
Ähnlich verbissen wie der Mann auf dem Bild ist auch Stefan Raab.Bild: Chat GPT / KI
Sexistische Scheiße
30.09.2024, 08:1704.01.2025, 15:05
Stefan Raab hat sich schnell erholt von seiner Niederlage. Schon in der Pressekonferenz im Anschluss an den Boxkampf gegen Regina Halmich trat er etwas zu selbstzufrieden auf, wenn man bedenkt, dass er von der Box-Weltmeisterin "aufs Maul" bekommen hatte, wie er sagen würde.
Mir geht es anders. Ich habe mir den Kampf und auch die ersten Sendungen von "Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab" (kurz: "DGHNDMBSR") angesehen und bin noch nicht darüber hinweg. Das Comeback von Stefan Raab war ein Schlag in die Magengrube einer jeden Feministin. Und der hat gesessen.
Ich glaube: Die neue Show von Stefan Raab ist das Letzte, was wir im TV oder Streaming gebraucht haben. Denn was man darin vor allem sieht, ist ein weiterer Mann, der sich für den Geilsten hält.
Neue RTL-Show: "Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab"
Viele feiern das Comeback von Stefan Raab. Nach fast zehn Jahren ist der selbst ernannte "TV-Heiland" zurück und spielt den Retter einer ganzen Generation, die ohne gute Unterhaltung aufgewachsen sei.
Seit Mitte September läuft seine neue Show, die "erste Entertainment-Quiz-Competition-Show der Welt" bei RTL+. Das klingt gut, doch schnell fällt auf, dass seine Ankündigung Augenwischerei ist. An "DGHNDMBSR" ist nichts neu, es ist aus "Wer wird Millionär?", "TV total" und "Schlag den Raab" recycelt.
Über "Sexistische Scheiße"
Ronja Brier schreibt in dieser Kolumne über Alltags-Sexismus, den wir alle kennen, selbst erfahren oder in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Der trotzdem oft genug kleingeredet wird oder über den hinweggesehen wird. Unsere stellvertretende Chefredakteurin hat genug davon! In ihren Texten will sie informieren, widersprechen oder sich einfach mal über sexistische Scheiße auslassen.
Neu ist auch nicht: Raab ist und bleibt einer der größten Machos im deutschen Fernsehen. Er führt nicht nur im Ring einen merkwürdigen Kampf gegen Frauen.
Stefan Raab ist ein Alpha-Mann
Beim Boxkampf und auch bei "DGHNDMBSR" geht es um den Wettbewerb, es geht darum, sich zu beweisen. Er will zeigen: Er ist der Stärkste, Erfolgreichste – und der mit den meisten Muskeln. Die sollten dann auch alle sehen, als er vor dem Kampf seine Arme wie eine Superman-Karikatur in die Höhe riss.

Stefan Raab in ganz natürlicher Alpha-Pose. Bild: RTL / Willi Weber
Fast alles, was Raab tut, ist testosterongesteuert. Wahrscheinlich ist er auch deshalb so ein schlechter Verlierer. Als er in seiner neuen Show beim Reifenwechsel-Spiel von einem Kandidaten abgezogen wird, kann er kaum glauben, dass jemand wirklich besser ist als er ("Kann doch gar nicht sein!").
Es ging nie ums Boxen, sondern nur um Stefan Raab
Schon bei der Ausstrahlung des Boxkampfes ging es nicht ums Boxen. Sondern um ihn. Mit mehreren Einspielern wurden verschiedene Facetten von Raabs Karriere beleuchtet. Regina Halmich, zwölf Jahre ungeschlagene Weltmeisterin (1995 bis 2007), ist in der Show viel zu kurz gekommen. Es wäre fast untergegangen, dass es nach 17 Jahren auch ihr Comeback war. Zu ihrer Karriere hatte die Produktion keinen einzigen Einspieler vorbereitet.
Selbst nach seiner Niederlage nahm Raab Halmich nicht ernst. Bei "DGHNDMBSR" feierte er sich dafür, dass er nach dem Kampf fitter aussah als sie: Er zeigte ein Foto und fragte: "Wenn Sie den Kampf nicht gesehen hätten: Was hätten Sie gedacht, wer gewonnen hat?" Und: "Zum dritten Mal bin ich von den Kampfrichtern über den Tisch gezogen worden."
