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Tipps und Tricks fürs herbstliche Pilzesammeln

Picking mushrooms in the woods
Beim Pilzesammeln gibt es einiges zu beachten.Bild: iStockphoto / PIKSEL
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"Für die vegane Ernährung ist es spannend, Pilze auf den Speiseplan zu übernehmen": Expertin erklärt, wie man sicher Pilze sammelt – und was dem Ökosystem Wald schadet

20.09.2021, 09:58
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Nachdem der Sommer in Deutschland ziemlich verregnet war, lockten uns zuletzt noch einmal Sonne und milde Temperaturen nach draußen – ein goldener Herbst beginnt! Es ist die perfekte Zeit, um die festeren Schuhe aus dem Schrank zu holen, sich einen Korb und ein scharfes Messer zu greifen und eine Wanderung ins Grüne zu unternehmen.

Mal abgesehen davon, dass ein Aufenthalt im Wald unser allgemeines Wohlbefinden steigert und durchatmen lässt, bietet er auch eine Delikatesse zum Mitnehmen: Die kleinen Pilzköpfe, die sich zwischen Laub und Geäst verstecken.

Wer noch nie Pilze sammeln war, stellt sich vor der ersten Exkursion sicher so einige Fragen: Welche Pilze darf ich essen? Wo finde ich sie? Und was mache ich, wenn ich doch einen giftigen erwischt habe? watson hat eine Pilzexpertin gefragt, worauf man beim Pilzesammeln unbedingt achten muss – damit man der Natur nicht schadet und sich selbst nicht den Magen verdirbt.

Den Pilz in seiner Gesamtheit betrachten

Katharina Krieglsteiner und ihr Mann leiten gemeinsam eine Pilzschule in Baden-Württemberg. Die Pilzexpertin kennt als Umweltingenieurin ökologische Zusammenhänge und vermittelt einen ganzheitlichen Blick auf die Natur während der verschiedenen Seminare und Tagesführungen, die sie anbietet.

Vor der ersten Pilzexkursion einen Kurs zu besuchen, empfiehlt sie übrigens wärmstens. Besonders dann, wenn man auf der Suche nach Speisepilzen ist, die man auch essen möchte. "Auf einer geführten Wanderung gewinnt man Sicherheit bei der Pilzbestimmung. Es wird einem deutlich gezeigt, auf welche Merkmale es bei den Speisepilzen ankommt. Man bekommt die Speisepilze gezeigt, die leicht kenntlich und für Anfänger gut zu bestimmen sind", sagt sie im Interview mit watson.

"Es gibt eindeutige Indizien, die die Pilze unverwechselbar machen – man muss nur wissen, worauf man achten muss."

Damit man nicht aus Versehen nach einem falschen Pilz greift, der womöglich giftig ist, muss man der Expertin zufolge den Pilz im Ganzen betrachten: "Man darf nicht nur auf den Hut schauen, sondern muss auch die Lamellen, das Sporenpulver und den Stiel inspizieren. Es gibt eindeutige Indizien, die die Pilze unverwechselbar machen – man muss nur wissen, worauf man achten muss."

Eine App auf dem Smartphone reicht dafür nicht aus, meint Krieglsteiner. "Die Handy-Apps sind sehr anfällig für Fehler. Ein Pilz ändert sein Aussehen immer wieder: von jung nach alt, von frisch nach trocken. Außerdem ist er dreidimensional, das kann ein Foto aber nicht genügend abbilden." Sie ersetzen also nicht das klassische Pilzbestimmungsbuch, das bei der Exkursion keinesfalls fehlen sollte.

Am besten erkennt man alle Merkmale des Pilzes übrigens, wenn man sie aus dem Boden herausdreht, anstatt sie überm Boden abzuschneiden. Wer sich also unsicher darüber ist, welchen Pilz er gerade vor sich hat, sollte den Pilz vorsichtig aus dem Boden herausdrehen und auch die Knolle untersuchen.

