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La Palma: Urlaubsinsel setzt verstärkt auf erneuerbare Energien

ARCHIV - 30.11.2021, Spanien, La Palma: Lava flie
Die kanarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs, deshalb herrschen an vielen Orten unter der Erdoberfläche hohe Temperaturen.Bild: AP / Emilio Morenatti
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Vulkan-Insel La Palma setzt verstärkt auf erneuerbare Energien

06.12.2022, 12:17
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Aus den beiden rotweißen Schloten des Kraftwerks Los Guinchos auf La Palma quillt grauer Rauch und wabert in Richtung grüner Berghänge am Ostrand der spanischen Kanareninsel. Es sind die Abgase der Dieselmotoren, die gut 90 Prozent des Bedarfs an elektrischer Energie der Atlantikinsel mit rund 83.000 Einwohnern vor der Küste Westafrikas erzeugen.

Fast 60.000 Tonnen Diesel und Heizöl wurden 2020 verbrannt, um die Insel tagsüber mit rund 35 Megawattstunden und nachts mit 20.000 Megawattstunden zu versorgen. Pro Jahr bedeutet das CO₂-Emissionen von rund 160 Millionen Kilogramm, was in etwa dem Jahresausstoß von 34.000 mit Öl beheizten Einfamilienhäusern in Nordeuropa entspricht. Nur wenige Windkraftanlagen und vereinzelte Fotovoltaikanlagen auf Hausdächern erzeugen grünen Strom, knapp zehn Prozent.

Viel grünes Potenzial

Und das, obwohl es auf der Vulkaninsel reichlich Sonne gibt, nämlich 3000 Stunden pro Jahr – und damit fast doppelt so viel wie in Deutschland. Auch Wind und vor allem Erdwärme gibt es im Überfluss. Geologen sind sich sicher, dass der gesamte Energiebedarf der Insel künftig durch Erdwärme gedeckt werden könnte. Sogar der Export von Energie in Form grünen Wasserstoffs, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, wäre möglich.

Enorme Hitze unter der Erdoberfläche

"La Palma ist die Kanareninsel, die am besten für die Nutzung geothermischer Energie für die Stromproduktion geeignet ist", sagt der auf Geothermie spezialisierte Bergbauingenieur Celestino García von Spaniens nationalem Institut für Geologie und Bergbau IGME. Aber auch andere der insgesamt acht bewohnten Kanareninseln hätten ein großes Potenzial.

ARCHIV - 29.11.2021, Spanien, La Palma: Soldaten der spanischen Armee stehen auf einem H�gel, w�hrend Lava bei einem weiteren Ausbruch des Vulkans Tajogaite auf der Kanareninsel flie�t. Der Vulkanausb ...
Im November 2021 lief die Lava des Vulkans Tajogaite auf La Palma glühend ins Land und zerstörte viele Orte.Bild: AP / Emilio Morenatti

Alle acht Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Auf La Palma ist die Hitze unterhalb des erst im Dezember erloschenen Vulkans Tajogaite auch an der Oberfläche stellenweise noch so hoch, dass Autos auf einer gerade erst angelegten Behelfspiste über das Lavafeld nicht anhalten dürfen, da sonst die Reifen Schaden nehmen könnten.

30 Millionen Euro für Probebohrungen

Die Regionalregierung der autonomen Gemeinschaft der Kanaren hat für La Palma sowie die größeren Nachbarinseln Gran Canaria und Teneriffa gerade je 30 Millionen Euro für die Erkundung von Erdwärme zur Verfügung gestellt. Die Gelder stammen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds "Next Generation EU" in Höhe von mehr als 800 Milliarden Euro, von denen die Kanaren rund 466 Millionen Euro erhalten. Mit Probebohrungen soll erkundet werden, wo sich der Bau von Kraftwerken lohnt, die wie auf Island Erdwärme mit Dampfturbinen in Strom umwandeln.

Thermogenerator-Test auf Lanzarote

Ganz anders funktioniert ein System, das gerade an der Universität von Navarra entwickelt wird. Eine Forschungsgruppe hat einen sogenannten Thermogenerator patentiert, der – sehr vereinfacht ausgedrückt – Wärme direkt in Strom umwandelt. Und das ganz ohne bewegliche Teile, also praktisch ohne Verschleiß und Wartung.

"Wir haben auf (der Kanareninsel) Lanzarote ein Versuchsgerät im Nationalpark Timanfaya aufgebaut und sehr gute Ergebnisse erzielt", sagte Professor David Astrain, Leiter der Forschungsgruppe dazu. Nach einem Vulkanausbruch im Jahr 1730 ist der Boden dort immer noch schon in zwei Metern Tiefe 170 Grad heiß. Die Probeanlage hat zwar nur eine Leistung von 35 Watt, aber die Technologie könnte bald schon in viel größerem Maßstab angewendet werden, hofft Astrain.

Bis 2030 23 Prozent weniger CO₂-Ausstoß

Auch der Energieexperte Lionel Torres Rodríguez sieht das Potenzial der Geothermie auf La Palma. Aber der Teufel liegt im Detail. "Wir stehen unter großem Zeitdruck", sagt der Ingenieur, der bei der Gesellschaft für die Entwicklung der Insel Sodepal im Auftrag des Inselamts für Energie arbeitet.

Spaniens ambitionierter nationaler Energie- und Klimaplan sieht eine Reduzierung des CO₂-Ausstoßes bis 2030 um 23 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. "Bei der Geothermie rechnen wir mit zwei Jahren Planung, zwei Jahren Erkundung mit Tiefenbohrungen und weiteren eineinhalb Jahren für den Bau eines Geothermiekraftwerks", sagt der Experte. "Wenn alles richtig perfekt läuft", fügt er hinzu, aber das sei eigentlich nie der Fall.

Mögliche Verzögerungen durch Klagen gegen Probebohrungen

Um das Klimaziel zu erreichen, plädiert er deshalb für einen Mix aus Geothermie, Fotovoltaikanlagen auf Dächern öffentlicher und privater Häuser und Windkraft. "Diese beiden letzten Techniken sind erprobt und vor allem die Panels für Fotovoltaikanlagen können von Handwerkern auf der Insel installiert werden", gibt Torres zu bedenken. Er befürchtet auch Verzögerungen durch gerichtliche Klagen gegen Probebohrungen für Geothermie.

Noch gebe es nur wenige Fotovoltaik-Anlagen auf der Insel. "Aber die stark steigenden Energiekosten tun ihre Wirkung. Wenn erst mal einer eine Anlage auf dem Dach hat, werden die Nachbarn nachdenklich, vor allem, wenn sie die niedrigere Stromrechnung sehen", hofft Torres.

"Die Klimaziele für 2030 sind absolut notwendig, aber auch unglaublich schwer zu erreichen."
Lionel Torres Rodríguez (Energieexperte)

Bei der Reduzierung des CO₂-Ausstoßes dürfe auch der Transportsektor nicht vergessen werden. Er steuere zurzeit etwa 75 Prozent aller Klimagase auf der Insel bei. Auch in diesem Bereich werde der Strombedarf durch immer mehr Elektrofahrzeuge stark steigen, wofür das aktuelle Leitungsnetz nicht ausgelegt sei. "Die Klimaziele für 2030 sind absolut notwendig, aber auch unglaublich schwer zu erreichen", sagt Torres. Nicht nur die Energiequellen müssten sich ändern, sondern auch das Verhalten der Menschen.

(sp/dpa)

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