Knapp zehn Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren sind laut Bundesgesundheitsministerium übergewichtig. Seit Jahren fordern Verbraucherschützer:innen ein aktives politisches Handeln gegen diese Entwicklung.
Mit dem Koalitionsvertrag verständigte sich die Ampel-Koalition dann darauf, Werbung für besonders fett-, zucker- oder salzhaltige Lebensmittel "im Werbeumfeld von Kindern" zu unterbinden. Ein neuer Gesetzentwurf aus dem Landwirtschafts- und Ernährungsministerium sorgt in diesem Zusammenhang aktuell für großes Erstaunen – und nicht wenig Kritik.
Erst im März hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Modell für Nährwertprofile bereitgestellt, das ungesunde Lebensmittel klassifiziert. Basierend auf dieser Einstufung hat das Ernährungsministerium von Cem Özdemir (Grüne) nun die Höchstwerte angepasst, ab denen Fett, Salz und Zucker in beworbenen Lebensmitteln als kritisch gelten sollen.
Demnach sollen Milchprodukte ab einem Fettanteil von 17 Prozent als gesundheitsschädlich eingestuft werden. Kritiker:innen warfen dem Ministerium vor, dass durch die Neuregelung dann auch Butter und viele Käsesorten nicht mehr beworben werden dürfen.
Ein Sprecher von Özdemir widersprach, der Entwurf beziehe sich explizit auf Werbung für Kinder und Jugendliche. "Es geht darum, Kinder insgesamt vor Lebensmitteln zu schützen, die einen zu hohen Fett- und Zuckergehalt haben", stellte er klar.
Eine weitere Regelung sieht einen maximalen Fettanteil für Joghurtprodukte vor. In der Industrie sieht man das gar nicht gern. "Werbung für Erdbeerjoghurt soll verboten werden, obwohl Fruchtjoghurt oft der einzige Weg ist, Kinder zum Joghurtessen zu bewegen", bemängelte hieran der Vorsitzende des Milchverbandes, Eckhard Heuser, gegenüber der "Bild".
Konkret bezieht sich das geplante Gesetz auf Fernseh- und Radiowerbung zwischen 6 und 23 Uhr sowie auf Jugendkanäle im Internet. Auch Plakate neben Schulen und Kindergärten sollen künftig keine als ungesund eingestuften Lebensmittel zeigen.
Die Werbeindustrie stellt sich klar gegen den Entwurf und hält dagegen: Ein Zusammenhang zwischen Werbeverboten und Übergewicht sei bereits widerlegt. Befürworter:innen der Regulierung widersprechen mit dem Beispiel Großbritannien. Hier hat ein Werbeverbot für Softdrinks, fettige Pizzen und Burger laut "Süddeutscher Zeitung" eine Reduzierung der übergewichtigen Personen um 4,8 Prozent nach sich gezogen.
Die Opposition kritisiert an dem Entwurf vor allem, dass nicht nur Kinderkanäle von dem Verbot betroffen wären. TV-Werbung für Käse zu verbieten, bezeichnete etwa FDP-Politiker Gero Hocker als "Hanebüchen".
Bis ein entsprechendes Verbot tatsächlich rechtskräftig wird, dürfte es ohnehin noch eine ganze Weile dauern. Aktuell arbeitet das Landwirtschaftsministerium noch an dem Entwurf, der dann in den Ressorts abgestimmt werden muss.