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Fragen der Liebe

Liebeskummer immer einseitig? Mythos von Expertin entlarvt

Husband and wife are arguing at home. Angry man is yelling at his wife.
Das Mitleid gilt meist der Person, die verlassen wurde. Ist das zu kurz gedacht? Bild: iStockphoto / Boris Jovanovic
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Tut eine Trennung auch demjenigen weh, der Schluss macht?

15.01.2023, 15:06
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Wer verlassen wurde, wird zumeist umfangreich getröstet. In Filmen liefern die Freunde Eiscreme und Taschentücher, im echten Leben meist vor allem emotionale Unterstützung: Von er oder sie "hat dich nicht verdient" bis hin zu "Arschloch" werden Ex-Partner:innen oft solidarisch verteufelt, um den Abschied leichter zu machen.

Die allgemeine Haltung scheint zu sein: Wer verlassen wurde, ist arm dran, wer verlassen hat, ist böse. Aber jeder, der schon einmal selbst Schluss gemacht hat, weiß, dass es so schwarz und weiß nicht ist. Im Gegenteil: Es fühlt sich alles andere als triumphal an, einen Menschen zu verlassen, den man einst liebte. Kaum etwas ist härter als Worte aussprechen zu müssen, die der andere nicht hören will.

"Eine Trennung ist in der Regel für beide eine Herausforderung."
Psychologin Ulrike Scheuermann

Und natürlich holt Liebeskummer und Trauer oft auch den Menschen ein, der aktiv Schluss gemacht hat. Nur getröstet wird er oft weniger, frei nach dem Motto: selbst Schuld. Doch "eine Trennung ist in der Regel für beide eine Herausforderung", sagt Ulrike Scheuermann dazu gegenüber watson.

Sie ist Diplom-Psychologin, Emotionscoach und Buchautorin. In ihrer esencia Akademie bietet sie psychologische Seminare und Ausbildungen an. Nach ihrem Medizin- und Psychologiestudium hat sie vor 25 Jahren den Berliner Krisendienst mit aufgebaut und dort zehn Jahre gearbeitet.

Ulrike Scheuermann
Psychologin Ulrike Scheuermann.Bild: privat / Christian Hesselmann

Warum eine Trennung beide verletzt

Schluss machen sei hochemotional und "mit starken schmerzlichen Gefühlen verbunden", denn schließlich ist die Paarbeziehung in der Regel die "nächste und tiefste" Beziehung zu einem anderen Menschen, stellt die Therapeutin klar. "Selbst wenn man sich auseinandergelebt hat, so war sie es zumindest einmal", sagt Scheuermann weiter. Mit diesem Verlust müssen beide Beteiligten erst einmal umgehen lernen.

Doch besonders, wenn es sich um eine lange Beziehung handelt und die Leben der beiden Menschen eng miteinander verwoben sind, kommt die Gefühlswelt kaum zur Ruhe, weil sich auch liebgewonnene Alltagsgewohnheiten und Bezugspersonen wandeln.

Wer einen Menschen verlässt, verliert damit so manches Mal auch eine Reihe netter Kontakte oder sogar Freunde. Vielleicht eine Schwiegermutter, mit der man sich gut verstand oder Kumpels, mit denen man gerne feiern ging. "Es gibt gemeinsame Freundschaften und andere soziale Beziehungen, die sich nun stark verändern", bestätigt Scheuermann. Dass man als Schlussmacher in die Rolle des Bösewichts rutschen kann, macht es nicht leichter, Kontakt zu halten.

"Ist eine andere Person der Trennungsgrund, so kämpft die Person, die Schluss macht, häufig mit Schuldgefühlen."
Psychologin Ulrike Scheuermann

"Hinzu kommen für beide häufig auch organisatorische und finanzielle Herausforderungen, wenn ein Paar zusammen gewohnt hat, verheiratet war oder gar gemeinsame Kinder hat", sagt Scheuermann.

Welcher Trennungsschmerz besonders den "Schlussmacher" betrifft

Doch abgesehen von der Trennungsarbeit, die beide nun-Ex-Partner durchlaufen müssen, hat der Schlussmacher manchmal auch ganz eigene emotionale Baustellen zu bewältigen.

"Ist eine andere Person der Trennungsgrund, so kämpft die Person, die Schluss macht, häufig mit Schuldgefühlen", erklärt Scheuermann. Ein schlechtes Gewissen begleitet oft die Trennung, auch "Zweifel" seien typisch. Denn während die Person, die verlassen wurde, ja keine Wahl hatte, hat der andere eine aktive Entscheidung getroffen, mit der er oder sie nun leben muss, auch in Momenten des Vermissens und der Reue.

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Habe ich mich selbst um mein Glück gebracht? Zweifel sind beim Schluss machen typisch.Bild: iStockphoto / tommaso79

Belastend sei aber auch das Gefühl, jemanden verletzt zu haben, der einem eigentlich viel bedeutet hat. Deshalb kämpft, wer Schluss macht, oft noch lange mit "dem vergeblichen Wunsch, der verlassenen Person nicht weh zu tun oder sie nicht ganz zu verlieren, sondern Freunde zu bleiben", so Scheuermann abschließend.

Einen Menschen zu verlassen, tut weh. Von einem Menschen verlassen zu werden, auch. Den Trennungsschmerz gegeneinander aufzurechnen, ist daher Unsinn. Aber im Hinterkopf kann man bewahren, dass auch der Verlassende mitunter Trost braucht, manchmal sogar Taschentücher und Eiscreme ...

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