissfähigkeit

Doch abgesehen von den eigenen Sozialkompetenzen kann es durchaus einen Unterschied machen, wie lange man schon alleine ist, erklärt sie. Wer nicht mehr daran gewöhnt ist, einen anderen Menschen in seine Entscheidungen miteinzubeziehen, muss sich unter Umständen erst wieder an diese Verbindlichkeit herantasten.

Ulrike Scheuermann: "Kompromisse in der gemeinsamen Alltagsgestaltung kann man im Laufe vieler, ohne feste Beziehung verbrachter Jahre verlernen." Allerdings sei auch das nur eine Frage der Gewohnheit, denn natürlich könne man die eingeschlafene Kompromissfähigkeit "auch wieder neu lernen
", beruhigt die Psychologin.

"Es kann auch Spaß machen und interessant sein, sich auf die Eigenheiten einzulassen."
Psychologin Ulrike Scheuermann

Ein holpriger Start nach einer langen Singlephase ist also erst einmal nichts ungewöhnliches und auch noch kein Grund, alles sofort in Frage zu stellen. "Sicher fällt es vielen Menschen nach langer Zeit des Lebens ohne Partnerin oder Partner oft schwer, sich im Alltag wieder auf eine andere Person mit ihren eventuell ganz anderen Bedürfnissen und Vorlieben einzustellen", führt Scheuermann aus.

Umgewöhnung dauert Zeit

Der Mensch tut sich bekanntermaßen mit Änderungen schwer. Das gilt aber nicht nur für Singles, die plötzlich in einer neuen Beziehung sind. Auch Beziehungs-Hopper, die gerade erst aus einer Partnerschaft kamen, müssen flexibel bleiben. Die Psychologin erklärt typische Stolpersteine:

"Aufsteh- und Schlafenszeiten, Essen, Einkaufen, Ordnung in den Wohnräumen, Freizeit-, Wochenend- und Urlaubsgestaltung können eine Herausforderung sein und ein tiefgreifendes Umlernen bedeuten, wenn man lange alles genau so machen konnte, wie man wollte – oder wie man es sich mit dem vorherigen Partner zusammen eingerichtet hat."

Wenn zwei unterschiedliche Lebensweisen aufeinander stoßen, erzeugt das immer erst einmal Spannung. Aber keine Panik: Auch wenn Streit dabei nicht immer zu vermeiden ist, sollte man nicht vorschnell das Handtuch wegen Alltags-Lapalien werfen, das rät zumindest Ulrike Scheuermann.

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Klassiker der Paar-Streitthemen: Für was lohnt es sich, Geld auszugeben? Bild: pexels / Mikhail Nilov

Sie empfiehlt im Gegenteil, das Ungewohnte erst einmal zuzulassen, auch wenn es sich vielleicht erst komisch anfühlt. Er begegnet traurigen Situationen mit Humor? Sie geht jeden Abend joggen? Solche neuen Blickwinkel und Angewohnheiten können langfristig unerwartete Bereicherungen sein.

"Es kann auch Spaß machen und interessant sein, sich auf die Eigenheiten einzulassen", so die Therapeutin deutlich, "erst recht, wenn man verliebt ist..." Die rosarote Brille ist dabei glücklicherweise das beste Hilfsmittel.

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Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so gut, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen.

Die meisten Beobachtungen und Erlebnisse in meiner Kolumne sind anonymisiert. Du liest schließlich watson und schaust nicht Reality-TV.

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