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Supermarkt: Werden Obst und Gemüse auch in Deutschland knapp?

LONDON, UNITED KINGDOM - 2022/03/26: A customer seen with a trolley walking along the aisle of empty shelves of tomatoes. Lorry strikes in Spain continues affect the food supplies especially vegetable ...
Leere Obst- und Gemüseregale: Das ist in Großbritannien derzeit kein seltener Anblick. Droht uns in Deutschland ein ähnliches Szenario?Bild: LightRocket / SOPA Images
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Supermarkt: Werden Obst und Gemüse auch in Deutschland knapp?

28.02.2023, 11:35
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Tomaten, Paprika, Gurken, Kopfsalat, Brokkoli, Blumenkohl und Himbeeren – all diese Obst- und Gemüsesorten werden in einigen Supermarktketten in Großbritannien rationiert. Das Limit: Drei Stück pro Person. Grund dafür sind der britischen Supermarktkette Asda zufolge "Beschaffungsprobleme" bei Obst und Gemüse aus Südspanien und Nordafrika. Denn in beiden Regionen gab es Ernteausfälle durch extremes Wetter.

James Bailey, Geschäftsführer der Edel-Supermarktkette Waitrose, erklärte im britischen Radiosender LBC: "Es hat in Spanien geschneit und gehagelt, letzte Woche hat es in Nordafrika gehagelt – das hat einen großen Teil der Ernten vernichtet." Allerdings solle die Knappheit ihm zufolge nicht allzu lange andauern – bereits in zwei Wochen würde Obst und Gemüse auch in anderen Teilen der Welt erntereif und damit lieferbar sein.

Weniger optimistisch blickt hingegen der größte britische Tomatenzüchter APS Produce in die nähere Zukunft. Gegenüber dem Sender Sky News warnte er vor Engpässen bis mindestens Ende April.

Doch was bedeutet das für Deutschland? Drohen uns auch hier bald ähnliche Engpässe?

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Die Abhängigkeit Deutschlands von Obst- und Gemüseimporten ist groß

Das Extremwetter in Südspanien und Nordafrika hat auch Auswirkungen auf Deutschland. Denn insgesamt 63 Prozent unseres Gemüses und sogar 80 Prozent des Obstes wurden 2021 dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zufolge nach Deutschland importiert – die Abhängigkeit ist also groß. Auch von den jetzt vom Extremwetter betroffenen Regionen.

"Weltweite Klima- oder Wetterextreme gehören für unsere Branche zum Tagesgeschäft", sagt Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelverbands gegenüber watson. "Da unser Selbstversorgungsgrad aufgrund des Klimas in Deutschland sehr gering ist, müssen wir die Lage in Südeuropa und Übersee im Blick haben."

Dry soil trickles through the fingers of farmer Roland Hild as he demonstrates the dryness of his field in Poppenweiler near Ludwigsburg, southern Germany, on April 24, 2020. - Farmers fear harvest da ...
Wetter- und Klimaphänomene haben weltweit großen Einfluss auf die Ernteerträge.Bild: AFP / THOMAS KIENZLE

Wetterphänomene haben großen Einfluss auf die Ernten

Frost, Trockenheit, starke Niederschläge, Schneefall, Temperaturschwankungen – all das habe Einfluss auf die Ernten und die Qualität der Ware. "Und besondere Klimaereignisse, wie zum Beispiel El Niño in Südamerika, merkt unsere Branche sofort", erklärt Brügger.

"Die Situation in Großbritannien beruht auf der schwierigen wirtschaftlichen Situation im Land, Personal-mangel und großen logistischen Problemen."
Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelverbands

Der El Niño ist ein Wetterphänomen, das etwa alle vier bis sieben Jahre im äquatorialen Pazifik auftritt und eine Änderung der Meeresströmung herbeiführt. Die Folge: Es drohen Starkregen und Überschwemmungen entlang der westlichen Küste Südamerikas und Dürre und Waldbrände in Südostasien und Australien. Zudem sind Fischbestände aufgrund eines Zusammenbruchs ganzer Nahrungsketten gefährdet.

Das hat auch gravierende Auswirkungen auf die Ernten.

HEALDSBURG, CA - JANUARY 13: Hay used for erosion control covers a flooded Russian River Valley vineyard following a series of heavy storms as viewed on January 13, 2017, near Healdsburg, California.  ...
In Kalifornien zerstörte Starkregen infolge des El Niños die Wein-Ernte.Bild: Getty Images North America / George Rose

Droht auch in Deutschland ein Einkaufslimit von Obst und Gemüse?

