Leben
Interview

Tiktok-Influencerin Marlies Johanna räumt Vorurteile über Gentle Parenting ab

Gentle Parenting bedeutet nicht, eine "kindzentrierte" Erziehung umzusetzen.
Gentle Parenting bedeutet nicht, eine "kindzentrierte" Erziehung umzusetzen.Bild: privat / marliesjohanna
Interview

Tiktokerin Marlies Johanna: "Es gibt wenig Toleranz dafür, dass Kinder erst lernen müssen"

Junge Eltern kommen an ihr nicht vorbei: Marlies Johanna Heckner, eine der bekanntesten Momfluencerinnen Deutschlands, klärt mehr als 900.000 Follower:innen auf Tiktok mit ihren Tipps zu Gentle Parenting auf.
19.04.2025, 15:5219.04.2025, 15:52
Mehr «Leben»

Nicht nur Fans – auch jede Menge Kritiker:innen melden sich unter Marlies Johanna Heckners Postings zu Wort. Watson hat mit der 28-Jährigen über Erziehungsstile, Kinderfeindlichkeit und den Schutz im Internet gesprochen und auch geklärt, warum gerade ihr neues Buch als Elternratgeber für junge Familien noch gefehlt hat.

watson: Gentle Parenting wird von vielen gerne belächelt. Kann es wirklich passieren, dass der Erziehungsstil zu "verweichlichten" Menschen führt?

Marlies Johanna: Das kommt darauf an. Ich glaube nicht, dass Kinder "verweichlichen", allerdings sehe ich die Tendenz, dass viele Eltern eine gewaltfreie Erziehung mit gar keinen oder kaum Grenzen gleichsetzen. Wenn Kinder gar nicht von ihren Eltern angeleitet werden, könnten sie Schwierigkeiten damit haben, im erwachsenen Leben zurechtzukommen. Wenn Familien das Familienleben komplett auf das Kind ausrichten, es von jeglichem Frust fernhalten und dem Kind auch nicht Verantwortung beibringen, empfinde ich es als problematisch. Das überfordert nicht nur die Kinder, auch die Eltern brennen irgendwann aus.

Gentle Parenting
Das ist ein Erziehungsstil, der auf Verständnis, Empathie und Respekt basiert. Es legt Wert auf eine altersgerechte Entwicklung und eine gesunde Beziehung zwischen Eltern und Kindern.

Wurdest du selbst so erzogen?

Ja, meine Eltern haben mich komplett gewaltfrei erzogen. Allerdings ist das immer eine Frage von Privilegien, inwiefern sich Eltern überhaupt mit der Erziehung auseinandersetzen können. Viele Erwachsene, die heutzutage Eltern werden, haben jetzt erst das Privileg, sich mit Erziehung auseinanderzusetzen, weil ihre Eltern ihnen zum Beispiel finanziell den Weg geebnet haben.

Was bedeutet Gentle Parenting für dich?

Es geht um eine empathische und authentische Erziehung. Die "richtigen" Worte, sind nicht so wichtig, sondern vor allem die innere Haltung, gewaltfrei mit seinem Kind umzugehen. Es bringt nichts, die "richtigen" Sätze zu sagen, wenn man innerlich vor Wut kocht. Das verunsichert Kinder nur. Es ist gruselig, was für Videos dazu im Internet kursieren.

"Viele schreiben mir, dass sie mich anfangs scheiße fanden, dann aber doch mit meinem Input etwas zum Besseren in ihrer Familie verändert haben."

Wie meinst du das?

Eltern, die ihre Wut unterdrücken, machen nur sich selbst was vor. Kinder merken, dass etwas nicht stimmt. Wenn ich wütend bin, nehme mir eine Auszeit. Es ist nicht gesund, das komplette Leben nach den Wünschen der Kinder auszurichten. Es ist wichtig, das Wohl der Familie insgesamt zu sehen. Nicht nur oberflächlich, sondern ganzheitlich. Wenn für die Familie gekocht werden muss, wird jetzt gekocht. Auch, wenn ein Kind das blöd findet und lieber spielen würde.

Wie kam es dazu, dass du mit Social Media begonnen hast?

Ich habe mein Kind kurz nach Pandemiebeginn bekommen. Noch im Wochenbett kam der erste Lockdown. Ich habe mich ziemlich alleine und überfordert gefühlt. Social Media hat mir da geholfen. Das war das erste Mal, dass ich das Konzept von Influencern verstanden habe, weil davor habe ich Social Media eigentlich nie benutzt. Ich habe zum Beispiel bei einer anderen Influencerin, Carina Thiemann, "welt von unten", eine Geschichte gelesen, in der die Perspektive vom Kind im Alltag beleuchtet wurde. Ich wollte mit meinem Account auch anderen Eltern helfen.

Wie schaffst du es im Alltag trotz Wut, deinen Erziehungsstil durchzuziehen?

Wut ist nur eine subjektive Bewertung von der Situation und ich versuche einfach, wenn ich wütend bin, erst gar nichts zu sagen. Ich stelle mir die Wut wie Wind vor, der jetzt einmal kurz durch mich fegt. Das holt mich aus dem Gedankenkarussell ab.

