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Fliegen und Corona: Rechnung weist auf Ansteckungsgefahr im Flugzeug hin

Young bearded man sitting inside an airplane and using a laptop. Male passenger using computer during flight.
Flugzeuge: eng, aber sicher? Bild: Getty Images
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Fliegen und Corona: Rechnung weist auf Ansteckungsgefahr im Flugzeug hin

13.08.2020, 09:1313.08.2020, 12:25
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Sommer, oh schöner Sommer. Jahreszeit romantischer Bilder von weißen Sandstränden, lachenden Gruppen in Bars, abenteuerlustigen jungen Menschen an Flughäfen. Dabei sieht die Wirklichkeit meist anders aus: Weiße Strände werden von Liegen und Sonnenschirmen verdeckt, die lachenden Gruppen streiten sich im Vollrausch und die Abenteuerlustigen warten ungeduldig auf ihren Flug. Wie so oft sind Vorstellung und Realität nicht deckungsgleich.

Trotzdem packt die Menschen das Fernweh und sie fliegen eine Weile weg – auch jetzt, wo wir uns inmitten einer Pandemie befinden. Gut, Verkehrsminister Scheuer betont, wie sicher das Fliegen ist, die Fluggesellschaften ebenso. Richtig belegen, dass die Wahrscheinlichkeit sich auf einem Flug mit Corona anzustecken nur gering ist, kann man nicht. Anhand einer Modellrechnung lässt sich aber zumindest die Ansteckungswahrscheinlichkeit für Reisende im Flugzeug ermitteln.

Mathe macht's möglich

Der Ingenieur Dieter Scholz stellte diese erstmals in einem Interview mit "Focus Online" vor. Da sich der Text auf Zahlen von vergangener Woche bezieht, aktualisieren wir das Ganze doch mal.

Zunächst müssen wir wissen, wie viele Covid-19-Erkrankte sich derzeit in Deutschland befinden. Laut Robert-Koch-Institut sind es etwa 10.512 (Stand: Mittwoch).

Natürlich kann der Wert schwanken. Es ist nicht klar, wie viele Covid-19-Erkrankte wir genau haben. Viele zeigen keine Symptome, werden entsprechend nicht getestet. Ansteckend sind sie dennoch. Das RKI geht davon aus, dass es elf bis 20 Mal mehr Erkrankte gibt als offiziell bekannt. Zum Weiterrechnen nehmen wir den Mittelwert, der aufgerundet bei 16 liegt.

Nun multiplizieren wir unsere 9286 Erkrankten mit dem Faktor für nicht-erfasste Erkrankte und landen bei 148.576. Teilen wir das durch die rund 83 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen Deutschlands, finden wir heraus, dass ungefähr jeder tausendste Mensch in Deutschland an Covid-19 erkrankt ist.

Stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass wir im Flugzeug einen Platz neben einem Erkrankten ergattern. "Ein übliches Flugzeug transportiert 200 Passagiere", sagt Scholz. In einem von fünf Flugzeugen könnte demnach eine erkrankte Person sitzen.

Zeit ist ein wesentlicher Faktor

Wie viele andere diese ansteckt, hängt dann wiederum von ein paar Faktoren ab. Etwa von der Zahl der Stunden, die die Reisenden in einem Flugzeug sitzen. Um eine Ansteckungsrate zu berechnen, braucht es aber auch die bekannte Anzahl der Personen, die sich während eines Fluges bereits ansteckten. Daraus lässt sich die Ansteckungsrate pro Stunde berechnen. Scholz selbst sagt:

"Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene Veröffentlichungen, in denen es Ansteckungsfälle im Flugzeug gegeben hat und in denen man mühsam nachrecherchiert hat, wie viele Personen sich an einem Erkrankten angesteckt haben."
Dieter Scholzfocus online

Daraus schließt er, dass ein Erkrankter einen von tausend Menschen pro Stunde ansteckt, also ein Promille. Umgerechnet auf 200 wären das laut Scholz 0,2 Menschen pro Stunde. In einem fünf Stunden Flug steckt sich also eine Person an. Man könnte aber auch anders schätzen.

In fünf Flugzeugen mit 200 Personen würde sich theoretisch in einer Stunde ein Mensch anstecken. "Das ist jetzt eine abgeschätzte Größenordnung", wie Scholz richtigerweise sagt.

Eine Frage der Klimaanlage

Scholz betont, dass die Gefahr, sich anzustecken, auch von der Klimaanlage eines Beförderungsmittels abhängt. Die sei in Flugzeugen durchaus gut.

"Im Flugzeug ist es so, dass der Rumpf salamischeibenweise belüftet wird. Die Luft wird also nicht durch das komplette Flugzeug geblasen."
Dieter Scholzfocus online

Die im Flugzeug zirkulierende Luft wird durch einen Hochleistungsfilter, HEPA-Filter, geschickt. Dadurch sollen Viren rausgefiltert werden. Ein Punkt, den die deutschen Fluggesellschaften laut Scholz anbrachten, um eine volle Auslastung der Flugzeuge innerhalb der Corona-Pandemie zu rechtfertigen.

Der Bundesverband der deutschen Fluggesellschaften behauptet, dass die Luft im Flugzeug ähnlich rein sei wie in einem Operationssaal. Dort sind allerdings weitaus weniger Menschen, doch geschenkt.

Nun pusten Erkrankte über den gesamten Flug Viren in die Kabinen. Die Belüftung spült einen Teil raus, aber es kommen auch ständig neue hinzu. "Durch die Rezirkulation der Luft im Flugzeug in Verbindung mit den Hepa-Filtern kann die Virenkonzentration halbiert werden", sagt Scholz. Halbiert, nicht eliminiert.

Nur ein Modell

Abschließend ist wichtig, dass es sich bei der Rechnung erstmal nur um eine Schätzung handelt. Weder ist klar, wie viele Menschen genau genesen sind, noch, wie viele der Erkrankten sich im Krankenhaus befinden – die können schließlich schlecht in ein Flugzeug steigen.

Dennoch zeigt sie auf, dass die Wahrscheinlichkeit, sich im Flugzeug anzustecken, bei Weitem nicht so gering sein könnte, wie es die Industrie selbst betont.

(tkr)

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