Brügger geht trotz allem nicht davon aus, dass auch Deutschland ein Szenario wie in Großbritannien droht: "Die Situation in Großbritannien beruht in erster Linie auf der schwierigen wirtschaftlichen Situation im Land, dem Personalmangel und den großen logistischen Problemen. Maßgebliche Ursache ist aus unserer Sicht der Brexit."

Tatsächlich waren leergefegte Supermarktregale in Großbritannien zuletzt keine Seltenheit. Erst im vergangenen Jahr litten die britischen Lebensmittelhändler unter Lieferunterbrechungen aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Kurz vor Weihnachten besserte sich die Lage aber – und viele Produkte waren wieder verfügbar. Im Oktober 2021 hatte ein Mangel an Lkw-Fahrer:innen in Großbritannien ebenfalls zu leeren Supermarktregalen und Tankstellen geführt.

BRISTOL, UNITED KINGDOM - FEBRUARY 19: Empty shelves and boxes are seen alongside fruit and vegetables that are being are offered for sale inside a branch of the supermarket retailer Asda on February  ...
Eine Folge des Brexits? Leere Obst- und Gemüseregale waren in Großbritannien zuletzt keine Seltenheit.Bild: Getty Images Europe / Matt Cardy

Produzenten und Einzelhändler geben Entwarnung: vorerst keine Knappheit in Sicht

Auch wenn das Angebot an Obst und Gemüse derzeit eher knapp ist, droht in Deutschland wohl zunächst kein Einkaufslimit. Einzelhändler gaben laut einem Bericht des "Spiegel" bereits Entwarnung.

Eine Sprecherin der Edeka Zentrale erklärte gegenüber watson:

"Dank unserer vielfältigen und guten Beziehungen zu Erzeugern von Obst und Gemüse können wir die Versorgung unserer Märkte mit ausreichenden Mengen weiterhin sicherstellen."

Darüber hinaus würde die Supermarktkette innerhalb ihres Nachhaltigkeitsengagements täglich daran arbeiten, Lieferketten – und somit die Versorgung von Menschen und Märkten – langfristig abzusichern. "Dazu setzen wir beispielsweise auf webbasierte Tools wie unseren Wasser-Risiko-Filter für ein nachhaltigeres Wasserressourcenmanagement und die Ermittlung von Süßwasserrisiken innerhalb der Wertschöpfungsketten", ergänzt die Sprecherin.

Ziel sei es, den ökologischen Fußabdruck von Edeka zu reduzieren und die Verbraucher:innen für einen "nachhaltigeren Konsum zu sensibilisieren, um auch langfristig eine breite Auswahl an Lebensmitteln anbieten zu können".

Werden einige Obst- und Gemüsesorten durch Engpässe zum Luxusgut?

Da es sich bei frischem Obst und Gemüse um Naturprodukte handelt, sind Engpässe oder eine Überversorgung im Markt für die Lebensmittelbranche nichts Neues. "Die Unternehmen müssen nicht nur gut planen, sondern auch sehr schnell und sehr flexibel reagieren", betont Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband. Er ergänzt:

"Das bedeutet bei Engpässen, dass man zum Beispiel auf andere Lieferregionen, andere Produktspezifikationen oder andere Waren umsteigt, um ein breites Sortiment anbieten zu können. Bei sehr knappen Mengen reagieren natürlich zwangsläufig die Preise, indem sie steigen, was sich aber sehr schnell wieder ausgleicht, wenn der Markt wieder gesättigt ist."

Besonders gefährdete Regionen, in denen vermehrt mit Ernteausfällen gerechnet wird, hätte der Deutsche Fruchthandelsverband aber noch nicht kategorisiert. Es würden sich aber mittelfristige Problem-Felder für einzelne Regionen oder Obst- und Gemüsesorten herausstellen. Das sind Brügger zufolge zum Beispiel hohe Mindestlöhne in Deutschland, fehlende Saisonarbeitskräfte, die Krise in der Ukraine, Fahrermangel für Lkw-Transporte oder hohe Gaspreise. Auch steigende Kosten für Treibstoffe und Strom sowie zu wenig verfügbare Pflanzenschutzmittelwirkstoffe für Sonderkulturen spielen eine Rolle.

Aber: Führen die Folgen der Klimakrise dazu, dass etwa einige Obst- und Gemüsesorten aufgrund von Ernteeinbußen zum Luxusgut werden, weil sie nur noch in geringer Menge verfügbar sind?

Brügger verneint das. Er sagt:

"Aktuell sehen wir diese Gefahr nicht, aber wenn die Politik nicht dazu beiträgt, die strukturellen Probleme in Deutschland und der EU zu lösen, könnte sich das bald ändern."
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