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Hitzewelle: Ab wann gibt es hitzefrei im Job?

In einigen Jobs ist Arbeitskleidung Vorschrift. Doch oft gibt es einen gewissen Spielraum, besonders wenn die Thermometer-Anzeigen in die Höhe klettern.
In einigen Jobs ist Arbeitskleidung Vorschrift. Doch oft gibt es einen gewissen Spielraum, besonders wenn die Thermometer-Anzeigen in die Höhe klettern. Bild: iStock / Getty Images Plus / DragonImages
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Arbeiten in der Hitzewelle: Ab welcher Temperatur gibt es hitzefrei im Job? Eine Juristin klärt auf

20.07.2022, 06:48
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Eine Hitzewelle rollt auf uns zu: Bis zu 40 Grad Celsius kündigen die Meteorologen des Deutschen Wetterdienest (DWD) für einige Regionen in dieser Woche an. Besonders der Südwesten wird, passend zur Ferienzeit, zum heißen Pflaster.

Wer sich bei diesen Temperaturen morgens aber leider nicht auf den Weg zum Strand, sondern zur Arbeitsstätte macht, dem stellt sich wohl spätestens gegen Mittag – transpirierend und dem Wahnsinn nahe – die Frage: Gibt es eigentlich auch für Erwachsene hitzefrei im Job?!

Und wenn nicht: Darf ich wenigstens im Tank-Top erscheinen und meine Füße unterm Schreibtisch in Eiswasser tauchen? Watson fragte bei Kaja Keller nach, sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht (Gansel Rechtsanwälte) in Berlin. Sie sagt:

"Grundsätzlich wird man sagen können, dass erst ein Arbeiten ab 35 °C Innentemperatur ohne geeignete Maßnahmen zur Abkühlung unzumutbar ist und man als Arbeitnehmer:in 'hitzefrei' bekommen muss."

watson: Existiert auch im Arbeitsleben eine Form von "hitzefrei"?

Kaja Keller: Einen allgemeinen Anspruch auf "hitzefrei" gibt es in der Arbeitswelt nicht. Jeder Arbeitgeber hat aber seinen Beschäftigten gegenüber Fürsorgepflichten und muss dafür Sorge tragen, dass seine Arbeitnehmer:innen nicht gefährdet werden. Regelungen zum Arbeitsschutz gibt es beispielsweise im Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Arbeitsschutzgesetz oder der Arbeitsstättenverordnung. Die Hürden für ein "hitzefrei" sind nach diesen Vorschriften aber ausgesprochen hoch. Grundsätzlich wird man sagen können, dass erst ein Arbeiten ab 35 Grad Innentemperatur ohne geeignete Maßnahmen zur Abkühlung unzumutbar ist und man als Arbeitnehmer:in "hitzefrei" bekommen muss.

Welche Bedingungen sind dafür ausschlaggebend?

Je nach Luft- und Raumtemperatur müssen unterschiedliche Maßnahmen vom Arbeitgeber ergriffen werden. Maßgeblich ist immer die Innenraumtemperatur. Die gesetzlichen Regelungen unterscheiden zwischen folgenden Bedingungen: Nach der Arbeitsstättenverordnung sollte eine Lufttemperatur im Raum von 26 Grad Celsius nicht überschritten werden. Bei 26 Grad oder mehr: Arbeitgeber sollte erste Vorkehrungen treffen, um Gesundheitsbeeinträchtigungen zu vermeiden. Bei 30 Grad oder mehr: Es ist eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers und ein Ergreifen von Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich. Bei 35 Grad oder mehr: Ohne entsprechende Maßnahmen ist ein Raum nicht mehr als Arbeitsraum geeignet

Welche Optionen habe ich als Arbeitnehmer, wenn es mir an der Arbeitsstätte schon vorher zu heiß ist?

Zunächst ist allen Arbeitnehmer:innen geraten, das Gespräch mit den Vorgesetzen zu suchen. Häufig finden sich hier einvernehmliche Lösungen, die die Arbeitsbedingungen verbessern. Denn auch der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, die Produktivität im Betrieb aufrechtzuhalten und nicht zuletzt auch die gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Falls ein Betriebsrat vorhanden ist, wäre es auch ratsam, diesen einschalten. Denn der Betriebsrat hat beim Arbeitsschutz ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) und vertritt die Interessen der Arbeitnehmer:innen im Betrieb.

