"Die jungen Menschen wollen das Richtige": Franz Müntefering, früherer SPD-Vorsitzender. Bild: dpa / Kay Nietfeld
Nachhaltigkeit
03.01.2021, 09:4503.01.2021, 09:49
Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat
junge Klimaaktivisten dazu aufgerufen, in die Parteien und Parlamente
zu gehen. "Die jungen Menschen, die sich jetzt für das Klima
engagieren, wollen das Richtige", sagte Müntefering der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. "Aber dazu müssen sie jetzt in die Parteien
und in die Parlamente, sie müssen sich demokratisch durchsetzen
wollen", sagte Müntefering. "Oder sie müssen eine neue Partei gründen
und so Einfluss suchen."
Der 80-Jährige, der jahrelang die Politik in Deutschland mitprägte,
begründete die Aufforderung mit seinen eigenen Erfahrungen. Er habe
als junger Erwachsener viel gelesen, viele Forderungen an die Politik
gestellt, Leserbriefe und Anträge geschrieben. Nachdem aber bei der
Bundestagswahl 1965 Union und FDP zu seiner Enttäuschung ihre
damalige Mehrheit behaupten konnten, habe er es anders versucht –nach dem Motto: "Vom luftigen Hochsitz runter aufs geregelte
Spielfeld." Er sei in die SPD eingetreten und habe schnell
gelernt: "Das geht nicht alles so, wie von Dir gedacht und gewollt."
"Du musst Kompromisse machen, Mehrheiten suchen. Du bist im Dschungel und musst Wege bahnen"
Er habe gesehen: Mit anderen nur ein paar ähnliche Gedanken zu
teilen, reiche nicht. "Du musst Kompromisse machen, Mehrheiten
suchen. Du bist im Dschungel und musst Wege bahnen." So seien auch
Schritte nach vorn gelungen. Müntefering: "Mit 80 bin ich mir
sicher: Meine Weichenstellung mit 25 war richtig."
Jedes politische Engagement müsse die Gleichwertigkeit aller Menschen
als oberste Maxime haben, betonte Müntefering, der sich heute als
Aktivist für eine bessere Seniorenpolitik und als Buchautor
engagiert. "Klimaschutz geht auch ohne Demokratie. So wie Wohlstand
auch ohne Demokratie geht." Dies sei etwa die chinesische Botschaft.
"Aber Demokratie ist die Essenz." Eindringlich warb Müntefering,
daran die Politik stärker auszurichten.
Deutschland war vielen in seiner Generation noch "ein bisschen unheimlich"
Er erinnerte dabei an das Ende des Ost-West-Konflikts und das
Erstarken des Nationalismus in vielen Teilen der Welt. Deutschland
müsse eine stabile Größe sein. "Wir müssen die Gleichwertigkeit aller
Menschen als demokratischen Wert sichern helfen", sagte Müntefering.
"Wohl wissend, dass wir nicht aus eigener Kraft allen Menschen in
schwerer Not helfen können", räumte er ein. Müntefering betonte
jedoch: "Aber diese Wahrheit ist keine Entschuldigung, wenn wir nicht
denen helfen, denen wir helfen können. Und es gibt welche."
Keine Scheu müssen aus Münteferings Sicht auch junge Menschen haben,
stolz auf Deutschland zu sein. Als junger Erwachsener habe er sich
mit Mitstreitern heftige Diskussionen über diese Frage geliefert – mit dem Ergebnis: "Wir dürfen stolz sein auf unsere Demokratie heute,
seit 1949. Und Schwarz-Rot-Gold ist deren Farbe und damit unsere."
In dem Zusammenhang schildert Müntefering, warum Deutschland vielen
seiner Generation in den 60ern noch "ein bisschen unheimlich" gewesen
sei: "Nazis und KZ, Krieg gegen Nachbarvölker und der Mord an Juden
und an Minderheiten, beschwiegen und relativiert." In seiner
Heimatgemeinde im Sauerland habe mitten im Ort eine Eiche gestanden.
"Und ein älterer Mann erzählte so nebenher: Das ist die
Adolf-Hitler-Eiche. Sie war gepflanzt worden, als Hitler
Reichskanzler wurde." Es sei nicht die einzige gewesen. "Als Juso
haben wir eine Aktion gemacht. Wir haben den Baum bekränzt und
Plakate reingehängt und ihn in Friedens-Eiche umbenannt. Es gab
Missbilligung, aber auch Beifall."
(andi/dpa)
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