Was für ein Alpha-Mann Stefan Raab doch ist! Ich kann gar nicht sagen, wie unangenehm ich finde, dass Raab sich wirklich dafür feierte, dass er seiner Gegnerin all die Blessuren verpasst hat. (Statt sich zum Beispiel zu entschuldigen. Wäre ja auch eine Möglichkeit gewesen.)
"Ich nehme das Ganze nicht mehr ernst", kommentierte Halmich selbst Raabs Verhalten in Bild. Und damit reagierte sie lässiger, als Raab es je könnte.
Frauen sind für Stefan Raab Witzematerial
Raab lachte nicht nur über Regina Halmich, sondern auch über Natascha Ochsenknecht, weil sie sich nicht bedingungslos begeistert zeigte von Raabs trainiertem Body. Und er zeigte ein Video, in dem er die Ringrichterin des Kampfs fragt: "Aber Sie haben das schon mal gemacht, oder?" (Witze, die die Kompetenz von Frauen infrage stellen – so lustig.)

Ex-Praktikant Elton ist auch in der neuen Stefan-Raab-Show dabeibild: rtl
Ansonsten treten in der neuen Raab-Sendung fast nur Männer auf. Raabs ehemaliger Praktikant Elton moderiert die Wettbewerbe, Cornelius "Corni" Küpper ist Kommentator. Dann sind da noch die "Heavytones", Raabs achtköpfige männliche Live-Band. Dass selbst unter den fünf Kandidat:innen, die in Show Nummer eins gegen Raab antreten sollen, nur eine Frau dabei ist, rundet das Bild ab.
Frauen kommen bei Raab vor allem als Witze-Material vor. Da allerdings nicht zu knapp. Es bleibt der Eindruck: Stefan Raab benutzt sie. Er kämpft gegen sie. Aber er arbeitet nicht mit ihnen zusammen.
Stefan Raab hat sich nicht verändert – die Gesellschaft schon
Das Schlimme ist: Es war so erwartbar. Stefan Raab hat bis zu einem TV-Aus 2015 auch schon Programm gemacht mit Gags, die sexistisch, homophob oder rassistisch waren. Monatelang hat er beispielsweise anzügliche Gags über den Namen der damals 16-jährigen Lisa Loch gemacht. Das Mädchen wurde daraufhin in der Schule gemobbt und musste in psychotherapeutische Behandlung.
Was 2024 von ihm zu sehen war, zeigt: Er hat sich kaum verändert. Stefan Raab ist älter, aber immer noch genauso misogyn wie früher. Er beweist, dass Sexismus in unserer Gesellschaft immer noch akzeptiert wird.
Natürlich zeigt sich nicht nur an Raab, wie geschlechter-ungerecht Film und Fernsehehen in Deutschland sind. Comedienne Carolin Kebekus beschrieb schon 2017, als die Me-too-Debatte ihren Höhepunkt erreichte, im "Stern", dass sie im Job immer wieder erlebe, dass ein Mann "einen wirklich fiesen Spruch" bringe. "Und dann steht man als Frau daneben und macht ein lustiges Gesicht zu dem 'lustigen Spruch' und nimmt das hin, weil man keine Spaßbremse sein will.“
Dazu kommt das problematische Geschlechterverhältnis im deutschen TV. Für eine Studie hat die Universität Rostock fast 3000 Fernsehproduktionen untersucht und ein Verhältnis von 33 zu 67 Prozent festgestellt. Männer sind demnach doppelt so häufig in TV-Programm zu sehen wie Frauen.
Die Zahlen sind von 2016. Aktuellere Untersuchungen gibt es zu dem Thema nicht und das sagt auch einiges aus.
Mein Gefühl ist dennoch: Es hat sich was getan. Die Gesellschaft ist heute geschlechtergerechter, klüger, weiter als früher. Das, was vor 20 Jahren gut ankam – Humor, der nur nach unten tritt, sexistische Witze – kann man heute nicht mehr bringen. Dass ausgerechnet Raab, der allen anderen immer weit voraus war, sich nun kein Stück weiterentwickelt zu haben scheint, wirkt geradezu tragisch.
Mit den 90 Minuten Sendezeit von "DGHNDMBSR" hätte man so viel machen können. Etwas Modernes, wirklich Neues. Etwas, das weiblicher ist. Nach fast zehn Jahren, die Stefan Raab weg war, hätte er sich ganz neu erfinden können. Nein – müssen!
Stattdessen wirkt er wie ein alter weißer Mann, der die vergangenen Jahrzehnte verpasst hat und vor allem in einer Wettbewerbsdisziplin auftrumpfen kann: Rückständigkeit.