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Analyse

Deutsche Bahn: Ausfälle wegen Schnee-Chaos – das sind die Gründe

Wetterbild:Wintereinbruch in Muenchen am 02.12.2023 .Starke Schneefaelle in Bayern sorgen fuer Schneechaos. Hauptbahnhof Muenchen:Bahnverkehr in Sueddeutschland massiv beeintraechtigt. Kein Zugverkehr ...
In der Metropolregion München ist der Bahnverkehr über das Wochenende zum Erliegen gekommen.Bild: IMAGO images/Frank Hoermann
Analyse

"Wille muss da sein, fahren zu wollen": Warum die Bahn jedes Jahr an Schnee scheitert

06.12.2023, 11:1506.12.2023, 11:22
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Die Schneemassen, die weite Teile Bayerns am ersten Adventswochenende heimgesucht haben, haben den Verkehr in Deutschlands größtem Bundesland zum Stillstand gebracht. Auf den Straßen führte der Wintereinbruch zu teils tödlichen Unfällen und am Münchner Flughafen mussten am Dienstagmorgen 650 Flüge ausfallen.

Am größten war das Chaos aber an den bayerischen Bahnhöfen. Mit dem Komplettausfall am Hauptbahnhof in München war das Drehkreuz des regionalen Schienenverkehrs zeitweise nicht anfahrbar, tausende Menschen saßen fest. Noch immer sind die Auswirkungen zu spüren. Der Blackout wirft viele Fragen auf – und richtet den Blick unweigerlich auch in die Nachbarländer Schweiz und Österreich.

Welche Gründe gab es für den teils kompletten Ausfall der Bahn?

Die Deutsche Bahn (DB) verweist auf die extreme Wetterlage: zuerst viel Schnee in kürzester Zeit, dann große Kälte. Ähnlich äußert sich Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). "Was wir am Wochenende in München erlebt haben, war kein normaler Wintereinbruch, sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester Zeit."

Bernreiter sagt aber auch: "Allerdings dauert die Situation auf der Schiene jetzt schon deutlich zu lange an." Der Minister verlangt, die Bahn müsse sich für die Zukunft besser aufstellen.

02.12.2023, Bayern, München: Passanten sind an den Maximiliansanlagen unterwegs und gehen an verschneiten parkenden Pkw vorbei. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
München ist in den letzten Tagen im Schnee versunken. Bild: dpa / Peter Kneffel

Liegt es an Einsparungen?

"Der Eindruck trügt leider nicht: Da ist deutlich gespart worden, zum Beispiel beim schweren Räumgerät", sagt Bernreiter. Auch Expert:innen verweisen auf fehlendes wintertaugliches Material und Personal bei der Bahn. "Winterbetrieb ist mit viel Handarbeit und Maschineneinsatz verbunden", sagt Heino Seeger, ehemaliger Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn und Eisenbahnbetriebsleiter. Er sagt auch:

"Es ist billiger, bei solchen Lagen nicht zu fahren als gegen den Schnee und die Witterungsverhältnisse anzukämpfen. Reserven kosten Geld. Deshalb wurden Reserven gestrichen: beim Personal, bei den Zügen und beim Räumgerät"

Markus Hecht, der Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin, sagt: "Es musste so kommen." Ein Problem sei auch das Fehlen von Schneefangzäunen, die Schneeverwehungen auf den Gleisen eindämmen könnten.

Worauf muss die Bahn sich künftig vorbereiten?

Gerade mit dem Klimawandel müsse eben nicht unbedingt mit weniger Schnee, sondern mit extremeren Wetterlagen gerechnet werden, darunter auch starke Schneefälle, sagt der Bundesvorsitzende vom Fahrgastverband Pro Bahn, Detlev Neuß. "Diese Wetterlagen sind keine Einzelfälle. Darauf muss sich die Bahn einstellen, das kostet Geld – und das Geld muss zur Verfügung gestellt werden."

Es gehe auch um Erdrutsche nach schweren Regenfällen, Hagel und Sturm. Bahn-Expert:innen nennen auch die 1993 beschlossene Bahnreform; mit der – so sagen die Fachleute – die Bahn nicht nur Geld kosten, sondern auch Geld einfahren sollte. Nun beginne ein Umdenken, sagt Neuß. "Das geht zwar für unseren Geschmack zu langsam, aber die Richtung stimmt: hin zu einem mehr gemeinwohlorientierten Unternehmen."

