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Corona-Impfung: Wenn wegen PEG eine allergische Reaktion droht

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Allergien können auch bei Zusatzstoffen von Corona-Impfstoffen auftreten. Sie werden durch einen Allergietest, den sogenannten Pricktest, sichtbar gemacht.Bild: iStockphoto / AlexRaths
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"Meine Optionen sind stark begrenzt": Wie eine Betroffene mit ihrer Impfstoff-Allergie umgeht und wie sie eine mögliche Impfpflicht sieht

01.02.2022, 19:3302.02.2022, 09:52
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Ende Januar hat der Bundestag das erste Mal über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Corona-Virus debattiert. Es war eine sogenannte Orientierungsdebatte, ohne einen vorliegenden Gesetzesentwurf. Und Orientierung ist bei der Impfpflicht offenbar auch im Parlament dringend vonnöten, wie die divers geführte vierstündige Debatte zeigte.

Die Vorschläge für ein Gesetz reichten von einer verpflichtenden Impfung ab 18 Jahren, wie sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fordert, bis hin zu einer Kompromisslösung, nur die besonders gefährdeten Menschen ab 50 Jahren zu impfen.

13. Bundestagssitzung und Debatte Aktuell,26.01.2022 Berlin, Gesundheitsminister Karl Lauterbach SPD im Portrait bei seiner engagierten Rede zum Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-I ...
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der parlamentarischen Debatte zur Impfpflicht.Bild: imago images / Political-Moments

Österreich ist Deutschland in dieser Debatte bereits weit voraus, denn dort gilt sie seit Februar: die allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren. Zumindest in der Theorie. Denn formal muss nach dem Nationalrat noch der Bundesrat zustimmen und der Bundespräsident das Gesetz unterschreiben. Doch damit ist Österreich das erste EU-Land, das sich für einen solchen Schritt im Kampf gegen die Corona-Pandemie entscheidet.

Auch in Deutschland soll die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht weiter vorangetrieben werden. Das Ziel ist es, bis Ende März ein entsprechendes Gesetz zur Abstimmung zu bringen. Egal, welche Altersgruppen eine künftige Impfpflicht auch betreffen wird, eine Gruppe von Menschen in Deutschland wird das Gesetz vor eine Herausforderung stellen: Menschen, die gegen einen oder mehrere Zusatzstoffe der derzeit verwendeten mRNA-Impfstoffe allergisch sind.

Zwar würden diese von einer solchen Pflicht unter Umständen ausgenommen werden, jedoch nur, sofern sie auf keinen anderen Impfstoff ausweichen können. Und auch ein Attest sorgt bei den Betroffenen für Angst vor einer Benachteiligung im Alltag. Watson hat mit einer Impfallergikerin darüber gesprochen.

"Diese Polyethylenglykolsalbe ist in Moderna und in Biontech enthalten. Ich kann Sie hier nicht impfen, das kann ich nicht verantworten."
Impfarzt zu watson-Redakteurin und Allergikerin Jenny Ullrich

mRNA-Impfstoffe können bei Allergikern Hautausschlag und Atemnot hervorrufen

Watson-Redakteurin Jenny Ullrich, 36 Jahre, gehört zu dieser Gruppe. Sie ist allergisch gegen nur einen einzigen Inhaltsstoff der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna: eine Substanz namens Polyethylenglykol (PEG), die in Kosmetika, aber eben auch Arzneimitteln vorkommen kann.

