
Die österreichische Autorin und Comedienne Julia Brandner lebt in Berlin. Bild: Privat / Andrea Funk
Interview
06.03.2025, 17:0706.03.2025, 17:07
"Theoretisch habe ich gar nichts gegen Kinder. Ich habe auch nichts gegen Schlagermusik, solange sie nicht in meiner Wohnung stattfindet."
Das ist mal ein starker Einstieg in unser Gespräch.
Julia Brandner ist österreichische Stand-up-Comedienne und Autorin. Sie ist 29, lebt aktuell in Berlin und vor einem Jahr hat sie sich sterilisieren lassen. Jetzt hat sie ihr Buch "I'm not kidding" (Komplett Media) darüber geschrieben, warum sie keine Lust auf Kinder hat – und sich dafür auch nicht entschuldigen will.
watson: Was hast du eigentlich gegen Kinder, Julia?
Julia Brandner: Manchmal habe ich sogar Momente, in denen ich Kinder sehe und denke: Irgendwie sind sie ja ganz lustig. Aber wenn ich daran denke, selbst eins zu haben, schnürt sich bei mir alles zusammen. Dann kriege ich Beklemmungszustände.
Was genau gefällt dir an dem Gedanken nicht?
Ich finde, Kinder sind meist zu laut. Das ist einfach eine Reizüberflutung für mich, wenn sie um mich sind. Ich weiß nicht ganz, wie ich mit ihnen umgehen soll. Aber das ist weniger das Problem der Kinder, sondern meins.
Was genau passiert bei einer Sterilisation?
Die Sterilisation gilt als sicherste Verhütungsmethode für die Frau. Julia Brandner hat sich ihre Eileiter ganz entfernen lassen. Man kann sie aber auch durchtrennen, veröden oder mit einem Klipp abtrennen. Eierstöcke und Gebärmutter bleiben bei einer Sterilisation erhalten. Der Eingriff kostet zwischen 500 und 1000 Euro. In Deutschland haben sich 1,5 Millionen Frauen sterilisieren lassen.
Siehst du irgendwelche Argumente für Kinder?
Ich glaube schon, dass dir ein Kind sehr viel geben kann. Aber für mich persönlich funktioniert das halt nicht.
Du bist einen radikalen Schritt gegangen mit deiner Sterilisation. Wann hast du zum ersten Mal darüber nachgedacht?
Mit 22.
Das ist früh.
Das stimmt. Aber man ist ja mit 22 auch nicht zu jung, um sich für ein Kind zu entscheiden.
Es gibt andere sichere Verhütungsmethoden, die weniger radikal gewesen wären. Warum hast du dich für die Sterilisation entschieden?
Die Kupferspirale habe ich nicht vertragen. Und mich hat der Gedanke, schwanger werden zu können, richtig gestresst. Das wollte ich mir nicht mehr geben. Die Sterilisation hat meinem Leben so viel Entspannung gebracht.
"Es gibt mehr Frauen, die ihre Ehe bereuen als ihre Sterilisation. Aber da werden immer nur Glückwünsche ausgesprochen."
Was waren die größten Hürden?
Die Sprechstundenhilfe wollte mir erklären, dass ich zu jung für eine Sterilisation sei. Dabei gibt es in Österreich keinen gesetzlichen Passus, dass man sich unter 30 nicht sterilisieren lassen darf. Meine Ärztin ist damit glücklicherweise etwas anders umgegangen. Sie hat allerdings auch auf ein psychiatrisches Gutachten bestanden.
Wofür?
Das brauchte sie, um selbst abgesichert zu sein. Das verstehe ich irgendwie, aber es ist natürlich bevormundend. Warum kann man junge Frauen nicht selbst über ihren Körper entscheiden lassen? Du kannst so vieles anderes auch bereuen. Das ist dann etwas, womit du als erwachsener Mensch umgehen musst. Ich glaube, es gibt mehr Frauen, die ihre Ehe bereuen als ihre Sterilisation. Aber da werden immer nur Glückwünsche ausgesprochen.
Gibt es etwas, was du gerne vor deiner Sterilisation gewusst hättest?
Dass mich Männer deshalb so anpissen, dass ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich überhaupt jemals wieder mit einem schlafen kann. Dann hätte ich mir das Geld auch sparen können.

Das ist das neue Buch von Julia Brandner (VÖ: 6. März 2025)Bild: Privat / Komplett Media
Wie hat sich dein Leben seit der Sterilisation verändert?
Eigentlich gar nicht. Ich hatte vorher keine Kinder und jetzt auch nicht. Und ich will auch immer noch keine. Ich bin nur vielleicht ein bisschen entspannter geworden im Umgang mit ihnen. Denn die Angst, dass Kinder meine Lebensrealität werden könnten, ist weg.
