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Sexistische Scheiße

Hate Speech im Netz: Beispiele für sexistische Kommentare von Männern

Böse Kommenare
Immer wieder empören sich Menschen über meine Kolumne "Sexistische Scheiße".Bild: KI / chatgpt
Sexistische Scheiße

Bitte einfach mal zuhören, Männer! Die schlimmsten Kommentare, die ich 2024 bekommen habe

30.12.2024, 07:47
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Mit am schönsten am Schreiben dieser Kolumne finde ich ja immer, wenn ich merke, dass ich in Leser:innen etwas auslöse. Manchmal erzählen sie auf Social Media von eigenen, ganz ähnlichen Erlebnissen, manchmal bedanken sie sich. Und manchmal läuft es anders und ich bekomme die Verärgerung ganz ungefiltert ab.

Es gab 2024 einige wütende Reaktionen auf meine "Sexistische Scheiße". Deshalb soll dieser Text ein Worst-of der Kommentare sein.

Ich bin mir bewusst darüber, dass ich mit meinen Kolumnen Texte schreibe, die nicht allen gefallen. Und das ist okay. Dass Menschen meine Texte lesen und darauf reagieren, finde ich erst mal gut – völlig egal, ob positiv oder negativ. Wäre es anders, könnte ich mir das Schreiben sparen.

Aber manche der Kommentare haben mich dann doch so getroffen, geärgert oder amüsiert (je nach Stimmungslage), dass ich sie teilen will: Das Schöne am Journalismus ist ja, dass man selbst aus der schlimmsten Kacksituation noch etwas Positives machen kann – indem man einen Text darüber schreibt. In dem können andere sich wiedererkennen und vielleicht sogar Erkenntnisse daraus ziehen. Daher: Here we go!

Über "Sexistische Scheiße"
Ronja Brier schreibt in dieser Kolumne über Alltags-Sexismus, den wir alle kennen, selbst erfahren oder in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Der trotzdem oft genug kleingeredet wird oder über den hinweggesehen wird. Unsere stellvertretende Chefredakteurin hat genug davon! In ihren Texten will sie informieren, widersprechen oder sich einfach mal über sexistische Scheiße auslassen.

Die meisten negativen Kommentare lassen sich bestimmten Kategorien zuordnen. Ich erkenne immer wieder die folgenden vier:

Komplettes Desinteresse

"Wen soll das eigentlich jucken?"
Kommentar zu meiner Kolumne über Stefan Raab

Es ist völlig okay, wenn meine Kolumne nicht alle Menschen abholt. Es geht oftmals um persönliche Eindrücke oder Meinungen. Für die muss sich nicht jede:r interessieren. Aber das Desinteresse ist auch nicht mein Problem. Was ich nicht verstehe, ist: Jemand beschwert sich darüber, dass ein Artikel niemanden interessiert – verwendet aber doch so viel Lebenszeit und Mühe darauf, das eigene Desinteresse in einem Kommentar auf Social Media öffentlich zu bekunden.

Ist das nicht paradox? Einfacher (und mir lieber) wäre es dann doch, die Kolumne einfach zu ignorieren.

Desinteresse
Meine Kolumne muss nicht jede:n interessieren.Bild: Pexels / kindelmedia

Beschimpfungen

"Ok, $lut"
Kommentar zu einem Text über Slutshaming

Wow. Wie weit kann ein Kommentar von differenzierten Meinung entfernt sein? Ein paar Argumente wären dann doch ganz gut gewesen. Dann entsteht ja vielleicht sogar sowas wie ein konstruktiver Dialog.

Mansplaining

"Sie sind ja noch jung, ihre Einstellung kann sich ja noch ändern."
Kommentar zu meiner Kolumne zur Kinderfrage

Ich liebe es, wenn Männer mir (ungefragt) die Welt erklären! Mansplaining ist wohl der Kommentar-Typus, der als Reaktion auf "Sexistische Scheiße" am häufigsten vorkommt: die bevormundende Äußerung eines Mannes, der meine Erfahrungen komplett ignoriert. Der es besser weiß und mir erklärt, wie es wirklich ist. (Und der natürlich Teil des Problems ist.)

Whataboutism

"Das sind echte Sorgen. Wow!"
Kommentar zu meiner Kolumne über Stefan Raab

Whataboutism nervt; also einem Thema seine Daseinsberechtigung abzusprechen, weil es ganz sicher etwas anderes gibt, was wichtiger ist. Haben wir denn sonst keine Probleme? Doch. Haben wir. Aber wenn ich über sexistische Sprüche von Stefan Raab nicht schreibe, weil Leser:innen die Gender-Pay-Gap, Femizide oder den Krieg in Nahost wichtiger finden, läuft ja auch was schief. Am besten schreibt man natürlich über alles. Aber in unterschiedlichen Texten.

