Leben
Interview

Walters bunte Welt: Ein Instagram-Account ohne Hass

Um den Überblick über all seine Hobbys zu behalten, legt Walter Excel-Tabellen an.
Um den Überblick über all seine Hobbys zu behalten, legt Walter Excel-Tabellen an.Bild: privat / waltersbuntewelt
Interview

Walters bunte Welt: Dieser Rentner zeigt, dass Instagram ohne Hass funktionieren kann

Hast du auf Instagram schon mal einen Account gesehen, der weit über 100.000 Follower:innen hat – und keinen einzigen Hater? Nein? Dann kennst du "waltersbuntewelt" vermutlich noch nicht. Wir haben ihn im Interview gefragt, warum sich bei ihm alle benehmen und wie er so schnell erfolgreich wurde.
28.09.2025, 13:0228.09.2025, 13:02

Wer aus einem schlechten Tag einen noch schlechteren machen möchte, kann sich in den Kommentarspalten bekannter Social-Media-Apps herumtreiben. Überall wird gestritten, aus banalen Themen werden Grundsatzdiskussionen und wer Pech hat, wird beleidigt. Niemand ist davor sicher – außer Walter.

Der 67-jährige Rentner aus Leverkusen zeigt seine Whisky-Sammlung, spricht über Brettspiele, besichtigt Burgen oder besucht Sportveranstaltungen. Und die Kommentare? Die sind so höflich, dass jedem Gen-Z-Feind die Kinnlade herunterklappt.

Die Menschen fragen nach Tipps zu Gesellschaftsspielen, loben Walter und äußern sogar, dass sie ihn gern als Opa hätten. Wie macht er das nur? Im Interview mit watson verrät er, wie sein gleichaltriges Umfeld auf seine Influencer-Tätigkeiten reagiert und warum es ihn manchmal traurig macht, wenn fremde Menschen Teil seiner Familie werden wollen.

watson: Wie bist du auf die Idee gekommen, bei Instagram durchzustarten?

Walter: Bin ich selbst gar nicht! Ich bin letztes Jahr mit 66 automatisch, aber eher unfreiwillig, in Rente gegangen. Ich hatte tolle Kolleg:innen, die mich rührend verabschiedet haben, das ist mir sehr schwergefallen. Zumal ich dort immer sehr kommunikativ war – auch hinsichtlich meiner vielen Hobbys. Meine Tochter kam dann abends zu uns und hat Bedenken angemeldet, dass ich jetzt in ein Loch fallen könnte, weil diese Kommunikationsplattform nun nicht mehr da wäre. Dann hat sie mir Instagram mal genauer gezeigt, weil ich dort alles, was mich interessiert, mit vielen Menschen teilen kann.

Also warst du vorher nicht bei Instagram aktiv?

Nein, ich mache kaum etwas am Handy und gehe dort auch so gut wie gar nicht ins Internet, der Bildschirm ist mir auch zu klein. Ich habe ein Problem mit dem Auge und mit den kleinen Buchstaben wird das einfach nichts. Das erledige ich alles am Computer. Ich lese die Kommentare unter meinen Videos und beantworte häufig auch Fragen, manchmal gucke ich mir auch das Profil der Leute an.

"Ich bin kein Rentner, der sich Hobbys suchen muss, um sich zu beschäftigen."

Wie ging es dann weiter?

Meine Tochter hat mir das erklärt, am nächsten Tag haben wir uns getroffen und ich war im Garten und habe Spiele, Bücher und Whisky gezeigt. Den Namen hat sie auch vorgeschlagen, "Walters bunte Welt", wie nett, da sind zwei Ws drin.

Wie kommst du auf deine Themen?

Die Themen sind alle schon da, ich hätte den Account schon vor 20 Jahren gründen können. Ich bin kein Rentner, der sich Hobbys suchen muss, um sich zu beschäftigen. Ich höre gern Musik und habe eine große Sammlung, die ich gern zeige. Ich lese gern und besitze weit über 1000 Bücher. Ich liebe Reisen in die Alpen und in den Norden und sehe mir gern Burgen an. Meine Frau und ich sind in der Deutschen Burgenvereinigung Mitglieder. Sie ist da bei allem zu 100 Prozent dabei. Ich dokumentiere alles in Excel-Tabellen, damit ich den Überblick behalte. Für Whisky und Flaggen interessiere ich mich ebenfalls und ich habe einen eigenen Fahnenmast. Im Garten arbeite ich auch gern.

Und zwischen all den Hobbys findest du noch Zeit für den Videoschnitt?

Nein, das macht meine Tochter. Die hat einfach ein Händchen dafür und ein gutes Auge, sie kriegt das toll hin.

Wann kam der Durchbruch?

Schwer zu sagen, weil ich am Anfang gar nicht wusste, wo Erfolg losgeht. Das hat direkt begonnen mit 1000 Follower:innen. Dann ging es steil nach oben. Ich habe dann meine Tochter immer gefragt, ob das viel ist. Jetzt bin ich bei über 127.000, sie meinte, das ist viel, deswegen glaube ich das mal.

Was ist dein Erfolgsrezept?