Hast du besseren Sex, seit du sterilisiert bist?
Ich habe entspannteren Sex, seit ich sterilisiert bin. Und damit wahrscheinlich oft auch besseren. Auch hier, weil die Sorge wegfällt, ich könnte schwanger werden. Auch wenn man alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, kann immer was schiefgehen. Ein Kondom kann reißen, die Pille kann versagen. Und ich habe sogar zwei Freundinnen, die trotz Spirale schwanger geworden sind.
Wie sehr nervt dich die Frage, warum du keine Kinder hast?
Inzwischen weniger. Leuten, die mich fragen, warum ich keine Kinder habe, kann ich jetzt sagen: Ich kann keine Kinder bekommen.
Du hast mehrere Freundinnen, die Kinder haben. Wie funktioniert Freundschaft zwischen kinderlosen Frauen und Müttern?
Jedes Mal, wenn eine Freundin schwanger ist, denke ich: Wir haben sie verloren!
So schlimm?
Man braucht einfach sehr viel gegenseitiges Verständnis, aber es kann funktionieren: Ich muss sehr viel Verständnis dafür aufbringen, dass meine Freundinnen mit Kind weniger Zeit haben und häufiger absagen, weil das Kind wieder krank ist oder zahnt. Andersrum brauche ich von ihnen Verständnis dafür, dass ich kein Kind habe und nicht nur über Windeln sprechen möchte.
Du hast schon vor der Buchveröffentlichung für Diskussionen gesorgt. Hast du damit gerechnet?
Mich überrascht schon, dass meine Sterilisation ein Thema ist, das für so viel Aufsehen sorgt. Es ist eine private Angelegenheit und sollte wirklich keinen random Jürgen auf Instagram interessieren, ob ich Kinder kriege oder nicht. Es betrifft ihn ja nicht, der Vater wäre er auf keinen Fall. So viel ist klar.
Regst du dich mehr auf über Männer oder Frauen, die dich kritisieren?
Ich finde beides schlimm. Bei Frauen denke ich: Du scheiß Verräterin! Wie kann man sich als Frau gegen das eigene Geschlecht stellen? Ich weiß nicht, warum manche Frauen sich bedroht fühlen, wenn andere Frauen eine Entscheidung treffen. Bei Männern frage ich mich, warum jemand sich in etwas einmischt, wovon er keine Ahnung hat.
Es gibt allerlei Klischees über kinderlose Frauen.
Sie sind alle besoffen, haben alle Katzen …
Welches regt dich am meisten auf?
Katzen finde ich super. Aber das Egoismus-Argument geht mir echt auf den Sack. Es wird immer so getan, als wären Eltern total selbstlos und Menschen ohne Kinder alle egoistisch. Niemand, den ich kenne, hat ein Kind aus selbstlosen Gründen bekommen, um den Generationen-Vertrag aufrechtzuerhalten, sondern weil sie es wollten. Das ist auch egoistisch – und trotzdem der einzige Grund, warum man es tun sollte.
Prallt sowas an dir ab?
Was mich erschreckt, ist das Weltbild, was dahintersteht: Manche denken wirklich, eine Frau ist für nichts anderes gut als Kinder in die Welt zu setzen und sich um den Mann zu kümmern.
Manche sehen in dir eine Männerhasserin.
Das höre ich immer wieder. Weil ich die gleichen Dinge über Männer sage wie viele Männer über Frauen. Bei denen ist das natürlich nur ein Spaß und nicht ernst gemeint. Aber ich bin dann gleich eine Männerhasserin.
Sterilisierte Frauen finden viele problematisch, aber hingegen toll, wenn Männer eine Vasektomie durchführen lassen. Warum?
Ich finde, ein Mann mit Vasektomie ist eine totale Green Flag. Männer können dafür ruhig abgefeiert werden. Aber bei Frauen sollte das dann bitte genauso gemacht werden.
Viele Männer fürchten, sich nach einer Vasektomie weniger männlich zu fühlen. Fühlst du dich seit der Sterilisation weniger weiblich?
Ich habe keine Hodensäcke entwickelt und auch keinen Bart oder mehr Brusthaare bekommen durch die Sterilisation. Ich habe übrigens auch nicht angefangen, Frauen ihren Job zu erklären, obwohl ich keine Ahnung davon habe. Ich kann also wirklich nicht sagen, dass ich männlicher oder weniger weiblich geworden bin seit der Sterilisation. Vielleicht sollten manche Männer ihr Konzept von Männlichkeit neu denken. Wenn deine Männlichkeit vor allem darauf beruht, dass du ein paar Samenzellen rausflutschen kannst, dann hast du ganz andere Probleme.