Wer Bäcker:in ist, für den beginnt der Tag meist dann, wenn der Großteil von uns noch tief und fest schlummert. Um 2 oder 3 Uhr morgens fangen die meisten Bäcker:innen an, Brot, Brötchen, Kuchen und Teilchen zu backen. Denn immerhin stehen die Kund:innen ab morgens früh Schlange, um sich ihr Frühstück, oder auch einen Snack für zwischendurch zu kaufen.
Da ist es wenig verwunderlich, dass der Bäcker-Beruf mit den entsprechenden Konditionen für viele direkt ausscheidet: Die Nacht zum Tag machen, am Wochenende arbeiten und nie Zeit haben, Freund:innen zu treffen? Das kommt für viele junge Menschen nicht infrage. Und das spiegelt sich auch im Fachkräftemangel wider: Noch im Jahr 2007 zählte das Bäcker-Handwerk 15.261 Auszubildende, 2021 waren es nur noch 4211.
Dieses Problem kannte auch der 31-jährige Till Gurka. Bereits seit er 13 Jahre alt war, träumte er davon, Bäcker zu werden. Er machte ein Schülerpraktikum und kurz darauf eine Lehre zum Bäcker. Doch die harten Arbeitsbedingungen machten ihm zu schaffen, seine Freund:innen sah er kaum noch. Gegenüber "Focus Online" sagte er:
Gurka kommt zu einem Schluss: So kann es nicht weitergehen, nicht für ihn. Seinen Traumberuf als Bäcker will er dennoch nicht aufgeben. Als die Corona-Pandemie 2020 beginnt, fängt an zu überlegen. Was könnte er anders machen, besser?
Gurka erfüllt sich seinen Kindheitstraum – und eröffnet seinen eigenen Laden in Freiburg, "Till und Brot" heißt er. Und hier läuft einiges anders: Die ersten Bäcker:innen stehen erst zwischen 6 und 7 Uhr morgens in der Backstube, da haben die Bäcker:innen anderer Betriebe ihre Schicht schon fast hinter sich gebracht.
Denn anders als viele andere Bäckereien öffnet "Till und Brot" nicht schon um 6 Uhr morgens, sondern erst um 11 Uhr vormittags. Dazu kommt: Sonntag und Montag hat der "Brotsommelier", wie Gurka sich selbst nennt, komplett geschlossen.
Obwohl viele am Anfang Zweifel an diesem unkonventionellen Konzept hegten, scheint sich das Umdenken zu bewähren: "Manchmal stehen die Leute sogar um die Ecke Schlange", berichtet er.
Aber "Till und Brot" hebt sich nicht nur durch seine unkonventionellen Öffnungszeiten von anderen Bäckereien ab, auch das Design und die Aufmachung des Ladens ist eine andere: Moderne Industrielampen hängen von holzvertäfelten Decken. Außerdem können Kund:innen die Bäcker:innen beim Backen gut sichtbar durch eine Plexiglasscheibe beobachten. Der Altersdurchschnitt seiner Mitarbeitenden? 26 Jahre.
Denn Gurka weiß, wie man junge Leute motiviert: "Für einen meiner Azubis war die Ausbildung am Anfang nur eine Pflicht, Arbeit eben. Da geht man hin, weil man Geld verdienen muss. Er hat sich aber schnell von unserer Begeisterung für den Beruf anstecken lassen, berichtet er weiter gegenüber "Focus Online".
So findet Gurka unter anderem, dass man die Leute mitnehmen und auch das Lob der Kund:innen an sie weitergeben müsse. "Jetzt zeigt mein Azubi häufig die neuesten Tiktok-Trends von neuen Brotsorten und ich sage dann: 'Hey, lass uns das ausprobieren.'"
Gurka legt wert auf eine gut ausgewählte Bandbreite an Produkten. So wird Nussbrot etwa nur dienstags verkauft, Croissants und Pain au Chocolat nur am Samstag, wo der Laden bereits um 8 Uhr morgens öffnet.
Zwar versteht Gurka, dass es auch jene Bäckereien geben müsse, die pünktlich zum Arbeitsbeginn Berufstätiger ihre Türen öffnen, aber seine Mission ist geglückt: Es geht auch anders. Und das funktioniert richtig gut. Anders als andere Betriebe erhält er nämlich so viele Bewerbungen, dass er die Leute gar nicht alle einstellen kann.