Hast du da ein Beispiel?

Ich versuche nicht mehr aus Wut zu handeln, sondern warte erst mal ab. Eines unserer Kinder hatte einen Wutanfall und alle Bücher aus dem Regal gerissen. Ich habe das zu spät bemerkt und dann erst mal nichts mehr dazu gesagt. Früher hätte ich in der Situation gesagt, sie soll es aufräumen. Heute nicht mehr, dadurch bin ich viel gelassener und diese Art von Problem läuft nicht davon. Sie hat die Bücher später wieder aufgeräumt, nachdem die Emotionen abgekühlt waren.

"Das Problem ist, dass wir keine Toleranz dafür haben, dass Kinder lernen müssen."

Zu Beginn deiner Tiktok-Karriere gab es heftigen Gegenwind. Wie bist du mit der Kritik umgegangen?

Nicht jede Kritik ist schlecht, sondern sie hat dazu beigetragen, dass ich mich weiterentwickeln konnte. Die negativen Kommentare wurden mit der Zeit auch immer weniger und viele schreiben mir, dass sie mich anfangs scheiße fanden, dann aber doch mit meinem Input etwas zum Besseren in ihrer Familie verändert haben.

Du zeigst die Gesichter deiner Kinder nicht online, viele Eltern tun das aber. Verurteilst du das?

Ich finde es viel problematischer, den Namen und das Geburtsdatum des Kindes ins Internet zu stellen, als das Gesicht zu zeigen. Das machen auch viele, die sich für den Kinderschutz im Netz einsetzen. Das Thema ist auch feministisch: Oft werden Mütter kritisiert, während Väter, die das Gleiche tun, nicht negativ beachtet werden. Viele Familien, die ihre Kinder zeigen, kommen aus sozioökonomisch schwächeren Schichten, hätten ohne Lifestyle-Content nie den sozialen Aufstieg geschafft. Ich frage mich eher, warum die Politik nicht endlich klare Gesetze schafft. Es müsste mehr Aufklärung vonseiten des Staates stattfinden, was überhaupt Internet und Schutz der Kinder und vor allem Schutz der Privatsphäre bedeutet.

Was hast du denn früher über Erziehung gedacht, bevor du Mama wurdest?

Ich dachte, dass ich das alles einfach so irgendwie kann. Das war ein totaler Irrglaube und das hängt auch damit zusammen, dass wir Kinder immer mehr von der Gesellschaft isolieren. Es wäre zum Beispiel gut, wenn wir in der Schule schon fördern würden, dass ältere Kinder mit jüngeren Kindern interagieren.

Hat Deutschland ein Problem mit Kindern?

Das Problem ist, dass wir keine Toleranz dafür haben, dass Kinder lernen müssen. Wenn zum Beispiel ein Kind im Restaurant einmal kreischt, wird gleich davon ausgegangen, dass das Kind unerzogen sei. Dabei ist das nur ein Learning – für die Eltern und das Kind. Kindliches Verhalten wird im öffentlichen Raum nicht gerne gesehen. Eltern werden dadurch isoliert und Elternschaft immer "kindzentrierter".

Wie siehst du das in anderen Ländern?

Ich bin Halb-Portugiesin und in Portugal ist das auf jeden Fall anders. Da sind Kinder überall willkommen und hier finde ich schon, dass die Menschen von den Kindern zum Teil erwarten, dass sie still und brav sind.

Das neue Buch "Vorbildlich unperfekt: Eltern sein mit mehr Selbstvertrauen und Zuversicht" von Marlies Johanna Heckner erscheint am 18. September 2025.
Das neue Buch "Vorbildlich unperfekt: Eltern sein mit mehr Selbstvertrauen und Zuversicht" von Marlies Johanna Heckner erscheint am 18. September 2025.

Warum brauchen Eltern noch dein Buch unter tausend anderen Ratgebern?

In dem Buch stehen Sachen drin, die in den anderen Ratgebern nicht stehen. Das kann ich so ganz sicher sagen, weil ich die meisten selbst gelesen habe. Das Buch ist ein Ratgeber, der nicht bevormunden soll. Es ist wie ein Buffet, jeder kann sich nehmen, was er will oder eben braucht.

Erdbeeren selbst pflücken: So entgehst du einer Geldstrafe
Erdbeeren selbst zu pflücken liegt im Trend und ist nicht nur super für die Geldbörse, sondern kann auch eine süße Date-Idee oder ein toller Ausflug sein. Was aber dabei beachtet werden muss, liest du hier.

Egal ob als spontaner Familienausflug, entspannte Wochenend-Trip oder um den Vorrat für die nächste Marmeladen-Session aufzustocken: Erdbeeren selbst zu pflücken macht einfach Spaß. Und das Beste: Auf vielen Feldern darf man sich im Frühling und Sommer die süßen Früchte direkt vom Strauch holen und das oft sogar deutlich günstiger als im Supermarkt.

Zur Story