Weihnachten ist kein unnötiger Luxus. Das finde nicht nur ich, die Hartz-IV-Empfängerin, sondern auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie.
Deswegen forderte er vor Kurzem, dass für Hartz-IV-Empfänger ein Weihnachtsgeld von 30 Euro eingeführt werden sollte. So, wie es früher bei der Sozialhilfe war.
Ich glaube, 30 Euro sind nicht viel. Aber das Geld könnte zumindest ein Zeichen setzen: Nämlich, dass der Staat bedürftige Menschen zu Weihnachten nicht vergisst.
Ich bin 64 Jahre alt und beziehe nun seit etwa sechs Jahren Hartz IV. Nachdem das letzte Unternehmen, bei dem ich angestellt war, insolvent gegangen ist, habe ich keine neue Vollzeitstelle mehr gefunden. Seitdem hatte ich einen lediglich einen Minijob im Supermarkt, wo ich Regale eingeräumt habe. Die Stelle musste ich vor Kurzem wegen meiner Arthrose aufgeben, die vor wenigen Wochen diagnostiziert wurde.
Das heißt, dass ich in Zukunft mit 120 Euro monatlich weniger auskommen muss, weil ich nun gänzlich auf Hartz IV angewiesen bin. Das ist gerade zu Weihnachten schwierig. Zu dieser Zeit wird nicht nur mir, sondern sicherlich auch vielen anderen bedürftigen Menschen und vor allem Familien in Deutschland bewusst, wie stark Geld sozial isolieren kann.
Wer von Hartz IV lebt, kann nun mal nicht einfach so mit seinen Freunden am Weihnachtsmarkt Glühwein trinken gehen. Oder seinen Kindern Dinge schenken, die einfach nur hübsch sind und Spaß machen. Weihnachten ist in armen Familien eher die Gelegenheit, Gegenstände zu schenken, die dringend benötigt werden – und die sich viele Hartz-IV-Empfänger meist nicht leisten können. Dann liegen eben die Winterstiefel unterm Baum, auf die die Eltern lange hingespart haben, nicht das tolle Spielzeug.
Weihnachten sollte mehr sein als der Anlass, die löchrigen Schuhe zu ersetzen. Es ist ein Fest, bei dem wir Zeit gemeinsam verbringen und uns gegenseitig etwas Gutes tun wollen – auch in Form von Geschenken. Und Geschenke machen am meisten Freude, wenn sie vor allem schön sind – und nicht zweckgebunden.
Insofern glaube ich, dass 30 Euro Weihnachtsgeld für Hartz-IV-Empfänger vor allem den Familien gut tun würden, die gerne traditionell Weihnachten feiern. Die ihren Kindern eine Freunde machen möchten. Damit unterm Christbaum keine Tränen fließen müssen oder die Kinder sich in der Schule schämen müssen, wenn sie erzählen, dass es keine oder kaum Geschenke gab.
Ich habe Glück, dass ich eine erwachsene Tochter habe, die ihr eigenes Geld verdient und die nicht mehr auf meine Geschenke angewiesen ist. Ich selbst würde das Geld deswegen wahrscheinlich nicht in Geschenke investieren.
Dennoch würde ein Weihnachtsgeld für mich eine Entlastung bedeuten: Zum Beispiel könnte ich es in Medikamente investieren, die die Krankenkasse nicht zahlt und die ich aufgrund meiner Arthrose benötige. 30 Euro wären dann zum Beispiel 5 Euro pro Monat für Schmerzmittel, da hätte ich also länger etwas von. Solche Ausgaben sind vom Hartz-IV-Satz normalerweise kaum zu decken.
30 Euro Weihnachtsgeld würden mir deswegen das Gefühl geben, vom Staat wertgeschätzt zu werden. Es ist keine riesige Summe, es ist nicht vergleichbar mit einer Erhöhung des Hartz-IV-Satzes oder gar mit einer Vollzeitstelle, die ich vor Eintritt in die Rente wohl nicht mehr finde.
Aber 30 Euro Weihnachtsgeld würden mir und vielen anderen bedürftigen Menschen Hoffnung geben – und vielleicht dem ein oder anderen Kind einen Wunsch erfüllen.
Protokoll: Agatha Kremplewski