"Die Allergie wurde bei mir vor circa 15 Jahren festgestellt, als ich plötzlich Tag und Nacht starken Juckreiz am ganzen Körper hatte. Es stellte sich nach einem Test beim Hautarzt heraus, dass der problematische Stoff in einer Body Lotion enthalten war, die ich fortan natürlich nicht mehr verwendete. Ich bekam einen Allergiepass ausgestellt, der die Unverträglichkeit dokumentiert."

watson-Redakteurin Jennifer Ullrich ist allergisch auf Polyethylenglykol – und verträgt somit auch keine mRNA-Impfstoffe.
watson-Redakteurin Jennifer Ullrich ist allergisch auf Polyethylenglykol – und verträgt somit auch keine mRNA-Impfstoffe. bild: foto di matti / matti hillig

Jenny hatte Glück, dass der Impfarzt den Fragebogen aufmerksam durchlas, den man vor der Corona-Impfung ausfüllen muss und der auch nach Unverträglichkeiten fragt. "Dort hatte ich meine Allergie vermerkt, als ich mich im Impfzentrum eigentlich mit Moderna impfen lassen wollte. Der Arzt wurde skeptisch, telefonierte kurz und meinte dann zu mir: 'Diese Polyethylenglycolsalbe ist in Moderna und in Biontech enthalten. Ich kann Sie hier nicht impfen, das kann ich nicht verantworten.'"

Doch was würde passieren, wenn Jenny mit dem Inhaltsstoff, gegen den sie allergisch ist, geimpft werden würde? Das wisse sie nicht genau, aber eine starke allergische Reaktion in irgendeiner Form wäre wohl sehr wahrscheinlich. Denn schließlich muss man nicht umsonst noch eine halbe Stunde nach der Impfung offiziell unter Beobachtung warten, ob eine sogenannte anaphylaktische, also eine schwere allergische Reaktion, auftritt, die dann auch ärztlich behandelt werden muss.

"Ich vertrage nur die Vektor-Impfstoffe, weshalb meine Optionen stark begrenzt sind."
watson-Redakteurin Jenny über ihre Corona-Impfung

Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) heißt es, zu einer schweren allergischen Reaktion nach einer Covid-Impfung gehöre ein "generalisierter Hautausschlag, verbunden mit mindestens einem weiteren Symptom: Luftnot und/oder Herz-Kreislauf-Reaktion." Ausprobieren möchte man das nicht unbedingt.

Jenny meint dazu: "Als Laie denke ich mir: Die Body Lotion damals war ja nur auf meinen Körper aufgetragen und der Juckreiz war die Hölle. Würde mir der Stoff direkt in den Körper gespritzt, könnte es sicherlich noch weitaus schlimmer sein. Der Arzt im Impfzentrum hatte sicher seine Gründe, mir unter keinen Umständen Moderna verabreichen zu wollen."

Schwere allergische Reaktionen sind aber selten

Dennoch beruhigend ist, dass Menschen, die schwer allergisch auf einen oder mehrere Inhaltsstoffe von mRNA-Impfstoffen reagieren, eine Seltenheit sind. Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland die Sicherheit von Arzneimitteln bewertet, kommen auf eine Million in Deutschland verabreichte Impfdosen durchschnittlich 0,4 bis 11,8 Fälle mit einer anaphylaktischen Reaktion.

Das kann auch der Leitende Oberarzt des Universitätsklinikums Marburg und Sprecher des Allergie Zentrums Hessen (AZH), Wolfgang Pfützner bestätigen: "Wir hatten bisher ungefähr 400 bis 500 Anfragen im vergangenen Jahr von Patienten, die Angst haben, eine Allergie auf Bestandteile von Covid-19-Impfstoffen zu haben und letztlich waren es aber nur zwei bis drei, die tatsächlich eine Allergie aufwiesen", erzählt er im Gespräch mit watson.

Der anfängliche Eindruck, dass Unverträglichkeiten auf Impfstoffe besonders bei Corona-Impfungen auftraten, bestätigte sich jedoch im Laufe der letzten Monate zum Glück nicht, so Pfützner:

"Anfänglich gab es vermehrt Meldungen über Unverträglichkeitsreaktionen, die einen allergischen Schock nahelegten. Dadurch entstand der Eindruck, dass das häufiger als bei anderen Impfstoffen auftritt. Jetzt wissen wir aber, durch die weltweiten Daten eines ganzen Jahres, dass es keinen bedeutsamen Unterschied zu anderen Impfungen im Hinblick auf allergische Reaktionen zu geben scheint."