Diese Tipps gibt die Expertin für die Pilzexkursion:

  • Den Pilz in seiner Gesamtheit betrachten und genau unter die Lupe nehmen
  • Ein Pilzbestimmungsbuch nutzen
  • Einen luftigen Korb zur Aufbewahrung während der Wanderung verwenden
  • Den Pilz lieber aus der Erde herausdrehen, als ihn abzuschneiden
  • Gesammelte Pilze am besten noch am gleichen Tag verwenden, ansonsten 1-2 Tage kühl lagern, Steinpilze lassen sich auch trocknen
  • Bei Anzeichen einer Vergiftung (Übelkeit, Erbrechen, Unwohlsein) an den Giftnotruf, einen Arzt oder das Krankenhaus wenden. Am besten nimmt man auch Reste von dem Pilz, dem zubereiteten Gericht oder sogar dem Erbrochenen mit – denn dann ist es leichter festzustellen, um welche Pilze es sich gehandelt hat.

Der Zustand der deutschen Wälder

Wer sich auf die Suche nach Pfifferlingen, Champignons und Steinpilzen begibt, betritt ein empfindliches Ökosystem: den Wald. Dass der deutsche Wald extrem unter den Folgen des Klimawandels leidet, ist kein Geheimnis. Wie schlecht es ihm geht, zeigt der Waldzustandsbericht: Seit Beginn der Erhebungen war der durchschnittliche Kronenzustand der deutschen Waldbäume noch nie so desaströs. Nur noch jeder fünfte Baum ist gesund und bei mehr als einem Drittel der Bäume sind die Kronen sogar deutlich aufgelichtet.

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277.000 Hektar Wald sind zerstört und müssten aufgeforstet werden – eine Fläche, größer als das Saarland.Bild: www.imago-images.de / S. Ziese

Dass der deutsche Wald so krank ist, macht nicht nur Waldbesitzerinnen und -besucher traurig, sondern stellt auch eine echte Katastrophe im Kampf gegen die Klimakrise dar. Denn noch vor einigen Jahren konnten die deutschen Wälder jährlich 62 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre binden – und so sieben Prozent der deutschen Emissionen kompensieren.

Anstatt dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken, leidet der Wald nun selbst unter ihm – genau wie wir Menschen. Extremwetter, Luftschadstoffe aus Verkehr und Industrie sowie eine zu intensive Forstwirtschaft haben unserer "grünen Lunge" extrem geschadet. Das geht auch an den Pilzen nicht spurlos vorbei.

So reagieren Pilze auf den Klimawandel

Wie verschiedene Pilzsorten sich durch den Klimawandel verändern, haben Schweizer Forscherinnen und Forscher von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in einer Langzeitstudie untersucht. Das Ergebnis: Steigen die Bodentemperaturen an, werden einige Pilzarten schlussendlich verdrängt – andere hingegen gefördert.

Die Forschenden sagen, dass vor allem an bisher kühlen Standorten wie der Waldgrenze dieser Wandel die Nährstoffkreisläufe verändern und somit möglicherweise weitere Folgen für die Ökosysteme haben wird.

In einem sechsjährigen Experiment wurde die oberste organische Bodenschicht an einigen Teststellen im Wald aufgeheizt. Dadurch wurden die Mikroorganismen im Boden aktiver, zersetzten mehr Humus und machten so doppelt so viel Stickstoff verfügbar wie auf Flächen ohne Erwärmung. Dadurch konnten sich stickstoffliebende Pilze überraschend schnell vermehren: "Dass eine Erwärmung so deutlich und in relativ kurzer Zeit die Pilzgemeinschaft verändert, haben wir nicht erwartet", sagt der Leiter der Studie in einer Pressemitteilung des WSL. "Die Ergebnisse belegen, dass Pilze sehr empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren."

"Dass eine Erwärmung so deutlich und in relativ kurzer Zeit die Pilzgemeinschaft verändert, haben wir nicht erwartet"

Schaden wir dem Wald beim Pilzesammeln?