Eigentlich kann ich die Frage gar nicht beantworten. Vielleicht sind es die vielen Hobbys, die häufig auch Schnittmengen aufweisen. Dadurch ist für jeden etwas dabei und die Menge der Interessen scheint eine Art Vorbildcharakter zu haben. Ich denke auch, dass der Account einen Wiedererkennungswert hat. Ich sage am Anfang und am Ende immer das Gleiche und die Menschen erkennen mich an meinen Augenbrauen und meiner Stimme.

Wie reagieren gleichaltrige Freunde darauf?

Natürlich habe ich letztes Jahr dadurch eine gewisse Sonderrolle im Freundeskreis eingenommen. Ich muss aber aufpassen, dass nicht zu viel über mich gesprochen wird, manchmal muss man mich auch bremsen.

Hast du die klassischen Influencer-Vorteile? Bekommst du Geld, wenn du Produkte in die Kamera hältst?

Nein. Als die ersten Werbeanfragen kamen, habe ich mich mit dem Thema beschäftigt. Aber dann müsste ich ein Gewerbe anmelden und zusätzlich Steuern zahlen, alles viel zu kompliziert. Darauf hatte ich keine Lust. Außerdem waren auch Firmen dabei, hinter denen ich nicht stehe. Da wäre ich nicht mehr authentisch. Alle Dinge, die in meinen Reels auftauchen, sind Dinge, die ich einfach mag.

"Wenn die Leute nicht nett wären, würde ich Instagram womöglich sein lassen."

Wollen schon Menschen Fotos mit dir machen?

Im April letzten Jahres haben wir mit dem Account richtig angefangen und im Mai hat mich im Urlaub schon eine Frau ganz aufgeregt nach einem Foto gefragt. Das ist ganz lustig und passiert immer wieder.

Was sagt deine Frau dazu?

Sie filmt mich, wenn wir im Urlaub sind, manchmal nervt sie das aber auch. Zum Beispiel, wenn ich abends zu lange am PC sitze und Nachrichten beantworte. Instagram konkurriert schon mit den anderen Hobbys.

Einige schreiben, dass sie dich gern als Opa hätten. Findest du das nett oder eher übergriffig?

Das ist ein Kompliment, ein Opa ist für viele ja auch ein Vorbild. Einige schreiben mir auch, dass sie so werden wollen wie ich, wenn sie mal in Rente gehen. Aber wenn ich darüber nachdenke, macht es mich auch ein bisschen traurig. Das bedeutet ja, dass diese Leute nicht so einen Opa oder keine Familie haben, mit der sie viel machen können. Das ist schade, so was schweißt zusammen und ist wichtig.

Zu deinen Follower:innen gehören auch Prominente wie Klaas Heufer-Umlauf. Gibt es da jemanden, über den du dich besonders gefreut hast?

Bei vielen wusste ich erst gar nicht, wer das ist. Dass der eine von "Joko und Klaas" ist, habe ich erst später realisiert. Oft erklären mir auch meine Kinder, wer das überhaupt ist. Am meisten Resonanz kommt von Tom Böttcher, der likt immer alles und als ich 99.000 Follower:innen hatte, hat er von sich aus dafür gesorgt, dass ich die 100.000 voll bekomme.

Gibt es eine Botschaft, die du mit den Videos transportieren möchtest?

Ich will anregen, etwas zu machen. Hobbys, Ausflüge, so was in der Art, gern mit Freund:innen und der Familie, was eben auch Geld kostet, vor allem, wenn man viel sammelt. So will ich damit auch indirekt vermitteln, wie wichtig es ist, eine vernünftige Ausbildung zu machen und einen Beruf zu erlernen, damit man sich das leisten kann. Ich hatte Glück damit!

Wenn ich jetzt ein Bild von einem Brot hochladen würde, könnte ich damit zehn Grundsatzdiskussionen auslösen und irgendein Hanswurst würde mir vielleicht wünschen, ich wäre nie geboren worden. Warum sehen deine Kommentarspalten anders aus?

Ich weiß nicht, warum zu mir alle so nett sind. Manchmal kommen mahnende Kommentare, wenn ich wieder mal Alkohol trinke. Ab und zu wird auch mein Fußball-Verein etwas angefeindet, was mir aber nicht persönlich angekreidet wird. Und wenn ich die Wiese mähe, wird mir geraten, ich soll doch mehr für die Bienen stehen lassen. Aber wirklich Böses gab es zum Glück noch nie. Ich bin ein eher sensibler Mensch. Wenn die Leute nicht nett wären, würde ich Instagram womöglich sein lassen.

Supermarkt: Netto verkauft extrem günstigen Wein – der Hintergrund ist ernst
Netto bietet zurzeit einen Rotwein zu einem erschreckend niedrigen Preis an. Manche Kund:innen werden sich darüber womöglich freuen, aber die deutsche Wein-Branche steckt in einer handfesten Krise.
Vor rund einem Monat erregte die Zukunftsinitiative Deutscher Weinbau große Aufmerksamkeit mit einem recht ungewöhnlichen Aufruf. Der Zusammenschluss deutscher Winzer:innen rief nämlich auf, jedes Jahr eine Flasche deutschen Wein mehr pro Kopf zu trinken – und zwar anstelle einer Flasche importierten Weins.
Zur Story