Liebe Ganz schön genervt!
Wie ich mit so etwas umgehe? Wie mit allem Negativen, was meine künstlerische Arbeit betrifft: gemischt. Von anderen abkupfern, das habe ich schon im ersten Semester an der Uni gelernt, ist streng verboten. Es ist nicht nur verpönt und moralisch verwerflich, es ist schlimmer als jugendlicher Ladendiebstahl und kann mitunter zum Ende der akademischen Laufbahn führen, wenn man erwischt wird.
Ich hole deshalb so weit aus, weil ich schon damals eines am Plagiatsvorwurf besonders paradox fand: Einerseits müssen wir semesterlang Texte anderer lesen, zusammenstückeln, paraphrasieren – und werden schlimmstenfalls von der Universität verwiesen, wenn wir am Ende vergessen, die richtigen Quellen für eine banale Aussage anzugeben.
Andererseits geben wir die Arbeit unter dem eigenen Namen ab, ohne – in den meisten Fällen zumindest – besonderen Mehrwert geleistet zu haben.
All die Theorie, die letztlich in der Arbeit enthalten ist, stammt von jemand anderes. Und die Lorbeeren landen trotzdem auf unserem ECTS-Konto.
Du hast gerade als Designerin bestimmt schon einmal einen Blick auf Instagram geworfen. Dort werden die immergleichen, symmetrischen Motive von Kaffeebechern und süditalienischen Hauseingängen von Hundefotos und Objekten vor weißen Wänden abgelöst. Und warum? Weil irgendjemand damit angefangen hat, der verdammt erfolgreich damit war und der Rest schnell genug, um brauchbare Imitate zu kopieren.
Oft ist dabei gar nicht so klar auszumachen, woher genau ein Trend stammt. Man bemerkt ihn erst im Umfeld, dann in Magazinen oder umgekehrt und ertappt sich selbst erst Jahre später dabei, wie ein konformes Äffchen mitgemacht zu haben. Beim Minimalismus. Bei Matcha-Tee. Regenbogenfarbenen Haaren.
Ich finde: Selbst, wenn es die Kunstlehrer von damals gut meinten, wenn sie uns dazu aufmunterten unsere krakelige "Originalität" auf einem Din-A4-Blatt auszuleben, statt Bilder aus dem Buch abzuzeichnen:
Vielleicht ist es sogar okay, fremde Techniken und Werke anzusehen und dann in der eigenen Art und Weise nachzuahmen, wenn es sich dabei nicht um eine 1:1-Kopie handelt, die weder als solche geführt, noch bezeichnet wird.
Imitation kann auch eine Form des Lernens sein. Ja, es ist sogar unmöglich nichts dabei zu lernen, etwas Fremdes zu replizieren. Solange, bis man eigenständig in der Lage ist, zu erschaffen.
Dass du dich über eine Nachahmung natürlich nicht nur geschmeichelt fühlst, ist verständlich. Erst vor einem Monat habe ich einen Artikel auf einer Konkurrenz-Seite gesehen, der mich einen Tick zu stark an einen Text erinnerte, den ich selbst verfasst habe.
Das war auf der einen Seite befriedigend, weil ich gesehen habe, dass Diskurse nicht im luftleeren Raum stattfinden und sich Menschen sehr wohl auch positiv gegenseitig beeinflussen. Auf der anderen Seite hat es mir gezeigt, dass das, was eine richtige Künstlerin von einem Nachahmer und Nachplapperer unterscheidet, die ursprüngliche Idee ist. Die Idee, die du als erste Person in einem Genre selbst umsetzt.
Das, was du tust, wird niemals mehr sein als die Ideenwiedergabe eines anderen.
In diesem Sinne: Mach dir keine Sorgen. Du bist mehr als die Imitate, die von deiner Kunst existieren. Du bist die Person, die genuin Neues schafft.
Aber für die wirklich harten Fälle: Hol dir bitte einen Anwalt. Es gibt Experten dazu.
Alles Liebe,
Bianca
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