Mode trifft Medizin: Wie Destiny Pinto Design und Krankheit verbindet
Kompressionshandschuhe, Hörgeräte oder Stomabeutel – was im Alltag hilft, sieht oft alles andere als ästhetisch aus. Genau das wollte Destiny Pinto ändern. Die junge Designerin aus Großbritannien ist selbst chronisch an einer rheumatoiden Arthritis erkrankt und hat ihre Marke "By Destiny Pinto" vor zwei Jahren gegründet, um medizinische Hilfsmittel in modische Accessoires zu verwandeln.
Was als persönliches Uni-Projekt begann, ist heute ein wachsendes Label mit weltweiter Community. Im Interview mit watson erzählt sie, wie alles begann, warum Design mehr kann als nur gut aussehen und wie sie trotz Krankheit ihren kreativen Weg geht.
watson: Wie kam es dazu, dass du dein Fashion Label gegründet hast?
Destiny Pinto: Mit etwa 19 hatte ich an der Uni einen schweren Rheuma-Schub und trug medizinische Kompressionskleidung, die kaum zu meinem Alltag passte. Zeitgleich bekam meine beste Freundin ein Stoma und auch ihre Versorgung wirkte klinisch und unästhetisch. Mir wurde klar: Medizinische Hilfsmittel sind oft funktional, aber nicht schön. Ich wollte das ändern. Aus dem persönlichen Projekt wurde durch die positive Resonanz in den sozialen Medien schließlich ein Unternehmen.
Was war deine Motivation damals, ein Modelabel zu gründen?
Ursprünglich habe ich das Projekt für mich selbst gestartet, um besser mit meiner Angst vor der Krankheit umzugehen. Die medizinischen Hilfsmittel haben die Angst oft noch verstärkt. Weil es als Kunstprojekt begann, konnte ich meine Krankheit aus einer kreativen Sicht zeigen und das hat mir geholfen, ruhiger damit umzugehen. Heute spreche ich viel offener darüber, auch wenn es mich manchmal noch emotional macht. Viele junge Leute wissen wenig über chronische Krankheiten und deren Hilfsmittel, wie eben Kompressen, deswegen freue ich mich, wenn ich durch meine Arbeit helfen und aufklären kann.
Du hast gesagt, du hast eine Marktlücke erkannt. Was genau hat dir bei bestehenden Angeboten gefehlt?
Viele Designs wirkten kindlich oder wie Tischdeckenmuster, nicht wie etwas, das junge Erwachsene freiwillig tragen würden. Ich wollte Produkte, die ästhetisch ansprechend, modisch und gleichzeitig funktional sind, also echte Accessoires, die sich in den Alltag integrieren lassen.
Du nähst auch Prototypen. Wie klappt das mit deiner Erkrankung?
Ich mache nur noch gelegentlich kleine Experimente oder Muster selbst, weil meine Hände durch die rheumatoide Arthritis oft geschwächt sind. Die meiste Arbeit findet am Laptop statt, wo ich Designs entwerfe und optimiere. Die Serienproduktion übernimmt ein Hersteller und ich achte bewusst darauf, meine Kräfte einzuteilen und Pausen zu machen – auch wenn das im stressigen Arbeitsalltag nicht immer leichtfällt.
Wie wirkt sich deine chronische Erkrankung aktuell auf dein Leben aus?
Mit den Jahren habe ich gelernt, meine Erkrankung besser zu managen. Ich achte sehr darauf, mich nicht zu überarbeiten oder körperlich zu überlasten. Die Schübe kommen seltener, aber sie sind nicht ganz verschwunden. Besonders meine Hände sind dauerhaft geschwächt, was mir die Feinmotorik im Alltag und bei der Arbeit erschwert. Trotzdem kann ich heute, mit 23, deutlich besser damit umgehen als damals an der Uni.
Wie läuft dein kreativer Prozess ab?
Oft kommt die Inspiration aus dem Alltag. Ich bin im indischen Staat Goa aufgewachsen, und bin dann für meine Ausbildung nach Großbritannien. In meiner Heimat habe ich viele schöne Ohrringe gesehen und dachte: Warum kann ein Hörgerät nicht auch wie Schmuck aussehen? Dann mache ich Skizzen, Moodboards, arbeite mit 3D-Design-Software und entwickle verschiedene Varianten. Parallel hole ich Feedback von Nutzer:innen und baue deren Erfahrungen in die Funktionalität ein. Das Design soll nicht nur gut aussehen, sondern auch praktisch sein.
Arbeitest du daran alleine?
Momentan leite ich alles selbst. Ich arbeite mit Freelancern, Hersteller:innen und vielen ehrenamtlichen Unterstützer:innen, die mich über Social Media gefunden haben. Viele haben medizinischen Hintergrund oder eigene Erfahrungen mit Hilfsmitteln, dieser Input ist Gold wert.
Wie wichtig ist das Feedback der Nutzer:innen für deine Arbeit?
Mein erstes Hörgerät-Design war zum Beispiel rein ästhetisch gedacht, aber nicht funktional. Dann bekam ich konstruktives Feedback, nicht als Kritik, sondern als Hilfe. So konnte ich meine Designs weiterentwickeln und wirklich praxisnah gestalten.
Hast du auch negatives Feedback oder sogar Hate auf Social Media erlebt?
Von der medizinischen Fachwelt bekomme ich viel Zuspruch, obwohl ich selbst keine Ausbildung im medizinischen Bereich habe. Es gibt gelegentlich ignorante Kommentare, vor allem wenn etwas viral geht, aber die positiven Rückmeldungen überwiegen bei weitem.
Ist dir ein Moment besonders emotional in Erinnerung geblieben, wenn es um deine Kund:innen geht?
Eine Kundin hat für die Hochzeit ihrer Schwägerin relativ kurzfristig eine weiße, spitzenverzierte Stomabeutel-Hülle bestellt, weil sie meine Website entdeckt hatte. Ich konnte rechtzeitig liefern und die Braut trug sie an ihrem Hochzeitstag. Solche Geschichten berühren mich sehr, weil sie zeigen, wie viel Selbstbewusstsein ein gut gestaltetes Accessoire geben kann.
Werden deine Fashion Pieces auch bald in Apotheken oder Modelabels erhältlich sein?
Das ist natürlich ein großer Traum von mir, konkret geplant ist aber noch nichts. Mode mit Funktion gehört sichtbar gemacht – auch im Mainstream.
In welchen Ländern sind deine Produkte schon erhältlich?
Tatsächlich weltweit: Aus den USA, Kanada, Europa und sogar aus Mexiko kommen Bestellungen herein. Es ist verrückt, wie global das Interesse ist. Ich versuche, in so viele Länder wie möglich zu liefern.
Was sind deine nächsten Projekte?
In Zukunft möchte ich meine Marke weiter ausbauen und zeigen, dass funktionale Accessoires auch stilvoll und relevant für den Mainstream sein können. Es ist ein spannender Weg und hoffentlich kann ich schon bald auch öffentlich erste Ergebnisse zeigen.