Liebe Leser*innen,
ich heiße Frieda Egeling, bin Schülerin der neunten Klasse eines Berliner Gymnasiums, 14 Jahre alt und seit Anfang des Jahres Pressesprecherin von Fridays for Future.
Und: Ich verklage die Bundesregierung.
Die Ampel-Koalition hat sich darauf geeinigt, das Klimaschutzgesetz, das KSG, zu entkernen. Damit nimmt sie sich selbst aus der Verantwortung – und verabschiedet ein ziemlich sicher verfassungswidriges Gesetz. Dagegen klagen wir zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe, Greenpeace, Germanwatch, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland. Gemeinsam ziehen wir vor das Bundesverfassungsgericht.
Alles hat 2019 damit angefangen, dass sich junge Menschen zusammengeschlossen haben, um gegen das damalige unzureichende Klimaschutzgesetz und für die konsequente Umsetzung von Klimaschutz zu klagen. 2021 haben sie die Klage gewonnen, woraufhin die Große Koalition aus SPD und CDU zähneknirschend ein neues Klimaschutzgesetz schreiben musste. Von da an hatte jeder Sektor eigene, jährlich geltende Klimaziele. Das war unser Erfolg.
Nun hat sich die Ampel-Koalition dazu entschieden, dieses Gesetz zu entkernen. Statt jährlichen Sektorzielen geht es jetzt um eine "mehrjährige Gesamtrechnung". Das bedeutet konkret: Die Bundesregierung, die zu effektivem Klimaschutz verurteilt wurde, hält ihre eigenen Ziele nicht ein und schafft sie deswegen einfach ab.
Gegen diese Entkernung des KSG wird erneut geklagt. Und ich bin auch dabei. Als Klägerin bei der Deutschen Umwelthilfe kämpfe ich nicht nur für meine eigene Zukunft, sondern für ein Menschenrecht, das uns allen zusteht. Aber wie kommt es jetzt dazu, dass eine 14-Jährige die Bundesregierung verklagt?
Wenn ich über meine Zukunft nachdenke, kann ich nicht anders, als vor der Klimakrise Angst zu kriegen. Seien es Dürren, Extremwetterereignisse, Ernteausfälle oder Hitzetode … die Klimakrise wird mein und auch euer Leben maßgeblich verändern – wenn wir nichts gegen sie tun. Dabei liegen die Maßnahmen auf dem Tisch: ein Tempolimit, der Ausstieg aus allen fossilen Energien, die ökologische Transformation unserer Wirtschaft. Das sind Dinge, die wir gemeinsam angehen könnten. Was fehlt, ist allein der politische Wille.
Und noch etwas macht mir Sorgen: Wenn wir nicht jetzt anfangen, diese Veränderungen umzusetzen, dann werden die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen in zehn, 15 oder 20 Jahren viel stärker einschlagen, als sie es jetzt tun würden: Dann bleibt viel weniger Zeit für Ausgleiche, soziale Abfederung, gerechte Transformation. Jede Maßnahme, die wir jetzt verschleppen, kommt doppelt und dreifach wieder.
Es ist also die Zeit für große Schritte nach vorne. Aber wir machen große Schritte zurück. Ob es nun die Untätigkeit von Verkehrsminister Volker Wissing, die neuen LNG-Terminals oder der verschleppte Kohleausstieg in der Lausitz ist: Das klimapolitische Versagen hat viele Gesichter.
Umso wütender macht es mich, dass ich als junger Mensch bis vor das Bundesverfassungsgericht, die höchste Instanz dieser Republik ziehen muss, um unsere Politiker:innen zum Handeln zu bewegen und meine Zukunft zu sichern. Das sollte nicht meine Aufgabe sein und das ist sie auch nicht. Aber wenn Politiker:innen ihrer Aufgabe nicht nachkommen, dann müssen wir halt aus dem Klassenzimmer in Berlin bis in den Gerichtssaal nach Karlsruhe. Und dort werden wir gewinnen.
Wir leben in einer Demokratie und darüber bin ich jeden Tag froh. Denn wir haben die Möglichkeit, uns einzubringen, wir können demonstrieren und laut und ungemütlich sein. Und wenn wirklich alle Stricke reißen, wenn die Regierung Gesetze beschließt, die gegen die eigene Verfassung gehen, dann können wir auch dagegen klagen. Dieses Recht sollte selbstverständlich sein. In vielen Ländern ist es das aber immer noch nicht. Es ist also ein Privileg, dass wir diese Möglichkeit haben. Und es zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, diese wehrhafte Demokratie zu verteidigen.
Wir als Fridays for Future, als Bündnis, aber auch als Klimabewegung arbeiten weiter daran, endlich effektiven Klimaschutz zu bekommen und die Bundesregierung in die Verantwortung zu nehmen. Und wenn ich mich so umschaue, bin ich mir sicher: Gemeinsam schaffen wir das auch.
Bis bald!
Frieda