Alternativen bei einer Allergie gegen Corona-Impfstoffe "stark begrenzt"

Watson-Redakteurin Jenny bekam aufgrund ihrer Allergie eine sehr seltene Kombination an Impfstoffen verabreicht: Bei ihrer Erst- und Zweitimpfung erhielt sie den Vektor-Impfstoff Vaxzevria (AstraZeneca) und als Booster das Vakzin von Johnson & Johnson.

Auf Anfrage von "ZDF heute" teilte das Bundesministerium für Gesundheit mit, dass über neun Millionen Menschen ihre Erstimpfung mit AstraZeneca bekommen haben und immerhin noch fast dreieinhalb Millionen die Zweitimpfung. Seit Dezember kommt dieses Vakzin allerdings in Deutschland nicht mehr zum Einsatz.

Nicht zuletzt, da die Geschichte von Vaxzevria vor allem von Chaos geprägt war: Die Ständige Impfkommission änderte mehrfach ihre Empfehlung für das Vakzin, zwischenzeitlich wurden, nach Bekanntwerden von schweren Nebenwirkungen, die Impfungen mit AstraZeneca sogar ganz ausgesetzt. Auch von verunreinigten Impfdosen wurde berichtet. Schlussendlich war das Image des Impfstoffs so schlecht, dass sich die Impfdosen in den Regalen der impfenden Ärzte sammelten.

Ein Injektionsfläschchen des Vakzins von Astrazenca steht in der Praxis von Hausärztin Antonia Stahl vor einer Großpackung mit weiteren Impfdosen. Die regulären Impfungen in Arztpraxen beginnen in die ...
Der Vektor-Impfstoff Vaxzevria (AstraZeneca) wird seit Dezember in Deutschland nicht mehr verwendet.Bild: dpa-Zentralbild / Jens Kalaene

"Ich vertrage nur die Vektor-Impfstoffe, weshalb meine Optionen stark begrenzt sind", erklärt Allergikerin Jenny. Zwar werde diesem Impfstoff keine so effektive Wirkung zugesagt, jedoch stellen Vektor-Impfstoffe oftmals die einzige Option für Allergiker dar:

"An der Stelle möchte ich sagen: AstraZeneca und Johnson & Johnson mögen nicht so effektiv gegen eine Corona-Infektion wirken wie die mRNA-Stoffe, aber in meiner Situation bin ich unglaublich dankbar, dass es eben auch die Vektor-Impfstoffe gibt."

Laut RKI zeigte sich in der Zulassungsstudie des Covid-19 Vakzins Janssen von Johnson & Johnson eine Wirksamkeit von etwa 65 Prozent, um zu verhindern, an Corona zu erkranken. Dennoch gut, dass Jenny die Möglichkeit hatte, auf Vektor-Impfstoffe auszuweichen, vor schweren Verläufen ist man nämlich trotzdem gut geschützt. Jedoch stehen viele Patientinnen und Patienten nun vor dem Problem, dass AstraZeneca in Deutschland nicht mehr verabreicht wird.

Allergologe Wolfgang Pfützner weist auf ein weiteres Problem hin: Man müsse bei einer Testung auf eine Allergie vor allem genau darauf achten, auf welche Zusatzstoffe der Patient oder die Patientin allergisch ist. Denn viele dieser Zusatzstoffe seien sowohl in mRNA-Impfstoffen als auch in Vektor-Impfstoffen enthalten. Das aktuelle Corona-Impfstoff-Angebot lasse jedoch in der Regel trotzdem ein Ausweichen zu, da die Impfstoffe sich in der Zusammensetzung der Zusatzstoffe doch soweit unterscheiden.