Bei einer Pilzexkursion stampfen wir mit den Wanderschuhen oder Gummistiefeln durch den Matsch, wühlen im Laub und stehlen der Natur sogar einige ihrer "Früchte". Schaden wir damit dem Wald und den Pilzen eigentlich noch zusätzlich?

Die Pilzexpertin gibt Entwarnung. Sie vergleicht das Pilzesammeln mit dem Äpfelpflücken: "Der Pilz, den wir sehen, ist lediglich der Fruchtkörper von diesem Lebewesen Pilz, das ja hauptsächlich unterirdisch durch sein Mycel dargestellt wird. Wenn ich Pilze sammle, tue ich dem Pilz also nichts Schlechtes."

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Unter der Erde breitet sich das Wurzelwerk der Pilze aus.Bild: imago stock&people / blickwinkel

Krieglsteiner merkt jedoch an, dass es zahlreiche andere Faktoren gibt, die dafür sorgen, dass nicht mehr so viele Pilze wachsen wie noch vor 20 oder 50 Jahren. Als Hauptgrund nennt sie die Überdüngung:

"In der gesamten Landwirtschaft wird viel Dünger verwendet, der nicht dort bleibt, wo er eingesetzt wird. Durch die Luft gelangt sehr viel Stickstoff in die Wälder ­– und auch durch Oberflächenwasser werden die Nährstoffe in die Wälder geschwemmt. Das sieht man an Waldrändern, die voller Brennnesseln oder Brombeeren sind. Wenn ein Acker oder eine Wiese gedüngt wird, bleibt der Dünger nicht dort, sondern wird durch Wind und Wasser verbreitet. Und viele Pilze, vor allem Mykorrhiza-Pilze (die mit Bäumen in Symbiose leben), sind eher an nährstoffarme Standorte angepasst. Ihnen schadet die Überdüngung besonders."

Pilze und Wald – untrennbar miteinander verbunden

Innerhalb des Waldes erfüllen Pilze viele essenzielle Funktionen: Sie zersetzen beispielsweise totes organisches Material wie Holz, Laub oder Nadelstreu und halten damit den Nährstoffkreislauf in Gang. Zudem unterstützen sie im Wurzelraum als Mykorrhiza-Pilze fast alle höheren Pflanzen bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme.

Es zeigt sich deutlich: Der Klimawandel schadet sowohl dem Wald als auch den Pilzen, und die beiden sind untrennbar miteinander verbunden. Damit das Pilzesammeln als Herbstaktivität auch noch unseren Enkeln möglich ist, muss die Natur also dringend geschützt und gefördert werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat im Zuge der Waldzustanderhebungen einige Forderungen an die Politik gestellt, die das Waldsterben verhindern sollen. Das hilft sowohl dem Klima als auch den Pilzen – die nicht ohne Grund als "Rohstoff der Zukunft" bezeichnet werden. Nicht nur im Wald erfüllen sie eine Reihe von Funktionen – sie finden auch in der Herstellung von Baustoff, Kleidung und veganem Leder Verwendung. Zudem werden sie oft als Fleischersatz benutzt. Krieglsteiner meint dazu: "Für die vegane Ernährung ist es spannend, Pilze auf den Speiseplan zu übernehmen, weil sie geschmacklich und in ihrer Textur sehr vielfältig sind."

In ihrer Pilzschule bietet die Expertin übrigens auch Färbeworkshops an – Pilze eignen sich Krieglsteiner zufolge nämlich auch als natürliche Färbemittel für Wolle und Seide. Auf ihrer Website schreibt sie: "Durch Pilze lässt sich eine schier unerschöpfliche Farbpalette erzeugen, die immer wieder zum Experimentieren und Genießen einlädt!"

Es gilt also, das schwammige Multitalent zu schützen. Allein schon deshalb, weil das Pilzrisotto mit selbst gesammelten Pfifferlingen bestimmt gleich doppelt so gut schmeckt, wenn man weiß, dass man im nächsten Jahr wieder auf Pilzexkursion gehen kann.

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