Eines Tages erreicht mich der Anruf meiner Ärztin.
Ich war zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt, dreifache Mutter und in der 17. Woche schwanger mit meinem vierten Kind. Den pränatalen Bluttest vor ein paar Wochen hatte ich nur gemacht, um frühzeitig das Geschlecht meines ungeborenen Kindes herauszufinden – nach drei Söhnen hoffte ich sehr auf ein Mädchen. Obwohl ich einen Jungen natürlich auch genommen hätte. Selbstverständlich.
Am Telefon teilte mir die Ärztin nun mit, dass die Ergebnisse des Tests da wären:
"Ich muss Ihnen allerdings leider mitteilen, dass das Testergebnis mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf Trisomie 21 hinweist."
"Ja. Aber welches Geschlecht hat es denn?"
"Es wird ein Mädchen."
"Ein Mädchen – das ist ja toll!"
"Haben Sie gehört, was ich eben gesagt habe?"
"Ja, ich bekomme ein Mädchen mit Down-Syndrom."
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, dachte ich darüber nach, was ich soeben gehört hatte: Mein Kind würde mit einer Behinderung auf die Welt kommen. Fühlte ich nun Betroffenheit? Nein, da war kein schlimmes Gefühl. Ich freute mich vor allem auf mein Mädchen.
Später erst, am Abend, musste ich weinen, weil ich Angst bekam. Nicht, weil ich mich davor fürchtete, ein Kind mit Behinderung großzuziehen – sondern weil ich Angst hatte vor den gesundheitlichen Folgen, die das Down-Syndrom mit sich bringen könnte – wie einen Herzfehler zum Beispiel.
Anstatt dass mich diese Angst von meinem ungeborenen Kind entfremdete, fühlte ich mich umso mehr mit ihm verbunden: Ich wollte dieses kleine Wesen in meinem Bauch schützen. Komme, was wolle.
Emilie ist mittlerweile eineinhalb Jahre alt und glücklicherweise gesund. Zwar hat sie ein Chromosom mehr als ihre Brüder – aber deswegen lieben wir sie nicht weniger.
Ich befürchte, dass deutlich weniger Kinder wie Emilie auf die Welt kommen werden, wenn der Bluttest, mit dem Trisomien festgestellt werden können, tatsächlich Kassenleistung wird.
Für viele Menschen ist ein positives Testergebnis nun mal Grund, sein Kind abzutreiben – was übrigens nicht an dem Test an sich liegt, sondern an unserer gesellschaftlichen Haltung, wie wir mit Behinderungen umgehen.
Ich erinnere mich, wie ich einen Tag, nachdem ich mit meiner Ärztin telefoniert hatte, bei ihr in der Praxis saß. Sie sprach davon, dass ich bis zur 22. Schwangerschaftswoche Zeit hätte, mein Kind abzutreiben. Sie erklärte, wie die Abtreibung ablaufen würde – dass mein Kind die künstlich erzeugten Wehen sehr wahrscheinlich nicht überleben würde. Und wenn doch, dass die Ärzte dann eine Kalium-Spritze in die Nabelschnur setzen müssten, um den Fötus absterben zu lassen.
Ich schaute währenddessen aus dem Fenster und dachte: "Was redet die da eigentlich?"
Ich unterbrach die Ärztin und bat sie, nicht mehr über Abtreibung zu sprechen. Für mich war von Anfang an klar, ich will mein Kind behalten.
Um ehrlich zu sein, kann ich es nicht ganz nachvollziehen, warum sich für manche Frauen nach einer solchen Diagnose die Frage stellt, ob sie ihr Kind noch bekommen möchten.
Natürlich gibt es Fälle, in denen Frauen ungewollt oder unverhofft schwanger werden. Wenn sich jemand allerdings bewusst dafür entscheidet, Kinder zu bekommen, dann sollte doch dieser Wunsch im Vordergrund stehen, oder? Und nicht die Tatsache, ob das Kind blond oder braunhaarig ist, groß oder klein – oder eben eine Behinderung hat oder nicht.
Man kann sich sein Kind nicht aussuchen. Und viele wollen das auch gar nicht. Ein Bluttest, der von den Krankenkassen finanziert wird und in der Hinsicht eine Entscheidung beeinflussen kann, setzt meiner Meinung nach ein dementsprechend falsches Zeichen.
Die meisten Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, die ich kenne, haben übrigens keinen Test gemacht. Und ich bin mir sicher, die Mehrheit von uns ist glücklich damit.
Protokoll: Agatha Kremplewski