Negative Kommentare kommen fast immer von Männern

Auffällig ist, dass es nicht in allen, aber in den allermeisten Fällen Männer sind, die auf diese Weise meine Sexismus-Kolumne kommentieren. Louisa Dellert spricht in Instagram-Videos regelmäßig über Alltagssexismus: zum Beispiel über Reaktionen auf die schwangere US-Schauspielerin Margot Robbie, die ich hier nicht noch einmal wiedergeben will. "Ich finde es wichtig, noch mal festzuhalten, dass die meisten solcher Kommentare von Männern geschrieben werden", sagt auch sie.

Und sie erklärt auch gleich, warum wir derartige Bemerkungen nicht einfach ignorieren dürfen: "Ihr müsst daran denken, dass genau solche Kommentare sich in den Köpfen anderer Menschen verfestigen, verinnerlichen und man vielleicht das nächste Mal, wen man eine schwangere Frau sieht, genau diese Gedanken im Kopf hat." Das will sie verhindern. Deswegen weist sie darauf hin und erklärt, was schiefläuft.

Nun ist es so: Wenn Männer Fotos von Frauen sexistisch kommentieren, ist das das eine. Aber wenn sie – wie in meiner Kolumne – auf Sexismus aufmerksam gemacht werden, ihnen das Problem beschrieben wird und sie dann genau mit dem Verhalten reagieren, das kritisiert wurde, dann kommen wir echt kein Stück weiter.

Ich antworte immer gerne auf Kommentare auf Instagram, Linkedin oder Threads. Ich erkläre auch einzelnen Leuten, was ich meinte, wenn sie es beim Lesen des Textes nicht verstanden haben. Denn ich finde Debatte gut.

Aber ich komme nicht umhin, festzustellen, dass es Männer gibt, die das Thema gar nicht an sich heranlassen wollen. Egal wie oft man ihnen erklärt, was an ihrer Aussage problematisch ist, sie werden es nicht verstehen, weil sie es nicht verstehen wollen.

Ich profitiere auch von sexistischen Kommentaren

So ist es für mich auch eine Übung in Toleranz. In Geduld. Und auch in Selbstbeherrschung. Ich werde deshalb nicht so weit gehen, mich zu bedanken für all die dämlichen Kommentare aus 2024.

Aber es ist tatsächlich so, dass ich davon auch profitieren könnte. Das besagt jedenfalls eine Studie von 2022. Die führt aus, dass sexistische Kommentare Artikel von Frauen glaubwürdiger machen können. Die Erklärung dafür ist spannend.

Die Wissenschaftlerin Kim Maurus sagt: "Es kann sein, dass man Frauen, wenn sie sexistisch angefeindet werden, als glaubwürdiger erachtet, weil es für viele reichweitenstarke Frauen auch im Jahr 2022 ganz normal ist, im Internet beleidigt zu werden. Es ist denkbar, dass die Menschen Solidarität mit der Frau zeigen wollten, indem sie ihre Glaubwürdigkeit höher eingestuft haben." 417 Personen haben teilgenommen an der Online-Befragung (davon 53 Prozent Frauen).

Datenjournalismus-Forscher Dr. Mario Haim erklärt zudem: "Sexistische Kommentare lenken offenbar die Aufmerksamkeit, das beeinflusst Leute beim Lesen, die schauen da dann mal genauer hin und machen sich ein eigenes Bild."

Einfach mal zuhören, Männer!

Übrigens gibt es auch eine positive Beobachtung am Ende dieser Shitlist: Es gibt in meinen Kommentarspalten immer mehr Frauen, die sich einschalten, ihre Meinung und Erfahrung teilen und auf Kommentare reagieren – oft, noch bevor ich selbst dazu komme. Das zeigt mir:

Es gibt genug andere (Frauen), die die von mir beschriebenen Probleme kennen und ebenfalls genug davon haben.

Dazu passend noch ein Vorschlag. Vielleicht ein Vorsatz für 2025: Wie wäre es, uns Frauen öfter mal zuzuhören? Männer erklären mir leider viel zu häufig, ich solle Probleme nicht so ernst nehmen, mit denen sie selbst noch nie konfrontiert waren. Diese Bevormundung bei gleichzeitiger Ahnungslosigkeit zeigt sich leider in allen Kommentar-Typen. Stattdessen könnte man auch einfach (erst) mal die Klappe halten: über Kritik nachdenken, statt sie direkt abzuschmettern.

Und vielleicht kann man sich den nächsten sexistischen Kommentar dann einfach klemmen.

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