"Wird eine Wanne mit Wasser für ein Fußbad aufgestellt, könnten durch das Wasser empfindliche Geräte beschädigt oder beeinträchtigt werden, Kolleg:innen könnten ausrutschen."

Zu welchen "kühlenden" Maßnahmen ist der Arbeitgeber verpflichtet? Gibt es eine unzumutbare Temperatur an Arbeitsstätten, die festgelegt ist?

Bei einer Innentemperatur von über 26 Grad soll und von über 30 Grad muss der Arbeitgeber Maßnahmen treffen, um Gesundheitsgefahren einzudämmen. Mögliche Maßnahmen sind: Betrieb einer Klimaanlage oder zumindest Aufstellen eines Ventilators; morgendliches Durchlüften; Ausschenken von kühlen Getränken; Lockerung von Bekleidungsregeln und – falls möglich – Änderung der Arbeitszeiten nach vorne, um von kühleren Temperaturen zu profitieren. Wenn die Lufttemperatur im Raum von 35 Grad überschritten ist, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische oder organisatorische Maßnahmen oder persönliche Schutzausrüstungen, wie bei Hitzearbeit, nicht als Arbeitsraum geeignet.

Stromfresser Ventilator: Bevor man flugs einen aufstellt, sollte das Arbeitsumfeld einverstanden sein.
Stromfresser Ventilator: Bevor man flugs einen aufstellt, sollte das Arbeitsumfeld einverstanden sein. Bild: iStock / Getty Images Plus / M-Production

Darf ich mir als Arbeitnehmer selbst helfen, zum Beispiel einen Ventilator mitbringen und anschließen oder sogar die Füße in ein kaltes Fußbad stecken während der Arbeitszeit?

Auch hier gilt: Man sollte am besten das Gespräch mit dem Chef oder der Chefin und den Kolleg:innen suchen. Denn je nach der Art der Arbeit oder Arbeitsstätte sind unterschiedliche Aspekte, wie Sicherheit und Kosten, zu beachten. Wird zum Beispiel eine Wanne mit Wasser für ein Fußbad aufgestellt, könnten durch das Wasser empfindliche Geräte beschädigt oder beeinträchtigt werden, Kolleg:innen könnten ausrutschen oder stolpern. Nicht zuletzt könnte es zu Gefahren im Zusammenhang mit Stromquellen kommen. Bei der Aufstellung eines Ventilators sind auch die nicht unerheblichen Stromkosten zu beachten, die bei einem längeren Betrieb anfallen. Außerdem sollten auch Arbeitskolleg:innen vorher gefragt werden, wenn sie ebenfalls von den Kühlungsmaßnahmen betroffen sind.

Wie ist das mit Kleidung? Gibt es juristische Grenzen, wie sommerlich mein Outfit sein darf?

Rechtsprechung zu passender oder unpassender sommerlicher Kleidung am Arbeitsplatz gibt es bislang wenig. Ernste Konsequenzen dürften nur in sehr seltenen Fällen drohen. Dennoch ist Vorsicht geboten. In einigen Bereichen sind Arbeitnehmer:innen schon aus Arbeitsschutzgründen gesetzlich verpflichtet, Berufskleidung zu tragen. Dies gilt etwa für "Uniform-Berufe" mit Verletzungsgefahr wie Polizist:in, Soldat:in oder Feuerwehrleute, aber auch für Handwerksberufe und im Gesundheitswesen, wo es zu Kontakt mit kranken Menschen kommt. Auch kann sich eine solche Verpflichtung aus Tarifverträgen, aus Betriebsvereinbarungen oder einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag ergeben. Es gibt durchaus besondere Vorschriften für betriebliche Kleiderordnung bei Hitze. Der Arbeitgeber hat das Recht, den Mitarbeiter:innen angemessene Kleidung vorzuschreiben – auch bei Hitze, das sogenannte Direktionsrecht.

Hatten Sie schon mit Beschwerden zum Thema "Hitze am Arbeitsplatz" zu tun?

Das Thema "Hitze am Arbeitsplatz" wird in aller Regel direkt in den Betrieben geklärt und es kommt eher selten vor, dass Arbeitnehmer:innen diesbezüglich den Weg zum Anwaltsbüro suchen. Gerade vor dem Hintergrund von geänderten Unternehmensphilosophien – so wird zum Beispiel Arbeiten in sommerlichen Outfits heutzutage häufiger geduldet als früher – und dem Aufkommen von Homeoffice sollten juristische Auseinandersetzungen hier auch eine Seltenheit bleiben.

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