In Zeiten der Inflation befinden sich Discounter in einem noch härteren Preiskampf als zuvor. Mit Angeboten versuchen sie, sich ständig zu überbieten. So beeinflussen sich die Preise der Händler gegenseitig. Nun hat die Preiserhöhung des Discounters Aldi fatale Folgen, wie sich zeigt. Eine ganze Branche steckt tief in der Krise.
Aldis Preiserhöhung für Bio-Vollmilch hat weitreichende Folgen. Selbst eine zwischenzeitige Rücknahme hat die Absatzkrise für die Produkte nicht entschärfen können. Das steht ganz im Gegensatz zur Angebotssituation auf dem Markt, wie die "Lebensmittelzeitung" (LZ) berichtet.
Das Geschäft mit der Biomilch macht seit dem Frühsommer in der Branche alle unzufrieden. Der Grund dafür ist die Preiserhöhung für Vollmilch bei Aldi auf einen Rekordpreis von 1,69 Euro (fettarm: 1,59 Euro). Das war offenbar zu viel für die Kundschaft.
Andere Discounter zogen teilweise nach. Seitdem hat sich der Absatzmarkt um bis zu 30 Prozent reduziert, wie die "LZ" schreibt.
Das hat sich auch nicht wieder geändert, als der Discounter den Preis zwischenzeitlich wieder auf 1,45 (fettarm: 1,35) senkte. Laut Marktforschenden ist der Verkauf von Biomilch im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent zurückgegangen.
Der Trend könnte sich nun sogar noch verschlimmern. Denn: Aldi hat jüngst eine Erhöhung der Einkaufspreise mit Produzent:innen vereinbart. Bedeutet, dass die Preise für Bio-Milch zum Jahreswechsel sogar noch steigen könnten. Zumindest, wenn der Discounter den Preis ohne Spannenverzicht weitergibt.
Den alten Anspruch, Preisführer für Eckartikel wie Bio-Milch zu sein, hat der Discounter in den vergangenen Monaten offenbar aufgegeben. So hat etwa Hit im Preiskampf um Bio-Milch die Nase vorn. Die Handelsgruppe verkauft sogar die halbfette ESL-Biomilch von Marktführer Andechser günstiger als Aldi seine eigene Handelsmarke. Bei Hit ist diese aktuell schon für 1,29 Euro zu haben.
Und nicht nur das: Auch bei den Drogeriemärkten von dm gibt es die haltbare Bio-Milch günstiger als beim Discounter Aldi. Beide Konzerne geben die Preise offenbar mit geringer Gewinnspanne weiter. Sogar die Bio-Bergbauernmilch der Salzburgmilch als Premiummarke ist in der Drogerie günstiger als die Aldi-Handelsmarke.
Die aktuelle Verdoppelung der dortigen Regalplätze deutet laut "LZ" auf eine starke Nachfrage hin.
Doch diese Fälle sind Ausnahmen. Dass große Handelsorganisationen die Preise erhöhen, zieht die gesamte ökologische Milchwirtschaft in eine tiefe Krise. Die Inflation und Geldsorgen der Menschen tun ihr übriges. Bioland-Präsident Jan Plagge beschrieb die Situation laut Bericht in der Branche so: "Der Milchmarkt steht Kopf."
Josef Jacobi, Mitbegründer der Upländer Bauernmolkerei, berichtete vorige Woche in einer Expertenrunde von massiven Problemen. Demnach könne erstmals seit Jahren nicht mehr die gesamte Biomilch als solche vermarktet werden. Und: Auch Mengenreduzierungen als Lösung sind durchaus Thema.
Die Situation am Markt kann durchaus als ungünstig bezeichnet werden. Schließlich sind die Preissteigerungen nur teilweise gerechtfertigt. Ökobauern blieben von den immensen Kostensteigerungen im konventionellen Landbau nämlich weitgehend verschont. Die Differenz zwischen den Produktionskosten liegt deshalb nur noch bei 3 Cent je Kilogramm Rohmilch. Zuvor war diese deutlich höher.
Eigentlich könnte der Abstand der Ladenpreise laut Plagge also verringert werden. Eine Chance. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Händler mitmachen.
Ähnlich sieht das Andechser-Chefin Barbara Scheitz, die in einem früheren "LZ"-Interview geäußert hatte, dass sie den geringen Preisunterschied gerne nutzen würde, um neue Käufer für Bio zu gewinnen. Die Chefin der Molkerei mit der größten von Biomilchproduktion wünscht sich außerdem eine weitere mögliche Lösung: eine Informationskampagne, die den Verbrauchern verdeutlicht, welchen vielfachen Mehrwert die Biomilch-Branche den Konsumenten und der Gesellschaft biete.
Zumal Achim Spiller von der Universität Göttingen der Auffassung ist, dass sich die Wertvorstellungen bei Kund:innen nicht geändert hätte. Er hält die Nachfragenschwäche vielmehr für eine "Delle".
Es gebe immer weniger konventionelle Milch, dafür sei Biomilch zur Genüge vorhanden. Das sei der Grund dafür, dass sich der Preisabstand zwischen den beiden Milcharten derzeit so verringere.