Ausnahmefall Allergie: Booster mit Johnson & Johnson

Zu Beginn der Impfkampagne in Deutschland war AstraZeneca noch problemlos in Arztpraxen erhältlich, später wurde es schwieriger, an eine dieser Dosen zu kommen. Als das RKI dann zu der Empfehlung überging, nach der Erstimpfung mit dem Vakzin AstraZeneca, die Zweitimpfung mit einem Impfstoff eines anderen Herstellers, wie Biontech/Pfizer oder Moderna durchzuführen, wurde es für viele Allergiker komplizierter. Jenny hatte hier noch Glück:

"Die Hausärztin, der ich mein Problem natürlich auch schilderte, war da zum Glück sehr unkompliziert. Es war für mich also kein Problem, als zweite Dosis ebenfalls AstraZeneca zu erhalten."

Doch als es an die Auffrischimpfung ging, wurde es auch für Jenny problematisch, mit ihrer Polyethylenglykol-Allergie einen geeigneten Booster-Impfstoff zu finden: "Nachdem ich wusste, dass ich Moderna und Biontech nicht vertrage, war es für mich auch naheliegend, auf einen der Vektorimpfstoffe auszuweichen. Schwieriger war es da schon, an den Booster mit Johnson & Johnson zu kommen, zumal in Deutschland praktisch nur mit den mRNA-Stoffen geboostert wird."

Für Jenny folgte ein wochenlanger Ärzte-Marathon:

"Ich hatte mehrere Arztpraxen angeschrieben und erhielt einige Absagen. Ein Arzt verwies mich an die Impfzentren (wo ich im Vorjahr ja schon gewesen war und die auch gar kein Johnson & Johnson haben). Ein anderer ließ durchblicken, dass ihm mein Fall wohl zu kompliziert ist, beziehungsweise dass er sich lieber strikt an die Empfehlung des RKI hält. Nach Wochen der Suche fand ich eine Praxis, die bereit war, mir Johnson & Johnson zu verabreichen – als Booster!"
02.09.2021, Berlin: Eine Arzthelferin zieht in einer Praxis einer Haus
Jennys ungewöhnlicher Weg: ein Booster mit Johnson & Johnson.Bild: dpa / Wolfgang Kumm

Attest kann zu Nachteilen im Alltag führen

Doch nicht alle Allergiker haben die Möglichkeit, wie Jenny auf einen anderen Impfstoff auszuweichen. Dann hilft nur noch ein Attest, das bestätigt, dass eine Corona-Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Das kann aber unter Umständen mit Nachteilen im Alltag verbunden sein. Denn theoretisch haben Ladenbesitzer oder Veranstalter das Hausrecht und dürfen eigenständig entscheiden, wer ihren Laden oder die Veranstaltung betritt und wer draußen bleiben muss.

Jenny hat Sorge, dass dies auch Menschen mit einem Attest betreffen könnte:

"Ich denke, dass ein Attest gegenüber der Impfung im Alltag ganz gravierende Nachteile hat oder haben kann. Ich befürchte, dass ich häufig Diskussionen führen und mich rechtfertigen müsste, viele Geschäftsinhaber oder Veranstalter mich trotzdem nicht hereinlassen oder ich vielleicht sogar als Impfgegnerin abgestempelt werde (was ich ja absolut nicht bin). Mit einem Attest bräuchte ich bei 2G außerdem immer zusätzlich einen Negativ-Test. Dieses Erfordernis entfällt aktuell für Geboosterte."

Im Hinblick auf eine mögliche allgemeine Impfpflicht ist Jenny jedoch entspannt. Sollte im Rahmen einer solchen Impfpflicht auch eine obligatorische vierte Impfung beschlossen werden, kämen aber neue Herausforderungen auf sie als Allergikerin zu.

Jenny sieht dennoch aufgrund des aktuellen Forschungsstands positiv in die Zukunft: Da weiterhin neue Impfstoffe entwickelt werden und an Lösungen gearbeitet wird, werden sich auch neue Möglichkeiten für Allergiker ergeben. Sie setzt dabei auf den Impfstoff Novavax oder auf an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe, wie beispielsweise von Johnson & Johnson. "Ich bin relativ zuversichtlich, dass ich auch dann wieder eine Lösung finden würde."

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