Deutsche Bahn *** NUR FUeR REDAKTIONELLE ZWECKE *** EDITORIAL USE ONLY ***<p>Am 27.11.2012 steht ein ICE der Deutschen Bahn im Fernverkehrswerk der Bahn in Dortmund und wird technisch untersucht ...
Aus Sicht von Expert:innen fehlt es der Bahn an Räumfahrzeugen für das Schienennetz.Bild: IMAGO images/Funke Foto Services

Wer hat in Bayern entschieden, den Betrieb komplett einzustellen?

Die Deutsche Bahn verweist hier auf die DB Netz, die zuständig ist für die Schienenwege. "Am späteren Freitagabend erreichten uns innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Meldungen über Vegetation in Gleisen und Oberleitungen und weitere witterungsbedingte Störungen", teilte ein DB-Sprecher mit. "Da die Wettervorhersagen weiteren starken Schneefall prognostizierten, traf DB Netz die Entscheidung, den Bahnverkehr im betroffenen Gebiet aus Sicherheitsgründen vorsorglich einzustellen."

Mit welcher Ausstattung startete die Bahn in Bayern in den Winter?

Laut Mitteilung der DB Ende November besitzt sie in Bayern 13 bahneigene Räumfahrzeuge, bei 9800 Streckenkilometern in der Region Süd. Dazu kämen sieben Fahrzeuge der leichten Schneeräumtechnik: vier multifunktionale Instandhaltungsfahrzeuge für die Schieneninfrastruktur und drei Gleisarbeitsfahrzeuge.

Am Dienstag teilte die Bahn mit, die Zahl der Räumfahrzeuge sei nun aufgestockt worden. Mehr als 20 große Maschinen seien mittlerweile in der Region unterwegs, darunter auch besonders leistungsfähige Schneeschleudern, die aus Hessen und Baden-Württemberg nach Bayern verlegt wurden. Fachleute prüften, ob die Zahl der Räumfahrzeuge mit Unterstützung aus anderen Regionen noch weiter erhöht werden könne.

Warum läuft es in der Schweiz und in Österreich besser ?

Beide Länder haben Bahn-Expert:innen zufolge eine bessere Winterausrüstung für ihre Züge und bessere Räumfahrzeuge. "Das sind Alpenländer, die darauf eingestellt sind. Sie haben Personal und Räumfahrzeuge", sagt Neuß. Man könne nach solchen Schneefällen nicht erwarten, dass nach einer halben Stunde alles wieder laufe, aber es dürfe nicht tagelang dauern.

"Das Problem bei uns ist, dass die Schneeräumung der DB Netz zugeordnet ist – und die DB Netz hat keine zusätzlichen Ressourcen, auch keine Lokomotiven dafür", ergänzt Hecht. "Die offene Frage ist, wie die Schneeräumung in den Anforderungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft definiert ist, da das auf Regionalverkehrsstrecken Länderangelegenheit ist."

Thal Assling THEMENBILD - R�umfahrzeug am Bahnhof am Sonntag, 17. November 2019 in Thal Assling. Die extremen Schneef�lle der vergangenen Tage sorgen in Teilen �sterreichs f�r massive Gefahren und Beh ...
Räumfahrzeug am Bahnhof im österreichischen Thal (Assling).Bild: imago images / Eibner-Pressefoto

Lief es früher besser?

Heino Seeger berichtet zumindest für die Bayerische Oberlandbahn und die Bayerische Regiobahn, diese seien damals als Unternehmen aktiv geworden. So habe man etwa die Gleise gerade über Nacht frei gehalten. "Wenn es so geschneit hat wie jetzt, hat uns das nicht geschreckt. Wir haben dann nachts Lokomotiven mit Pflugscharen (eine Art Räumschild) fahren lassen, damit die Strecke nicht zuschneit." Damit seien die Strecken der Oberlandbahn auch bei viel Schnee befahrbar geblieben – allerdings mit hohem Personalaufwand. "Der Wille muss da sein, fahren zu wollen."

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Wird das Geschehen aufgearbeitet?

Die bayerische Staatsregierung hat das angemahnt. Man werde sicherlich im Nachgang in Ruhe analysieren müssen, "weshalb es gerade im Bereich des Zugverkehrs doch solche erheblichen Schwierigkeiten gegeben hat", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU).

Die Katastrophen-Schutzbehörden seien allesamt frühzeitig vor dem Wintereinbruch aktiviert worden. Verkehrsminister Bernreiter kündigte an: "Ich werde mit der Bahn ein Gespräch darüber führen und ich werde es sehr niederbayerisch-deutlich sagen: Die Bahn muss sich für die Zukunft besser aufstellen."

(mit Material von dpa)

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